Die Heilige Familie - immer auf der Flucht

4.Teil: Wieder auf der Flucht – aber wohin?
Als der alte Dorfpfarrer am nächsten Morgen vor die Krippe tritt, herrscht dort gähnende Leere. Alle Tiere Schafe, Ziegen, Hunde, Pferde, Rinder sind weg. Selbst die kleine Maus, die sonst immer aus dem Loch in der Stallwand lugte, ist nicht mehr zu sehen. Natürlich hat auch die heilige Familie gepackt und ist verschwunden. „Wer hat uns denn jetzt noch die Krippe gestohlen. Die ist doch nichts mehr wert.“ Er stürzt zurück ins Pfarrhaus und unterrichtet die Polizei. Die kommt, kann aber keine Einbruchspuren feststellen. Der Pfarrer informiert den Bischof. Der nimmt das alles gelassen zur Kenntnis. Was soll er sich auch um ein paar heruntergekommene Krippenfiguren kümmern. Da hat er doch Wichtigeres zu tun.
Inzwischen zieht Josef mit seiner Familie durch die Stadt. Die Tiere folgen der kleinen Familie. Auf der Brücke über den Fluss kommt ihnen die alte Marte entgegen. Sie kann nicht mehr gut sehen. „Was ist denn das. Ist es noch nicht genug, dass ich alles nur noch verschwommen sehe. Müsst ihr mir jetzt auch noch Wahnvorstellungen vorspiegeln“, sagt sie.
Josef bleibt stehen und mit ihm der ganze Zug. „Das ist keine Täuschung“, sagt er. „Das ist die nackte Wirklichkeit. Wir gehen. Ich habe die Kündigung im Gesicht des Bischofs gelesen. Wir gehen, ehe man uns hinauswirft. Für den Sperrmüll sind wir noch zu gut. Doch es geht uns nicht alleine so. Die Kirche ist auch bald dran. Die wird abgerissen. Ein Supermarkt hat sich schon für das Grundstück interessiert.“
„Das darf nicht sein“, sagt Marte. Die Kirche muss bleiben700 Jahre steht sie nun schon im Dorf. 700 Jahre war sie Mittelpunkt. Generationen haben viel geopfert, um sie zu erhalten.“
„Du hast ja recht“, Josef ist betrübt. „Wir haben das lange miterlebt. Doch nun ist es vorbei. Wir wissen nur noch nicht wohin.“
„Nein“, sagt Marte. „Ihr bleibt hier. Ich wollte mein Vermögen der Kirche vermachen, denn ich habe keine Angehörigen mehr. Doch nun werde ich es in eine Stiftung einbringen und die soll sich um Wohnungslose kümmern. Die Kirche wird saniert und umgebaut. So behaltet auch ihr euer Dach über dem Kopf. Man kann doch die Heilige Familie nicht obdachlos machen und das an Weihnachten! Jetzt kommt ihr erst einmal zu mir.“
Einige Tage später erhält der Bischof den Brief eines Rechtsanwalts. Der informiert ihn, dass sich seine Mandantin um die Dorfkirche bemüht. Sie würde die Kosten für den Erhalt und den weiteren Unterhalt der Kirche übernehmen. Die Kirche würde von einer Stiftung seiner vermögenden Mandantin in ein Haus für Wohnungslose umgebaut. Der Bischof überlegt. Einige Tage vergehen. Da liest der Bischof morgens in der Zeitung: „Die alte Dorfkirche soll, die Zustimmung des Bistums vorausgesetzt, von einer Stiftung in ein Haus für Wohnungslose umgebaut werden. Eine kleine Kapelle bleibt erhalten. Dort wird auch in Zukunft die Krippe der Dorfkirche zu sehen sein.“ Nun ist die Entscheidung auch ohne sein Zutun gefallen. Diesem Projekt hat er nichts entgegenzusetzen. So erscheint in der nächsten Zeitungsausgabe folgende Nachricht auf der ersten Seite:
„Der Bischof von X hat entschieden, dass die fast baufällige Dorfkirche in ein Haus für Wohnungslose umgebaut wird. Mit seiner Zustimmung wird eine eigens dafür geschaffene Stiftung alle Kosten für den Umbau und den Unterhalt übernehmen.“
„Siehst du Maria“, sagte Josef. Wir finden immer eine Unterkunft. Jetzt haben wir fast ein eigenes Haus zusammen mit anderen Wohnungs- und Heimatlosen wie wir.“

Bürgerreporter:in:

Ullrich Rockahr aus Wunstorf

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