Knölken-Brücke in Wennigsen benannt nach dem Mordfall an den Böttchermeister Christian Knölke
Knölken Brücke
Brücke über den Wennigser – Mühlbach auf der Landstraße L390 zwischen Wennigsen und Sorsum.
Kurz vor Wennigsen aus Sorsum betrachtet quert die L 390 den Mühlbach. Die Brücke wird im Volksmund „Knölken-Brücke“ genannt. An dieser Brücke kommt es immer wieder zu tragischen Unfällen, sogar mit Todesfolge.
Zuletzt kam ein Müllfahrzeug am 04.04.2022 in der Kurve vor der Brücke von der Fahrbahn ab, berührte einen Baum und stürzte über das Brückengelände in den Mühlbach. Dabei wurden drei Personen schwer verletzt. Irgendwie ist diese Knölken-Brücke eine Schicksalsbrücke und ihr Name beruht auf einen Mordfall im Jahr 1829.
In diesem Zusammenhang wird immer wieder gefragt, warum diese Brücke den inoffiziellen Namen: „Knölken-Brücke“ trägt.
Mordfall aus dem Jahr 1829 an den Böttchermeister Christian Knölke
Namensgeber ist der Mordfall aus dem Jahre 1829 an den Böttchermeister Christian Knölke aus Wennigsen. Dieser betrieb bis 1829 am heutigen Feuerwehrplatz (früher Straße im Sacke mit der alten Wennigser Hausnummer 30 eine Böttcherei).
Die Geschichte zu diesem Moddfall:
Anne Christine Wilhelmine Knölke geb. Rodenberg ist mit dem Böttchermeister Christian Knölke verheiratet. Beide wohnen in Wennigsen (alte) Hausnummer 30 und betreiben eine Böttcherei.
In der Böttcherei ist der Geselle Heinrich Christoph Bürgen (wahrscheinlich aus Gehrden) beschäftigt. Als Geselle wohnt er mit in dem Haus des Böttchermeisters. Frau Knölke unterhält mit dem Gesellen schon mehrere Jahre ein Verhältnis. Bei zweien ihrer sechs Kinder soll der Geselle Bürgen der Vater sein. Böttchermeister Knölke wird in den Gerichtsakten als „Säufer“ bezeichnet, er soll sich auch in Hannover eine Geschlechtskrankheit zugezogen haben (nicht bewiesen). Der Handwerksbetrieb wird vor allem durch den Gesellen Bürgen betrieben und aufrechterhalten.
Bürgen und Frau Knölke planen den Mord
Bürgen und Frau Knölke beschießen, den Meister zu ermorden und hoffen, nachher heiraten zu können. Am 10.12.1829 erschlägt Bürgen mit einer Bandschlage seinen Meister Knölke.
Zur Vertuschung der Tat beschießt man, das Ereignis als „Unfall“ aussehen zu lassen. Die Leiche von Christian Knölke wird an einem Steinhaufen nahe der heutigen „Knölken Brücke“ an der Gemarkung Pferdewiesen (noch heute gebräuchlich für das Gelände am Ortsausgang Wennigsen links in Richtung Sorsum ehem. Hafa-Alten Gerätebau) abgelegt. Es sollte aussehen, dass Knölke auf den Steinhaufen gefallen und erfroren ist.
Am 12.12.1829 wird die Leiche gefunden. Es hielt sich das Gerücht in Wennigsen, dass hier ein Mord vorliegt. Nachbarn sollen beobachtet haben, wie Bürgen nachts mit einem großen Sack auf dem „Buckel“ und mit Karre einen Gegenstand transportiert hat.
Kurz danach werden Frau Knölke und der Geselle Bürgen verhaftet. Sie gestehen schließlich die Tat.
Das Verhör zur Tat
In den Verhören stellt sich heraus, dass Frau Knölke nicht aktiv an der Tat beteiligt ist. Ausgeführt hat die Tat ausschließlich der Geselle Bürgen. Bürgen und Frau Knölke sitzen ein im Gefängnis des Amtes Calenberg (Schulenburg). Das Gefängnis befand sich auf dem Gelände der ehemaligen Feste Calenberg.
