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Wir können alles - außer Europäisch

  • Günther Oettinger
  • Foto: Jacques Grießmayer - CreativeCommons-Lizenz
  • hochgeladen von Horst Kröger

Wir können alles - außer Europäisch
von Uli Gellermann
Günther Oettinger, dessen bezauberndes Englisch besonders bei den Einwohnern der Pidgin-Inseln regelrechte Beifallsstürme ausgelöst hat, ist eigentlich Merkels Kommissar für Energie bei der Europäischen Union. Aber da seine Chefin in der Euro-Krise jede Menge Hilfe braucht, hat er sich in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung energisch des Problems der Schuldenkrise angenommen. Schulden-Sünder-Staaten, so sagt der tapfere Schwabe, müssten Ihre Flaggen vor den EU-Gebäuden auf Halbmast setzen. So lange bis sie ihren Hauhalt ausgeglichen haben.

Wer denkt, solch originelle Gedankengänge seien neu für unseren Günther, der irrt. Schon 1989, da war er noch Vorsitzender der Jungen Union in Baden-Württemberg, hatte er eine ähnliche Eingebung: Zur Unfallvermeidung wollte er das Motorradfahren auf öffentlichen Straßen verbieten. Dieser genialische Vorschlag sei, erklärte er in einem Interview, „unter dem Eindruck des Besuchs einer Unfallklinik entstanden“. Dass der Entzug seines Führerscheins, nachdem er mit 1,4 Promille im Blut erwischt worden war, mit seiner Anti-Motorradkampagne zu tun haben könnte, hat er immer bestritten.

Der Oettinger-Plan, wie ihn die Beamten in Brüssel nennen, soll aber noch weitere pikante Details enthalten. So glauben Eingeweihte zu wissen, dass die Botschafter der Schulden-Sünder-Staaten bei der EU solange mit heruntergelassenen Hosen durch die Straßen der belgischen Hauptstadt laufen müssen, bis der Haushalt ihrer Heimatländer saniert ist. Vertreter der Staaten mit kleineren Schulden-Sünden müssen nur ihre Hosentaschen nach außen krempeln, bei Pleiteländern wie Griechenland empfiehlt der Plan dagegen angeblich den öffentlichen Hunger-Pranger.

Derart kreativer Umgang mit Finanzen ist Oettinger schon seit Jahren geläufig. Als die Erben der Großherzöge von Baden 2006 mit finanziellen Forderungen an sein Bundesland herantraten, wusste Ministerpräsident Oettinger gleich was zu tun war: Er visierte den Kauf kostbarer Handschriften und Inkunabeln im Wert von 70 Mio. Euro aus der Badischen Landesbibliothek an, woraufhin Kunsthistoriker als auch Forscher von einem „Akt der Barbarei“ sprachen.

Schon hier deutete sich jener Plan an, der sich schon in Bälde segensreich auf die Schieflage so mancher europäischer Staaten auswirken wird: Ist der spanische Staat nicht im Besitz einer ganzen Reihe von Gemälden der Künstler Velasques, El Greco oder Goya? Ab nach China mit dem Ramsch, soll Oettinger vorgeschlagen haben, dann ist Spanien saniert. Ist Griechenland nicht voller antiker Trümmer? Da kennt Oettinger schon diesen oder jenen russischen Oligarchen, der sein Schwimmbad gern umdekorieren würde.

Fraglos ist Oettinger unter Frau Merkels ausgesucht qualifiziertem Personal der Ausgesuchteste. Konnte er doch früher schon mit bloßem Auge feststellen, dass der Nazi-Richter und spätere Ministerpräsident Hans Filbinger „kein Nationalsozialist“, sondern ganz im Gegenteil „ein Gegner des NS-Regimes" gewesen sei.

Nur sein jüngster Vorschlag, „des was da so rumhängd“ in den Museen in Rom, Florenz oder Venedig, „von dene Dawintschies und de andere Kleggser“, zugunsten des Staatshaushaltes an die Mafia zu verkaufen, wird sich leider, leider nicht realisieren lassen: Den Mafiosi ist das nämlich alles schon vor langer Zeit von Berlusconi verpfändet worden.

(aus: »Blätter« 10/2011, Seite 120-120)
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