Wedemärker Mühlengeschichte – ein Blick in vergangene Zeiten
Der Nachfahre einer Müllerfamilie zieht Bilanz
In diesem Frühjahr wurde im Bissendorfer Richard-Brandt-Heimatmuseum der Gemeinde Wedemark eine erfolgreiche Ausstellung über die hiesige Mühlengeschichte gezeigt: „Mühlen der Wedemark – Wirtschaft Technik Sozialgeschichte“.
Eine überraschend unerwartete Menge an Exponaten konnte zusammengetragen werden: Kammräder, Riemenscheiben, Werkzeuge, Messinstrumente, Modelle, historische Fotos, Karten, Meisterbriefe, Urkunden usw. Und das, obwohl von den zahlreichen Wedemärker Mühlen nur noch ganz wenige Überreste vorhanden sind: eine abrissbedrohte in Abbensen, aber keine vollständige, geschweige, denn eine funktionsfähige!
Ein besonderes Exponat der o.g. Ausstellung war ein unvollständiger Probedruck „Die Mühlen der Wedemark“ des Autors Eckhard Martens aus Negenborn/Wedemark, das jetzt als vollständige Monografie vorliegt.
Wer die ältere Mühlenliteratur bezogen auf die heutige Region Hannover kennt, der kennt die Werke von Wilhelm Kleeberg über die Mühlen des Landkreises Burgdorf (1958) und seine spätere Mühlengeschichte Niedersachsens (1979) und er kennt auch das Buch des ehemaligen Journalisten Heinz Koberg „Mühlen rund um Hannover“ (1987). Diese bedeutenden Werke sind inzwischen zeitlich überholt, denn seit 2015 gibt es das Werk von Rüdiger Hagen und Wolfgang Neß „Mühlen in Niedersachsen – Region und Stadt Hannover“ und mit letzterem ein Standardwerk der Fachliteratur, das die nächsten Jahrzehnte prägen wird. Welche Funktion kann in dieser Hinsicht also noch das Werk von Eckhard Martens haben?
Ein erster Grund besteht darin, dass er einem Negenborner Geschlecht von Bauern mit zugehöriger Wassermühle entstammt und damit ein Insider ist. Sein Vater überstand als nebenberuflicher Müller in dieser Bauernmühle die erste Stillegungswelle der fünfziger Jahre, als per Gesetz die Kleinmühlen gegen eine Prämienzahlung für dreißig Jahre den Betrieb einstellen sollten. Es handelte sich damals um eine Kapazitätsbereinigung im Mühlenwesen der Bundesrepublik zu Gunsten der großen Industriemühlen. Diesem verordneten „Mühlensterben“ widerstand Martens’ Vater, der seinen Hof und die Wassermühle mit angeschlossenem Landhandel trotz großer Konkurrenz noch bis zur Stillegung 1966 betreiben konnte. Eckhard Martens erlernte selbst keinen Müllerberuf, wuchs aber in diesem Umfeld auf. Somit handelt es sich in dem Buch auch um eine familiäre Perspektive auf das Wedemärker Mühlenwesen.
Zum anderen: Wenn die Autoren Hagen und Neß in ihrem Buch ein sehr fundiertes und differenziertes Bild aller bekannten Hannoverschen Mühlen zeichnen, dann trifft das natürlich auch auf den Bereich der Wedemark zu. Aber sie spannen ein Netz, das noch viele Maschen hat und haben muss, die auszufüllen, zu vervollständigen, zu vertiefen sind.
An dieser Stelle setzt Martens an: Er verdeutlicht, dass sein persönliches Leben mit dem Mühlenwesen allgemein und den Wedemärker Mühlen insgesamt verflochten ist. Persönliche Gründe (eine schwere Erkrankung) hinderten ihn jedoch daran, selbst Forschungen in Archiven vorzunehmen, aber das Studium von Fachliteratur, die Unterstützung und Zusammenarbeit mit ehemaligen Müllern, mit historisch Interessierten, mit Amateurhistorikern und anderen halfen, das Material für dieses Buch zu Hause zusammen zu tragen. Es ist nach eigener Aussage kein Werk mit wissenschaftlichem Anspruch, das sich durch umfangreiche Literaturangaben und einen großen Anmerkungsapparat auszeichnet, aber es ist dennoch für den Mühlenfreund, den Lokalhistoriker, den historisch interessierten Wedemärker Bürger und andere eine lesenswerte Lektüre! Es ist eine persönliche Bilanz seines lebenslangen Interesses am Mühlenwesen.
Nach einem einleitenden Teil, der auch seine Konzeption darlegt, geht er zunächst auf acht Wassermühlenstandorte und anschließend auf sieben Windmühlenstandorte in der Wedemark ein. In einem letzten Teil, der „ergänzende“, sehr unterschiedliche Gesichtspunkte zum konkreten lokalen Mühlenwesen, aber auch zur allgemeinen Mühlenkunde enthält, erfahren wir etwas Allgemeines über die Entwicklungsgeschichte der Mühlen, etwas Konkretes über Müllereimaschinen usw., aber auch darüber, „Was rund um das Thema Mühlen noch interessant ist“. Dieses reicht von Informationen über den Einsatz von Dampfmaschinen und technische Entwicklungen in Mühlen im 19. und 20. Jh. über die gesellschaftlche Rolle der Müller im Mittelalter („unehrliche Berufe“) bis zu der Tatsache, dass Martens vor wenigen Jahren überraschend als „Müller“ von wandernden Müllergesellen „auf der Walz“ in traditioneller Weise um Unterkunft gegen Arbeitsleistung angesprochen wurde.
Festzuhalten ist am Ende, dass der Autor – mit vielen inhaltlichen Hinweisen und vor allem einer Fülle historischer Fotos - dem an Lokal- oder Regionalgeschichte interessierten Bürger mancherlei Informationen zur Verfügung stellt.
Hinweis:
Dieses Buch steht kurz vor der Drucklegung und wird in einer Auflage von nur einhundert Exemplaren Mitte November 2017 im Selbstverlag erscheinen. Sein Preis wird voraussichtlich 29,50 € betragen. Wer an einem Exemplar interessiert ist, kann sich per Mail an Reinhard Tegtmeier-Blanck wenden und es unter tegtmeier-blanck@posteo.de verbindlich bestellen.
Schön vorgestellt,super,Danke Reinhard für´s zeigen !