Deutschland: 25 Milliarden Euro liegen brach - was sagt uns das?
Deutschland. Eine Untersuchung der Unionsfraktionen bringt an den Tag, dass im Bundeshaushalt rund 25 Milliarden Euro nicht wie geplant ausgegeben werden konnten. Grund seien "überforderte" Planungsämter auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene.
Sachsen-Anhalt holt aus einem 1,4 Milliarden-Topf der EU (Ablauf 2020) bislang 13% der Mittel.. Dazu einige Gedanken.
Nach Jahren eines rigorosen Sparkurses des Bundes, welcher in Form eines gigantischen Investitionsstaus voll auf die Länder und von dort auf die Kommunen geschlagen hat, versucht der Bund seit geraumer Zeit umzusteuern. Ob das aus wirklicher Überzeugung oder eher miserablen Umfragewerten auch hinsichtlich der kommenden Europawahl geschuldet ist, bleibe dahingestellt. Tatsache ist: Seit 2017 fließen wieder mehr Bundesmittel für ganz bestimmte Programme in die Länder und von dort in Form von speziellen Förderprogrammen in die Kommunen. So weit so gut, müsste man meinen.
Erstickt an der eigenen Bürokratie
Was im Bundestag locker in Form von Handaufhalten der Abgeordneten rechtskräftig wird, erweist sich in der Praxis für die Kommunen und Landkreise, welche eigentlich Nutznießer sein sollten, als ein Vorschriften- und Formular-Irrgarten der besonderen Art, denn: Zusätzlich zu den Rahmenrichtlinien des Bundes oder der EU sind es die Länder, welche solche Förderprogramme weiter verkomplizieren. Regierende Koalitionen versuchen nicht selten, auch ihre politischen Schwerpunkte und Ziele in Form von Rahmenbedingungen in den Förderrichtlinien unterzubringen.
So kommt es, dass ein gut gemeintes Förderprogramm des Bundes für "finanzschwache Gemeinden" plötzlich zu einem Strukturbereinigungsprogramm im ländlichen Raum wird. Erreicht wird dies, indem beispielsweise bei Kommunalstrukturen auf "immer größer" gepocht wird, Schul- und Kita-Bauprogramme auf "Bestandsfähigkeit 15 Jahre nach Projektabschluss" bei gleichzeitiger Vorgabe von Mindestsschülerzahlen (welche jetzt schon nur knapp erreicht werden) ausgelegt sind. Damit wird in Tat und Wahrheit genau das Gegenteil von dem umgesetzt, was das gut gemeinte Förderprogramm des Bundes oder der EU eigentlich anstrebte: Stabilisierung, Stärkung des ländlichen Raumes. Stattdessen Entstrukturisierung, Ausdünnung, Fokussierung auf Leuchtturmprojekte und Zentralisierung.
Kommunen strampeln sich kaputt
Die betroffenen Kommunalverwaltungen arbeiten sich durch Berge von Bewilligungsformularen, Demografie-Checks, energetische Fachgutachten, reichen die Förderanträge ein, warten ein Jahr und länger auf deren Bewilligung durch Landesbehörden, erhalten vielfach auch nur kommentarlose Ablehnung. Kommt es zu einem positiven Entscheid, ergibt sich die neue Schwierigkeit, dass zwischen Projektverfassung-Antragsstellung und Bewilligung die aktuellen Baukosten eine Teuerung erfahren haben, welche nun ihrerseits durch ergänzenden Förderantrag oder andere Finanzquellen aufgefangen werden müssen.
Wer diese Problematik vor allem in den neuen Bundesländern etwas verfolgt, kann nur den Kopf schütteln. So viele Ausschuss-Sitzungen, so viele Anträge und Gutachten (auf eigene Kosten!) um bei Erfolg dann tatsächlich 60 oder 80% Fördermittel für eine Schulhaussanierung aus einem Topf namens "energetisches Sanierungs- und Wirtschaftsförderungsprogramm" zu erhalten. Es bleibt nur dieser Weg, denn aus Eigenmitteln kann das Vorhaben nicht gestemmt werden.Wer dann endlich an die Projektumsetzung gehen kann, riskiert, dass nach Fertigstellung "Experten" feststellen, bestimmte Förderbedingungen (trotz Bewilligung durch die Landesbehörde!) seien nicht eingehalten worden und deswegen müssten Fördergelder teilweise zurückbezahlt werden... Das alles macht doch richtig Lust auf Kommunalpolitik!
Mehr Kompetenz und bessere Finanzausstattung der Kommunen!
Wann werden Kommunen endlich mit den notwendigen Mitteln ausgestattet, damit sie sich zeitnah ihren Pflichtaufgaben stellen können, ohne jahrelang wie Almosenempfänger Klinken putzen zu müssen? Wo besteht denn heute überhaupt noch Handlungsspielraum für eine Gemeinde mit 15 000 Einwohnern? Jede Sanierung, jeder Neubau wird nicht nach Dringlichkeit, sondern nach vorhandenen oder sich abzeichnenden Förderprogrammen gelistet. Dass diese Warterei ein weiterer Kostentreiber ist, muss nicht weiter erwähnt werden.
Immer wird von Länder- Kommunalhoheit gesprochen. Was jedoch tatsächlich besteht, ist rigoroser Finanz-Zentralismus des Bundes, kontrolliert durch Bundes- , Landesrechnungshöfe und die Kommunalaufsicht. Haben denn Bund und Länder so wenig Vertrauen in die kommunalen Institutionen und Verantwortungsträger, dass man diese mit einem riesigen übergeordneten Verwaltungs- und Kontrollapparat disziplinieren muss?
Der bundespolitische Entscheid, die Geldschleusen zu öffnen, wird vorläufig keinen Einfluss auf die angespannte gesellschaftlich-politische Situation haben. Erst wenn dieses Geld tatsächlich dort ankommt, wofür es bestimmt war und zwar auch in dem Sinne, in welchem es bewilligt wurde, kann von Erfolg gesprochen werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Presseberichte zu diesem Thema:
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