Das Urteil
Heinrich Christoph Bürgen wird 1830 im Criminalamt „Amt“ Calenberg zum Tode verurteilt. (Amtmann von Calenberg 1830 = Georg Friedrich Schmidt. Das Gericht vom Amt Calenberg soll sich in den Gebäuden des Hausgutes Calenberg befunden haben)
Das Urteil lautete: Bürgen solle mittels eiserne Keulen von oben herab zum Tode zu richten sein. Dieses Urteil wurde durch das Ober-Hals und Criminalgericht Hannover (1830 unter der Regentschaft Wilhelm IV König von England und Hannover) im Gnadenwege abgemildert in einfache Enthauptung durch das Schwert.
Die Enthauptung fand am 05.08.1830 öffentlich auf dem Richtplatz des Amtes Calenberg nahe der Thiedenwiese statt. (heute Ortsteil von Pattensen an der B 3)
Vermerk: Es gibt unterschiedliche Quellen zum Jahr der Hinrichtung, es wird auch das Jahr 1831 genannt, so von Pastor Schramm Schulenburg und Gustav Gewecke in Bredenbecker Chronik 1970??
Alle anderen Quelle nennen das Jahr 1830.
Scharfrichter Voß
Die Menschenmenge drängte am Tag der Hinrichtung an die Absperrung, Gendarmen des ganzen Amtsbezirks sicherten den weiten freien Platz. Dann trat nach altüberlieferter Vorschrift das hochnotpeinliche Halsgericht auf dem Schaugerüst noch kurz zusammen, das Urteil wurde nochmals öffentlich verkündet und der Stab gebrochen. Der Verurteilte Christoph Bürgen wurde dann auf den Lattenstuhl gesetzt, befestigt und ihm eine Binde über die Augen gebunden. Der Scharfrichter Voß vollzog mit dem Schwert die erkannte Todesstrafe.
Der wichtigste Mann des 05.08.1830 war der Scharfrichter Johann Voß Hannover/Celle mit seinen Helfern. Voß besaß die Konzession für ein recht widriges, aber auch (damals) notwendiges Gewerbe.
Er war ein sogenannter reisender Scharfrichter im damaligen Königreich Hannover und vollstreckte die Todesurteile bis 1844 (danach wurde er abgelöst von Christian Schwarz – dem letzten Scharfrichter im Königreich, der die Urteile noch durch ein Schwert vollstreckte).
Richtstätte nahe der Thiedenwiese Amt Calenberg
Das Gelände der Richtstätte musste für diesen Zweck gepachtet werden. Ein Zimmermeister aus Pattensen bekam den Auftrag, das Gerüst zur Abhaltung des „Peinlichen Halsgerichts“ aus solidem Balkenwerk aufzustellen und aus Latten den „Armensünderstuhls“ mit niedriger Lehne und Armstützen zu fertigen.
Pastor Schramm aus Schulenburg und Pastor Weidner aus Wülfingen haben Bürgen vielfach im Gefängnis besucht und ihn auf seinen Tod vorbereitet. Beide begleiteten Bürgen zur Richtstätte auf der Thiedenwiese.
Voß und seine Helfer waren rechtzeitig zur Vollstreckung auf der Richtstätte bei der Thiedenwiese zur Stelle, um die Vorbereitungen und Sicherungsmaßnahmen zu prüfen. Auf diese legte die Regierung und der Amtmann von Calenberg größten Wert, man hatte damals durch einen Obermedizinalrat in Göttingen genaue Anweisungen für den sogenannten Nachrichter ausarbeiten lassen.
Hinrichtung als öffentliches Spektakel
Die Hinrichtung war ein öffentliches Spektakel auf freiem Feld mit (angeblich) bis zu 15 00 Schaulustigen. Es war eine öffentliche Inszenierung für das Publikum, es diente aber auch zur Abschreckung ähnlicher taten. Alle Beteiligten hatten festgelegte Rollen. Schulklassen sangen Lieder, der reuige Sünder musste sein Geständnis wiederholen, die Pastoren standen für die Rettung der Verbrecherseelen mit auf dem Schafott.
(erst ab 1859 wurden im Königreich Hannover Hinrichtungen nicht mehr öffentlich vollstreckt, das Schwert wurde durch eine Fallschwertmaschine ersetzt (Guillotine))
Die letzten Hinrichtungen auf der Gerichtsstätte Thiedenwiese
Anmerkung: Die Hinrichtung von Christoph Bürgen soll die vorletzte öffentliche Hinrichtung auf der Gerichtsstätte bei Thiedenwiese gewesen sein.
