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Achterbahn des Lebens (12)

Der Stuttgarter Raum war abgegrast – das Futter stand nur noch spärlich in der Gegend. Wiesbaden war unser nächstes Etappenziel. Ein ganzes Hotel in Wiesbaden-Sonnenberg wurde allein für unsere Gruppe angemietet. Roman, mein Lehrmeister und Chef, war ein guter Pfadfinder. Er kannte jeden Winkel und jede Hütte, bevor er uns von der Leine ließ.
Nachdem wir uns einquartiert hatten, konnte Boss Roman sich ohne Kopfzerbrechen wieder seinen anderweitigen Interessen widmen – ich hatte die Kolonne fest für ihn im Griff. Mein Umsatz lag inzwischen schon beachtlich über seinem eigenen. Die Wiesbadener Croupiers bekamen wohltuend es zu spüren – und wußten das zu schätzen.
Mit Wiesbaden war Aschaffenburg in greifbare Nähe gerückt – der Ort meiner zweiten Kindheitshälfte. Die 80 Kilometer waren für mich nicht mehr als ein Katzen-sprung.
Die Wochenenden nutzte ich, um meiner Brigitte Aschaffenburg zu zeigen – und natürlich auch, um meinem alten Freund Peter Brigitte zu zeigen.
Meine alten Freunde im Fahrbachweg zu besuchen, um ihnen von meiner ‚Karriere’ zu berichten und meine Eroberung vorzuführen – dazu fehlte mir seltsamerweise der Mut.
Verprügelt habe ich Peter auch bei diesem Wiedersehen nicht – mein Zorn auf ihn war verraucht. Sein Gaunerstück hatte mir ja nicht geschadet. Ganz im Gegenteil – ich war nicht nur ein erfolgreicher ‚Geschäftsmann’ geworden – dank seiner Kabinettstückchen – nein, ich hatte ja dadurch auch Brigitte kennengelernt und die höchsten Grade der Lust erfahren. Es war einer der schönsten Abschnitte auf der Achterbahnfahrt meines Lebens.
Einen kleinen Denkzettel mußte ich meinem alten Freund und Kupferstecher dann aber doch verpassen – das konnte ich mir nicht verkneifen. Ich hätte sonst wohl Magengeschwüre bekommen.
Seine Abfindung, die er für mich bekommen hatte – wie er sich vorsichtig zurückhaltend ausdrückte – war natürlich lange schon den Weg alles Vergänglichen gegangen.
Ich lud den längst wieder mittellosen Peter in das feinste Restaurant der Stadt ein. Ohne vorher einen Portemonnaie-Walzer aufzuführen, ließ ich den befrackten Ober die Speisen- und Getränkekarte rauf und runter servieren.
Peter tat sich keinen Zwang an – genüßlich tränkte er seine ausgetrockneten Eingeweide mit den edelsten Sachen. Immer schön langsam, damit es auch wirkte. Auf halbem Wege verabschiedeten wir uns – ließen Peter sozusagen halbaufgerichtet im Kulinarentempel zurück.
Seine Nerven fingen gerade an, einigermaßen normal zu reagieren – da entzog ich ihm den Stoff. Er bekam zu spüren, wie es einem so ergehen kann.
Im Restaurant konnte er nicht bleiben – und an den Verkaufsbuden draussen gab es auch nichts ohne bare Münze. „Ohne Moos nichts los“ – hörte ich einmal einen Büdchenbetreiber zu Peter sagen. Zwar sagte der gute Mann das mit lächelndem Gesicht, aber so knochenhart und trocken wie ein sechs Monate altes Kommißbrot.
Vielleicht hat Peter da mal ein wenig an die Spielchen gedacht, die er mit mir getrieben hatte.
In mir waren tausend kleine Teufel der Befriedigung am tanzen. Dreimal habe ich diese Neckerei mit ihm getrieben – von da an schlich er immer erst einmal witternd um meine Einladungen herum – wie ein hungriger Steppenwolf – stets auf das schnappen einer Fußangel gefaßt. Mein gekränktes Ego hatte sich auf jeden Fall wieder aufgerichtet.
Unsere Wiesbadenzeit hatte sehr viel Substanz. Mainz, Ludwigshafen, Rüdesheim – alle umliegenden Städte und Dörfer pflügten wir intensiv durch. Wie ein Kamm mit fünfzehn enggestellten Zähnen zogen wir Strich für Strich durch die Landschaft. In drei Monaten glätteten wir ein Gebiet von gut zweihundert Kilometern Durchmesser mit äußerst guten Erfolgen. Jeder von uns – auch die Infanterie – genoß in dieser Zeit so eine Art Fettlebe.
Irgendwann war aber auch diese Weide abgegrast – wir mußten uns neue Futterplätze suchen.
In Kürten-Dürscheid wurden wir fündig. Eine Reiterhazienda wurde unser Basislager. Es war ein Hotel oberhalb eines Hanges. Roman wählte es wegen seines Nebenhauses aus, das er komplett anmietete.
In geschlossener Gesellschaft, und unter einem Dach befindlich, war die Zugriffigkeit auf die Mannschaft besser. Es verringerte erheblich die Gefahr, daß jemand von den Geknechteten aus der Reihe tanzte. Ich muß es heute eingestehen – unter Romans Regie ging es nicht immer nur christlich zu. Er wußte seine Vorteile immer zu wahren und diese im Falle eines Falles auch wohl brachial durchzusetzen.

