Eine Radtour zum Bissendorfer Moor
Wer gerne Fahrrad fährt, wer die Natur mag und wer in dieser mal die vollkommene Stille erleben möchte, für denjenigen gibt es nördlich von Hannover attraktive Ausflugsziele. Es sind die Moore, die dieses alles zu bieten haben.
Da gibt es nahe der Stadt das Altwarmbüchener Moor, am Steinhuder Meer das Tote Moor, in dem immer noch Torf abgebaut wird und um Resse herum das Otternhagener, das Helstorfer und das Bissendorfer Moor. Wir haben uns heute für das letztgenannte als Ziel entschieden, das als wertvollstes Hochmoor Niedersachsens gilt. Eine Radtour, die etwa 70 Kilometer lang sein wird. Natürlich kann man die Tour auch halbieren, indem man auf der Rückfahrt in Bissendorf in den Zug steigt und so nach Hannover zurück fährt.
Wir starten bei schönstem Wetter am Maschsee. Dort ist immer was los, und dort kann man sich wohlfühlen. Warum in die Ferne schweifen… Doch wir möchten natürlich auch mal was anderes sehen. Raus aus der Stadt und in schönste Natur hinein, weitab vom Trubel.
In der Eilenriede ist es schon ruhiger. Auch dieser schöne Stadtwald hat eine Menge zu bieten. Doch für eine Radtour ist er zu klein. Also geht’s nur hindurch. Durch die List mit ihren schönen alten Häusern und über die Tannenbergallee erreichen wir den Kanal. Ein Blick auf den kleinen Hafen, die vorbeifahrenden Frachtkähne und zur anderen Seite auf das Lister Bad, wo sich junge Leute tollkühn vom Zehner in die Tiefe stürzen. Dann geht’s schon weiter. Vorbei am Reiterstadion und die Peter-Strasser-Allee entlang führt der Radweg zwar quer durch Hannover, nun durch den Stadtteil Vahrenwald, doch immer durchs Grüne. Und das ist das Schöne auf der gesamten Strecke, obwohl sie mitten in Hannover beginnt: Das Häusermeer der Stadt berührt man kaum.
Vorbei am Silbersee, der auch ein beliebtes Badeziel ist, streifen wir am Rande Langenhagen und erreichen die schöne Wiesenlandschaft, die sich von der Pferderennbahn nach Isernhagen hin ausbreitet. Hat man den Reuterdamm überquert, der Langenhagen mit Isernhagen verbindet, wird es wieder gepflegter. Der Wietzepark ist erreicht. Auch das ist eine herrliche Freizeitlandschaft, die zum Spazierengehen oder zum Baden im Hufeisensee einlädt. Natürlich kann man auch im Seehaus einkehren und sich dort für die weitere Fahrt stärken. Doch das haben wir nicht nötig, denn wir sind noch keine 20 Kilometer unterwegs. Vorbei an dem noch größeren Wietzesee, in dem noch gebaggert wird, geht’s nun endgültig aus dem Grünbereich der Stadt hinaus. Dörfliche Landschaft mit Feldern, Heckenrainen, Baumalleen und Wiesengelände wird durchradelt. Im kleinen Ort Hainhaus halten wir uns nach links und folgen der ländlichen Straße durch die Siedlung Twenge und durch Krähenwinkel nach Kaltenweide. Dort bewundern wir die schöne Bockwindmühle. Sonntags kann sie zwischen 10 und 12 Uhr besichtigt werden. Das ist sicher sehr interessant, und wir nehmen es uns mal vor.
Nun über die Autobahn hinüber, die vom Flughafen kommt, was unschwer an den tief einfliegenden Passagiermaschinen erkennbar ist, dann befinden wir uns in der freien Feldlandschaft, fernab von jeder Straße und jedem hektischen Treiben der Zivilisation. Vorbei am Kiebitzkrug erreichen wir schon bald das Bissendorfer Moor.
Früher einmal war Norddeutschland von 3000 Quadratkilometern Moorfläche bedeckt. Doch der Großteil dieser nährstoffarmen und feuchten Regionen wurde im Laufe der Zeit zerstört. Die Moore wurden entwässert, kultiviert und zu Feldflächen umgewandelt, oder sie verschwanden durch Torfstich. Immerhin ein Zehntel der ursprünglichen Fläche konnte in einem halbwegs natürlichen Zustand in die heutige Zeit hinüber gerettet werden. Und diese Moorgebiete müssen erhalten werden. Dazu reicht es nicht, die Natur in Ruhe zu lassen. Der Mensch muss in diesen Landschaften helfend eingreifen. Das bedeutet zum Beispiel, dass ehemalige Entwässerungsgräben aufgestaut werden, oder dass Kiefern und Birken, die sich ausgesamt haben, entfernt werden müssen. Ansonsten würden zumindest Teilbereiche dieser Flächen verbuschen und zuwuchern, so dass die Moore irgendwann verlanden würden.
Schon nach kurzer Wegstrecke am Rande des Moorwaldes entlang, erreichen wir einen kurzen Stichweg. Von einem Geländer aus wird der Blick frei auf das, was man sich unter einem Moor vorstellt. Sumpfiges Gelände mit Wollgras an den Rändern, das im Juni in voller Blüte steht. Ein fantastischer Anblick.
Etwa dreihundert Meter weiter, dem Waldrand folgend, führt ein äußerst schmaler Pfad mitten ins Moor hinein. An einem Schild steht zwar Wanderweg, doch wem das Holprige nicht stört, kann diesen auch mit dem Rad befahren. Ab und zu muss man vielleicht mal absteigen.