…..zu Ihrer Frage (an Dr. Gerd van den Heuvel) hinsichtlich der Hinrichtungsstätte Thiedenwiese im 19. Jahrhundert haben sich durch einen Zuhörer unserer Vortragsreihe zur
Kriminalität noch einige weitere Informationen ergebe. Herr Rolf Hesse aus
Ronnenberg hat uns auf (mündliche) Überlieferung aus seiner Familie
hingewiesen, aus der hervorgeht, dass noch 1842 eine Hinrichtung auf der
Thiedenwiese bei Pattensen stattfand (Mord am Hofjäger Wilhelm Busse). Mörder war ein „Wilddieb“ Borges aus Lohnde = Hinrichtung bei der Thiedenwiese.
Falls Sie an weiteren Informationen durch Herrn Hesse interessiert sind, könnten Sie evtl.
mit ihm in Kontakt treten. Eine e-mail-Adresse habe ich nicht, nur seine Tel.-
Nr. 0511-464933.
Auskunft von: Dr. Gerd van den Heuvel Am Wallteich 6 30952 Ronnenberg 2019
Strafe für Frau Knölke
Da Frau Knölke an der Tat nicht aktiv beteiligt war, wurde sie zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nachdem sie 1848 18 Jahre und 9 Monate verbüßt hat, wird ihr die Reststrafe erlassen. Über ihren weiteren Verbleib ist nichts weiter bekannt.
Kostenzusammenstellung Fall Bürgen
Am 19.08.1830 meldete das Amt Calenberg der Landdrostei, „dass die dem Mörder Heinrich Bürgen aus Wennigsen zuerkannte Todesstrafe am 05.08.1830 nach vorher gehaltenem hochnotpeinlichem Halsgerichte auf der Richtstelle unfern Thiedenwiese mittels Enthauptung an demselben vollzogen ist.“
Die dadurch veranlassten Kosten seien durch die Rentenkasse bezahlt worden, das Schaugerüst, das 30 Taler gekostet habe, hätte man nur um 7 Taler wiederverkaufen können. Doch die Kostenaufstellung von Nachrichter Voß erschiene zu hoch, die möge man in Hannover nachprüfen. In Voßens Rechnung findet sich folgendes: für die Enthauptung 12 Taler 20 Groschen und 5 Pfennig, für die Abnutzung des Schwertes 2 Taler, für einen Wagen auf zwei Tage 8 Taler, Trinkgeld für Knecht 16 Groschen für den Richtstuhl incl. Riemen 2 Taler 8 Groschen usw… Voß quittierte dann über 36 Taler 4 Groschen und 5 Pfennig.
Vermutlich sollte die Rentenkasse vom Amt Wennigsen mit den Kosten belastet werden??
(nachzulesen in Archiv Akte Pattensen 80 Hann I A Nr: 308 und 309)
Erstattet wurden schließlich die Kosten durch die Landdrostei Hannover (Staatskasse).
Mündliche Überlieferung Hermann Knölke 2017
Anmerkung: Uhrmachermeister Hermann Knölke Wennigsen Argestorfer Straße 4 geb. 06.08.1924 gest. 06.01.2020 war ein direkter Nachkomme vom Böttchermeister Christian Knölke (ermordet 1829). Der Fall Knölke wurde u.a. mir mündlich von Hermann Knölke übermittelt. Er berichtete, dass in 1829/1830 die Kinder der Familie Knölke von den Großeltern und anderen Verwandten in Wennigsen aufgenommen wurden.
Quellen zu den Ausführungen:
Friedrich Wüllner Aus Wennigsens Vergangenheit 1973 Seite 132
Gustav Gewecke Die Bredenbecker Chronik 1969/1970 Seiten 151 ff
Dr. Gerd van den Heuvel und Anne-Katrin Henkel in der Vorlesung Hannovers Kriminalgeschichte
Vortragsreihe der Leibnitz-Bibliothek „Verbrechen und Strafe im Königreich Hannover“ März 2019
Thorsten Quindel Schulenburg / Calenberg Geschichten aus alter Zeit Teil II 01.09.2009 in myheimat
Archiv Pattensen Akte 80 Hann I A Nr: 308 und 309
Winfried Gehrke Wennigsen 04.2022