Das Bergische Land hatte es mir auf den ersten Blick angetan. Von Bergisch-Gladbach nach Köln konnte man schon beinahe hinspucken – und Köln hatte etwas Besonderes an sich, das muß ich schon sagen!
Unser Größenwahn trieb Blüten – das Leben im Reichtum bekam Methode. Noch keine dreimal hatte Romans Hintern die original altenglische Klobrille in seinem neuen Domizil geküßt, da saß er schon mit seinen vier Buchstaben auf dem Rücken eines eigenen Pferdes. Einem Zigeunerbaron gebührt schließlich der allmorgendliche Ausritt in die Ländereien.
Die besaß der Drückerfürst zwar nicht in Kürten – und auch nicht anderswo – aber wie gesagt: es gehört sich eben so. Damit er bei seinen Ausritten in die Weiten der bergischen Wälder wenigstens einen Bewunderer an seiner Seite wußte, brachte er mich dazu, mir auch eine Haflingerstute anzulachen.
Pro Huf mußte ich fünfhundert Märker auf den Tisch der Hazienda am Fuße des Hügels blättern. Ein stolzer Preis für achthundert Pfund Pferdefleisch mit braunem Fell, blondem Schweif und ebensolcher Mähne ausgestattet.
Romans Herrschergeschenk an mich als seinen Vasallen war ein wunderschöner handgearbeiteter Cowboy-Sattel – den ich mir selber beim vornehmsten Kölner Reitausstatter aussuchen durfte. Und wie es sich für zünftige Rindertreiber gehört – ein riesengroßes Steak gab es jeden Abend am Lagerfeuer.
In der Anfangszeit meiner Reiterlaufbahn konnte ich allerdings diese Köstlichkeiten am Lagerfeuer nicht so recht genießen. Ich mußte meine blauen Flecke und Verrenkungen pflegen, die meine Spidi mir schenkte, wenn sie aus vollem Galopp abbremste, und mich mit Effet in hohem Bogen in die bergische Feierabendlandschaft beförderte. Sie hat mir ganz schön Respekt beigebracht. In den höchsten Tönen konnte man mich oft piepsen hören.
Wieder war es Roman, der in dieser Situation Rat wußte. „Du blamierst noch die ganze Innung“, sagte er zu mir, „wenn Du nicht endlich sattelfest wirst. Ich besorge Dir eine Kandare.“
Eine Kandare musste also her – und wieder wurde mir ein Begriff vor die Füße gelegt, mit dem ich nichts anzufangen wußte. Als ich dann allerdings begriff, was so ein Ding war – und wie es funktionierte – ich hätte den Kauf am liebsten rückgängig gemacht.
Roman ließ aber nicht locker. „Entweder du machst deine Spidi damit gefügig“ – so sein Argument – „oder du schenkst dir das Reiten, und läßt das Pferd auf der Weide laufen.“
Na, ja – das wollte ich auch nicht. Geschmeckt hat es mir trotzdem nicht – ich habe jedesmal mitgelitten. Gottseidank war meine Spidi ein Schnell-Lerner. Das Quälmittel Kandare konnte ich nach ein paar Tagen in der Versenkung verschwinden lassen.
Roman mußte einen Narren an mir gefressen haben – seine Geschenke an mich erweckten bei mir zumindest den Eindruck. Er staffierte mich mit allem aus, was seiner Meinung nach ein ‚Gentleman’ benötigte.
Die Geschenkorgie gipfelte in einer kompletten Cowboy-Ausrüstung. Nichts fehlte daran – sogar ein Revolver mit Patronengurt und Holster war dabei.
Unseren Showauftritten auf der Reiterhazienda stand nun nichts mehr im Wege. Jedes Wochenende tobten wir uns auf diese Art aus. Die anderen Gäste und Besucher waren von unseren Vorführungen stets begeistert. Ich bedaure heute noch, daß wir unsere Pferde aus Zeitmangel die Woche über nicht selber füttern und pflegen konnten, aber irgendwie mußten wir ja das Moos für unsere Sperenzchen herbeischaffen.
250,- Märker die Woche mußten wir allein an Pensionsgeld für die Pferde berappen. Wenn wir mit unserem Spökes an den freien Tagen nicht soviel Leben auf die Hazienda gezogen hätten – der Preis wäre noch ungleich höher ausgefallen. So besorgten wir auf diese Art auch das Geschäft des Hoteliers.
Eine Westernstadt war auf unser betreiben hin entstanden – so ganz nach dem Vorbild der Neueweltpioniere. Es fehlte an nichts – Schmiede – Mietstall – Sheriffoffice mit Jail – einen Saloon – sogar einen „Boothill“, einen Friedhof hatten wir angelegt. Die Opfer der Schießereien und Schlägereien im „Saloon“ mußten ja zeitgemäß verbuddelt werden. Sogar ein ‚Etablissement’ konnten die Hobbycowboys bei uns finden – die Rolle der ‚käuflichen Damen’ spielten mit Begeisterung die jungen Mädchen, die in den Stallungen die Pferde pflegten. Das geschah natürlich alles in Ehren – womit ich aber nicht ausschließen will, daß hin und wieder auf den Matratzen in den Kabinetten richtig und in Echt gejodelt wurde. Selbst die frommste Stute kann ja schließlich nicht immer nur auf Pappe kauen.

ee

Ende Band 1

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Ewald EdenWilhelmshavenautor edenKulturTürkei

13 Kommentare

Liebe Roswitha Bute, der Mund darf jetzt wieder geschlossen werden.
LG. Manfred Werner

Oh wie gut Manfred ..., daß Du mich hier erinnert hast ... den Mund wieder zu schließen ! Nicht auszudenken wenn erst die Frühlingsmücken hineingeflogen wären .
PS, heute habe ich mich für Manfred als Vornamen entschieden ..., lach ...

... OK, liebe Roswitha !

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