Zur Rechten verläuft genau parallel zum Pfad ein ehemaliger Entwässerungsgraben. Schnurgerade zieht er sich durch den Wald. Dieser besteht aus Birken und Erlen, ein typischer Bruchwald. Besonders die hellleuchtenden Birkenstämme mit dem Pfeifengras darunter bieten einen schönen Anblick. Dazu eine Stille in der Natur, dass man sich darüber wundert. Ab und zu Vogelgezwitscher, sonst gibt es keine Geräusche. Wenn überhaupt, trifft man in dieser Landschaft nur äußerst selten auf Menschen. Und das ist auch gut so, denn wir wollten schließlich mal der Zivilisation entfliehen.
Irgendwann zweigt der Weg nach rechts ab und führt über Holzbohlen an den Rand der Kernzone des Moores, die natürlich nicht betreten werden darf. Wir steigen auf einen Aussichtsturm, von dem man die weite Fläche gut überblicken kann. Und hier breitet sich das eigentliche, fast noch unberührte Moor aus, das von Bäumen vollkommen frei ist. Der saure Boden lässt im zentralen Bereich einen solchen Bewuchs nicht zu. Dafür aber gibt es auf dieser freien Fläche die typischen Moorpflanzen: Besenheide, Glockenheide und Wollgras. Es kommen aber auch noch die Rosmarinheide, die Moosbeere und auch verschiedene Sonnentauarten vor. Die Torfmoose dagegen hauptsächlich in den früheren Torfstichgebieten. Nur dort wächst das Moor noch.
Man hat einen weiten Blick über die Moorfläche. Etwa drei mal vier Kilometer misst diese Kernzone. Ein paar hundert Meter entfernt erkennt man einen schmalen blauen Streifen. Das ist der sagenumwobene Muswillensee. In ihm soll, der Sage nach, einst ein Schloss gestanden haben. Ein reicher und geldgieriger Amtmann soll darin gelebt haben. Als dieser von einem Bauern den Pachtzins ein zweites Mal verlangte, sei dass Schloss samt Amtmann im Untergrund versunken.
Später soll ein Taucher der Sache auf den Grund gegangen sein. Er sei in die Tiefe des entstandenen Sees hinabgestiegen, um nach dem Schloss zu suchen. Und er habe es, so erzählte er nach dem Wiederauftauchen, tatsächlich gefunden. In dem Schloss solle sich ein großer schwarzer Hund befunden haben, der an einer goldenen Kette angebunden war. Als der Taucher ein zweites Mal hinab stieg, um die Kette zu holen, sei er nicht wieder aufgetaucht. Nur Blut quoll aus der Tiefer empor, so berichtete man.
Doch die Tiefe des Muswillensees reicht für ein Schloss nicht annähernd aus. Sie misst nicht mehr als drei Meter. So nach und nach verlandet dieser See, der typisch ist für Moorgebiete und der auch Moorkolke genannt wird. Sogenannter Schwingrasen breitet sich von den Rändern her aus, so dass er schon die Hälfte seiner Fläche eingebüßt hat.
Während der Zeit des Vogelzuges sollen sich auf dieser von Wäldern umgebenen, geschützten Fläche unter anderem Kraniche aufhalten. Bis zu 2000 wurden gezählt. Dauerhaft aber leben hier andere Tiere. So zum Beispiel Eidechsen, der Moorfrosch, die Kreuzotter und auch die Schlingnatter. In den angrenzende Bruchwäldern und Torfstichen auch die Ringelnatter, die Sumpfrohreule und die vom Aussterben bedrohten Birkhühner. Natürlich bekommt man diese Tiere normalerweise nicht zu Gesicht. Im Altwarmbüchener Moor ist mir allerdings schon einmal eine Kreuzotter durch die Beine gekrochen. Ich selber hätte es gar nicht bemerkt, wenn meine Frau, die hinter mir ging, nicht einen erstaunten Ausruf von sich gegeben hätte.
Nach einem ausgiebigen Picknick und genügender Würdigung der schönen Natur, machen wir uns dann an die Weiterfahrt. Durch Kiefernwälder, in denen Farndickichte den Bodenbewuchs bilden, umrunden wir die Kernzone des Moores. Auf der anderen Seite des Schutzgebietes erreichen wir die Straße, die von Resse nach Bissendorf führt. Ein paar Kilometer daran entlang, dann bei Wiechendorf wieder in die Natur hinein. Auch auf dieser entgegengesetzten Seite des Moores gibt es am Rande der Kernzone einen Aussichtspunkt. Pfeifengras breitet sich großflächig überall am Boden aus. Danach gelangen wir erneut durch Bruchwald und schließlich die freie Feldlandschaft wieder zum Kibitzkrug. Die Umrundung des Bissendorfer Moores ist abgeschlossen, und es geht wieder Richtung Hannover.
Wir haben viel gesehen an diesem Tag. Herrlichste Natur mit beeindruckenden Landschaften. Dazu haben wir eine Stille erlebt, die für deutsche Lande ungewöhnlich ist und das gar nicht weit entfernt vom Trubel und der Hektik der Stadt. Doch gefühlt lagen Welten dazwischen. Und demnächst besuchen wir auch mal die anderen Moore, und wieder zu Hause lesen wir natürlich noch einmal das bekannte schön-schaurige Gedicht von Annette von Droste Hülshoff „Der Knabe im Moor“.
Siehe auch: Das Tote Moor soll wieder leben
Eine Radtour vom Aegi, den einstigen Verlauf des Schiffgrabens folgend, zum Altwarmbüchener Moor
Bürgerreporter:in:Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode |
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