Das Stellvertreterbier

Hans und das Stellvertreterbier (Bild: Nicole Heckner)
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Wie gut, dass ich den zum Freund hab!

Hans hat sich mit seinem guten Freund Jonte in ihrer Stammkneipe zum Leuchtturm verabredet. Er musste unbedingt mal mit ihm ein Männergespräch führen. Zu viel lastete auf seiner Seele. Da wurde es endlich Zeit, mal wieder aufzuräumen. 18.00 Uhr hatten sie abgemacht. Bloß,als es 18.30 wurde, ohne dass er etwas von Jonte gesehen oder gehört hatte, wurde er unruhig. Er hatte sich noch nichts bestellt. Immer wenn Matse ihn fragte: „Was soll es sein?“ kam die stereotype Antwort: „Ich warte noch auf Jonte.“ Aber jetzt war seine Geduld zu Ende. „Mach mal ‘n Gabi (Kurzform für Gabiko= ganz billiger Korn) und ‘Pils“, sagte er zu Matse. „Ich leg schon mal vor.“
„Warum bestellst du für Jonte nicht gleich eins mit? Der muss doch jeden Moment hier aufschlagen, flüsterte Franz. „Nee, lass man noch, das Bier wird sonst schal.“ „Wie du meinst“, brummte Franz.“
Das Bier kam, Jonte nicht. „Matse, warte mal“, sagte Hans. „Mach doch gleich noch eins für Jonte, der muss ja jetzt jeden Moment kommen.“ Das Bier für Jonte kam, aber Jonte selbst nicht. „Mach dir nichts draus“, flüsterte Franz. „Du kannst doch schon mal anfangen zu erzählen. Jontes Bier ist doch schon mal da. Erzähl ihm doch einfach die Schoten von deiner Ernestine. Du hast ja den Stellvertreter von Jonte da neben dir stehen. Der quatscht auch nicht immer dazwischen wie Jonte.“ „Bist du verrückt“, regte sich Hans auf. „Ich führ hier doch keine Selbstgespräche.“ „Das sind keine Selbstgespräche. Das ist ein Wort von Mann zu Mann, nur dass der Stellvertreter die Klappe hält. Aber sonst ist es genau so, als ob Jonte da sitzt. Also mach an, weil wenn sich dein Freund noch mehr verspätet, wirst du heute nicht mehr alles los.“ Da hatte Franz Recht. Hans fing also an von Ernestine zu erzählen und was die sich alles so leistet, und wie sie ihm die Kaffeetasse am Kopf zerschmettert. hat. Er war jetzt so richtig schön in Fahrt und ab und zu, wenn sein Glas und das von Jonte leer waren, stellte Matse in stiller Übereinkunft zwei Neue hin. Dann und wann, wenn Hans zwei Finger hob, kamen noch zwei Gabis dazu.
So ging das Stunde um Stunde. Hans hatte eine Last nach der Anderen auf den Stellvertreter abgewälzt. Allerdings wollte jetzt seine Zunge nicht mehr so recht. Eben sagte Hans: “Is klar, Jonte. Ich glaub, ich hab jetzt alles bei dir abgepackt. Ich geh jetzt besser nach Hause. Ernestine wird schon warten.“ „Mann, die steht doch schon seit ‘ner Stunde mit dem Nudelholz hinter der Tür. Die hat doch schon ‘n Hals wie ‘Walfisch – nämlich gar kein, “ redet ihm Franz ein. „Der kommst du heute Nacht besser nicht mehr in die Quere“.
Als wäre das nun sein Stichwort gewesen, ging die Tür auf, und Jonte kam herein – stocknüchtern. Er erkannte sofort die Situation: „Du gehst heute Nacht nicht mehr nach Hause“, sagte er zu Hans. „Du kommst mit zu mir. Meine Pauline ist nicht da. Da kannst du dir das in ihrem Zimmer bequem machen. Morgen sagst du zu deiner Ernestine, du warst bei mir. Und jetzt leg mal deinen Arm um mich.“ Er zahlte die Rechnung, fasste Hans unter und schob mit ihm ab. „War zwar ‚‘n teurer Abend. Aber besser als sich stundenlang das Gesülze anzuhören,“ murmelte Jonte vor sich hin.
Hans aber dachte: „Endlich habe ich mir mal den ganzen Frust von der Seele geredet, ohne dass mich einer unterbrochen hat. Jonte ist doch noch gekommen, wenn auch spät. Der kümmert sich wenigstens um mich. Wie gut, dass ich den zum Freund hab.“

Bürgerreporter:in:

Ullrich Rockahr aus Wunstorf

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