Antworten auf kritische Fragen/Vorwürfe zum rot-grünen Atomausstieg
Antworten auf kritische Fragen/Vorwürfe
zum rot-grünen Atomausstieg
1. „Warum hat Rot-Grün nicht alle AKW abgeschaltet, als sie noch konnten, wenn die so gefährlich sind und sie das immer schon wussten?“
Antwort:
Unsere grüne Forderung war damals der Sofortausstieg. Dieser war aber politisch nicht durchsetzbar, vor allem, weil die Eigentumsrechte der AKW-Betreiber dagegen standen. Der letztlich getroffene Ausstiegsbeschluss war dann ein Kompromiss, der auch diese Eigentumsrechte berücksichtigen musste. Wir haben es dabei in harten Verhandlungen mit der Atomwirtschaft geschafft, dass die Atomrisiken nur noch eine klar begrenzte Zeit lang von der Gesellschaft zu tragen sind und dass die Menge des Atommülls begrenzt wird.
2. „Warum hat Rot-Grün bei der Sicherheit (insbesondre der älteren AKW) mit Blick auf den absehbaren Ausstieg nicht mehr so genau hingeschaut? Der Vertrag zwischen Trittin und den Betreibern war so gesehen doch auch ein „schmutziger Deal“…
Antwort:
Nein. Wir haben beim Atomausstieg die Sicherheit nicht schleifen lassen.Im Gegenteil. Im Ausstiegsvertrag von 2000 steht klipp und klar: „Während der Restlaufzeiten wird der von Recht und Gesetz geforderte hohe Sicherheitsstandard weiter gewährleistet.“ Das heißt konkret, dass Atomkraftwerke nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu betreiben sind und dass die Betreiber dazu verpflichtet sind, die „bestmögliche Vorsorge“ zu treffen. Das wurde in einem Bundesverwaltungsgerichtsurteil inzwischen auch juristisch bestätigt.
Auf dieser Grundlage ordnete Jürgen Trittin als Bundesumweltminister mehrfach die Abschaltung von Biblis (zu kleine Sumpfsiebe, falsche Dübel), von Brunsbüttel (Wasserstoffexplosion) und von Phillipsburg (ungenügendes Sicherheitsmanagement) an. In Baden-Württemberg und Hessen geschah dies häufig gegen die CDU-Umweltminister. Diese mussten per Weisung gezwungen werden. Röttgen unterschlägt, dass mit dem Ausstiegsbeschluss erstmalig gesetzlich eine regelmäßige Sicherheitsüberprüfung aller Atomkraftwerke (PSÜ) mit festen Terminen vereinbart wurde. Einen Rabatt bei der Sicherheit von Atomkraftwerken hat es unter Rot-Grün nie gegeben.
Schwarz-Gelb hat das geändert und den bislang verbindlichen bestmöglichen Schutz aufgeweicht. Im neuen § 7d wird eine so genannte „weitere Schadensvorsorge“ eingeführt, die nur noch freiwillig ist und von den Atomaufsicht nicht angeordnet werden kann. Herr Röttgen hat so rechtswidrig die Sicherheitsstandards gesenkt. Gegen dieses skandalöse Gesetz klagen wir aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht.
Jürgen Trittin hat zusätzlich im September 2003 ein umfassendes Programm zur Überarbeitung des völlig veralteten kerntechnischen Regelwerks (KTR) gestartet. Die Arbeiten wurden 2009 abgeschlossen. Die Bundesumweltminister Gabriel und Röttgen hätten das neue KTR durch eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger verbindlich machen können. Stattdessen wurde im Jahr 2009 in einer Vereinbarung mit den Ländern lediglich eine freiwillige Testphase bis Ende 2010 vereinbart. Inzwischen hat die Bundesregierung diese Probephase bis Mitte 2011 verlängert. Damit besteht bei der jetzt anstehenden Überprüfung der Altmeiler eine Sicherheitslücke im deutschen Atomrecht, die es sofort zu schließen gilt.
3. „Wieso hat Rot-Grün überhaupt einen Vertrag gemacht, wieso wurde kein unumkehrbares Gesetz gemacht?“
Antwort:
Wir haben es nicht beim Vertrag belassen, sondern den Ausstieg im Atomgesetz rechtsverbindlich festgeschrieben. Unumkehrbare Gesetze sind in einer Demokratie nicht zu machen. Das wird auch die aktuelle Bundesregierung merken, deren Laufzeitverlängerung nach der nächsten Bundestagswahl keinen Bestand mehr haben wird.
