Nikolaustag
Ich bin geborene Oberpfälzerin und meine Kindheit und Jungendzeit spielte sich in der nördlichen Oberpfalz nahe der tschechischen Grenze ab. Dort waren die Winter durch den Einfluss des böhmischen Windes sehr kalt. In diesem Landstrich herrschte auch eine ausgeprägte katholische Religiosität und es war für uns Kinder selbstverständlich dreimal in der Woche bei Dunkelheit und Eiseskälte um 6 Uhr früh in die Rorate zu gehen. Die Adventzeit wurde sehr ernst genommen; Süßigkeiten waren tabu, das galt auch für den Adventkalender und für jede gute Tat kam ein Strohhalm in die noch leere Krippe.
So war das kleine Nikolauspäckchen für uns Kinder eine ganz großes Ereignis. Orangen und Mandarinen waren ja auch in den 50iger Jahren keine Selbstverständlichkeit für uns Kinder.
Der hl. Nikolaus war bei uns kein Mann mit roter Zipfelmütze, sondern ihm kam eine ganz überirdische Bedeutung zu. Er kam mit Mitra, goldbesticktem Umhang und Bischofsstab. Der erstere war der unechte Nikolaus und der im Bischofsgewande war natürlich der Echte, der extra vom Himmel herabgestiegen war, um die bösen Kinderlein zu bestrafen und die guten zu belohnen. Im Priestergewand waren meist Jünglinge vom Kolpingsverein oder man konnte auch vom Pfarrer ausgetragene Messgewänder bekommen.
Für uns Kinder war es absolut Pflicht, an den echten, himmlischen Nikolaus zu glauben.
Zu uns kam der hl. Nikolaus ins Haus meiner Großmutter und alle Enkelkinder versammelten sich an dem Tag bei unserer Oma im Wohnzimmer. Mit Spannung und auch Ängsten erwarteten wir den heiligen Mann, der natürlich den Krampus dabei hatte. Letzteren mussten unsere armen Buben fürchten, die nie von seiner Rute verschont geblieben sind. Opfer war immer mein großer Bruder, der der Älteste war.
In späteren Jahren fiel mir auf, dass der hl. Nikolaus mit einer Stimme sprach, die eher eines Knaben im Stimmbruch erinnerte. Nun, ich war der Meinung, wer vom Himmel käme, hat eben so eine helle, engelhafte Stimme und wurde auch nicht misstrauisch, wenn hinterher die Tante Fanny kam und uns mit gespielter Neugierde fragte, wie es denn mit dem Nikolaus gewesen wäre.
Im zunehmenden Alter fing ich an, darüber nachzudenken, wo denn der fleischgewordene heilige Nikolaus sich eigentlich das ganze Jahr über aufhält. Schwebt er nun oben irgenwo im Himmel oder schläft er so lang irgendwo...... auf jedenfalls fragte ich meine Oma, ob sie das wüsste, wenn sie ihn ja jedes Jahr bestellt. „Ja,“ meinte meine Oma, „ der Nikolaus ist das ganz Jahr über auf meinem Speicher.....“ . Natürlich war ich über diese Antwort leicht ernüchtert, aber wir Kinder hatten ja alles gefälligst zu glauben, was die einfallsreichen Erwachsenen uns erzählten.
So kam wieder der Nikolaustag und die Feststellung meiner Oma hatte ich schon fast vergessen. Wir Kinder saßen alle im Wohnzimmer und hielten still Gewissensbeichte über unsere Untaten über das letzte Jahr. Wir waren wie immer aufgeregt und da meldete sich bei mir ein menschliches Rühren. Also musste ich aufstehen und eine Treppe höher auf das stille Örtchen. Als ich oben war, öffnete sich plötzlich die Speichertür......ich war wie von Donner gerührt........und der heilige Nikolaus kam mit Mitra und Bischofsstab aus der Tür heraus. Ich sah nur noch einen wütenden Blick hinter seinen Bart und ich weiß heute nur noch, dass ich voll Schrecken die Treppe wieder hinunterflog und mich ohne ein Wort zu sagen, unter die Kinder setzte. Alsbald klopfte es an der Tür und dann fiel mir das Herz wirklich in die Hosentasche und der Nikolaus betrat den Raum. Er sagte seltsamer Weise kein Wort über unsere Begegnung.
Wie üblich, kam nachher die Tante Fanny und fragte mit großen erstaunten Augen, wie denn der Nikolaus gewesen wäre......
Bürgerreporter:in:Regina Schimpf aus Weimar |
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