Achterbahn des Lebens (10)
Unsere finanzielle Grundlage war äußerst schwach geworden - sie schrie förmlich nach frischem Geld.
Peter war auf seiner Suche nach neuen Quellen der Verdienstmöglichkeiten fündig geworden. Was sich dabei in seinem Netz verfangen hatte präsentierte er mir als goldene Zukunft – als Ei des Kolumbus sozusagen. Für ihn kam das, was er da gefangen hatte, aus Altersgründen leider nicht mehr in Frage.
Erfolgreicher Außendienstmitarbeiter wäre er in seinen jüngeren Jahren lange genug gewesen – meinte er.
Nun eröffnete sich mir die Möglichkeit, bis in die Unendlichkeit auf leichte Art Pinunsen zu scheffeln. Peter hatte mir mein „Clondike“ – mein Goldader gezeigt. Ich brauchte nur zu schürfen. Ich fühlte mich plötzlich in die Zeit der Wildwestromanhelden meiner Jugendjahre versetzt – ich fühlte mich als Goldgräber. Die verlockende Aussicht auf schnellen Reichtum hinderte mich wieder einmal am klaren Denken.
Ich stimmte seinem, Peters Vorschlag mit Freuden zu. Wenn ich damals von seiner Absicht und seiner „Vorarbeit“ auch nur die geringste Ahnung gehabt hätte – mit genauso großer Freude hätte ich meinen „Freund und Gönner“ Peter nach Strich und Faden verprügelt – glaube ich.
Der Lumpsack hatte mich doch tatsächlich im Vorfeld für zehntausend Mark bar auf die Kralle an den Chef einer ‚Drückerkolonne’ verkauft. Er besaß aus seiner aktiven Zeit immer noch exzellente Verbindungen zu diesen halbseidenen Windhunden der Zeitschriftenwerberbranche. Ich war buchstäblich als „Erwerbsquelle“ von einem „Zuhälter“ an den anderen verschachert worden. Etwas anderes sind diese Typen nicht. DAS kann ich heute sagen.
Unter „Verlagswerbung“ konnte ich mir überhaupt noch nichts rechtes vorstellen. Der in Deutschland landläufige Begriff ‚Klinkenputzen’ für diese „Tätigkeit“ ging mir erst sehr viel später ein.
Um seiner ‚Vermittlungsprovision’ auch sicher zu sein, lernte er mich ein paar Wochen lang an – er weihte mich in die Geheimnisse des ‚Leute rumkriegen’ ein. Erst danach entließ er mich in des Teufels Hinterzimmer – als das ich die Verlagswerbung K. in Darmstadt im nachhinein empfunden habe.
Die Spinne im Netz – den Chef der Agentur - kannte ich schon aus den ‚Vorverhandlungen’ – aus den Dreiergesprächen zwischen Peter, mir und ihm.
‚Vorverhandlungen’ – den Glauben ließ man mir – der Chef des Ladens wollte wohl eher seinen ‚guten Kauf’ bestätigt wissen. Risikofaktoren in Gestalt von unsicheren Kantonisten geht man auch in diesem Metier tunlichst aus dem Wege. Es drehte sich in den Protzgesprächen nämlich nur um Abrechnungsprovisionen für eingefahrene Zeitschriftenabos.
Durch das Niedrigwasser, oder besser der anhaltenden Dürreperiode in meiner Kasse war es mir eigentlich gleichgültig, womit ich mein Geld verdiente. Nur ein bestimmtes Ehrverhalten habe ich mir nie abkaufen lassen. Zum Beispiel stammte keiner der Namen auf meinen Abo-Scheinen von den Grabsteinen schon Verstorbener auf irgendwelchen Friedhöfen, oder keines meiner Kolonnenmitglieder mußte wegen zu geringen Umsatzes hungern oder dursten.
Im Gegensatz zu den meisten meiner „Drückerkollegen“ bewahrte mich meine körperliche Überlegenheit vor Repressalien und Misshandlungen der Kolonnenführer. Meine Fähigkeiten als Ringer – ich war hessischer Landesmeister im Freistilringen gewesen – ersparte mir so manche ‚Ochsentour’ im Aboschreiben. Ich brauchte nicht bis spät abends von Tür zu Tür zu dackeln, um mein Pensum zu erfüllen. Neun Scheine – ohne die man sich normalerweise nicht im Quartier blicken lassen durfte - waren schon knüppelhart. Für die weniger begabten ‚armen Schweine’ unter meinen Kollegen bedeutete das oft ein achtzehn Stunden Tag.
Ich war von alledem befreit – weil ich ja zum lernen dabei war. Das glaubte ich damals zumindest selbst-gefällig. Eher war es wohl der Respekt der Unterbosse vor meiner körperlichen Überlegenheit.
Natürlich hat meine Fähigkeit, die Kunden von der unbedingten Notwendigkeit eines für sie völlig überflüssigen Zeitschriftenabos zu überzeugen, zu meiner besseren Stellung in der Gruppe beigetragen – sicherlich – aber allein das war es bestimmt nicht.
Die Berichte in den Zeitungen, über meine Erfolge als Ringer in der Bundesliga, haben mich bestimmt vor vielem Hässlichen beschützt. Ich stieg dank meiner Verkaufstalente ganz schnell in der Hierarchie auf.
ee
Fortsetzung folgt
spannend....
lg