4. „Rot-Grün hat sich mit dem zehnjährigen Gorleben-Moratorium auch um die Endlagerfrage gedrückt.“
Antwort:
Wir haben uns nicht gedrückt, im Gegenteil. Mit Rot-Grün hat sich erstmals überhaupt eine Regierung verantwortungsvoll dem Endlagerproblem gestellt. Vor dem rot-grünen Moratorium dienten alle Maßnahmen im Bereich der Endlagerung als Instrument zur Rechtfertigung der Atomenergie. An diese Politik knüpfen Merkel und Röttgen heute wieder an. Sie brauchen mit Gorleben ein Symbol zur Rechtfertigung ihrer Laufzeitverlängerung.
Nicht Stillstand, sondern die Beseitigung von Merkels Altlasten aus ihrer Zeit als Umweltministerin und die Minderung des Atommülls prägte rot-grüne Regierungszeit:
• Das einstürzende Endlager in Morsleben haben wir geschlossen.
• Das in Hanau lagernde Plutonium haben wir beseitigt.
• Die Wiederaufarbeitung haben wir beendet und Transporte zu den Wiederaufarbeitungsanlagen verboten.
• Die innerdeutschen Atomtransporten haben wir durch dezentrale Zwischenlager beendet.
• Mit dem AkEnd (Arbeitskreis Endlagerung, ein mit unabhängigen Experten – Befürwortern und Gegnern der Atomkraft – besetztes Gremium) wurden erstmalig Kriterien für ein transparentes Endlagersuchverfahren mit öffentlicher Beteiligung entwickelt, was heute in der Schweiz nicht aber in Deutschland praktiziert wird.
• Die „Sicherheitstechnischen Einzelfragen der Endlagerung“ wurden erarbeitet
Das 2005 von Jürgen Trittin vorgelegte Standortsuchgesetz wurde entgegen ihrer Koalitionsvereinbarung von der großen Koalition nicht weiterverfolgt. Wer war hier untätig und blockierte? Heute hat Norbert Röttgen alle Werkzeuge für eine zeitgemäße, zielführende und gerichtsfeste Endlagersuche zur Hand.
5. Was passiert denn, wenn wir die deutschen AKW abschalten – dann importieren wir doch Atomstrom aus Frankreich und Tschechien, oder?
Obwohl die Atomstrommenge in Deutschland seit Jahren tendenziell zurückgeht, erzielen wir enorme Überschüsse an Strom, die ins Ausland exportiert werden. Der Export-Saldo lag im letzten Jahr bei 14 Mrd. Kilowattstunden. Gleichzeitig werden große neue Stromerzeugungskapazitäten errichtet, vor allem erneuerbare.
Aktuell verfügen wir in Deutschland über eine Kraftwerksleistung von 135.000 MW, davon gut 20.000 MW Atomkraftwerke. Der maximale Bedarf liegt bei etwa 77.000 MW. Es gibt also heute schon einen Überschuss an Kraftwerksleistung, der künftig noch wachsen wird. In einer Leitstudie für das Bundesumweltministerium wurde kürzlich errechnet, dass wir schon bis 2020 40 % des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen können. Das wäre gegenüber heute mehr als eine Verdopplung.
Atomkraft ist also für die Sicherstellung der Stromversorgung auch aus energiewirtschaftlicher Sicht kaum mehr erforderlich. Aus energiepolitischer Sicht können wir also den Atomausstieg selbst gegenüber den rot-grünen Beschlüssen deutlich beschleunigen. Weder werden wir im großen Maßstab Strom importieren noch droht uns eine Stromlücke, wenn die Atomkraftwerke vom Netz gehen.
6. Wie teuer würde der Ausstieg für die Stromkunden? Ist das überhaupt noch bezahlbar?
In den vergangenen 5 Jahren sind die Stromkosten für Privathaushalte um rund 25 % angestiegen, trotz Atomkraft. AKWs machen Strom nicht billiger, sondern erhöhen nur die Gewinnmargen der Atomkonzerne. Wir müssen in erneuerbare Energien, das Energiesparen und die Erneuerung der Stromnetze investieren. Das kostet zwar zu Beginn Geld, macht sich aber rasch bezahlt. Aktuell zahlt jeder Haushalt für den Ausbau erneuerbarer Energien 3,5 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde Strom. Auch bei einer Beschleunigung des Ausbaus ist davon auszugehen, dass dieser Wert auf etwa 4 Cent begrenzt werden kann. Das liegt daran, dass Erneuerbare immer billiger werden.
Heute schon haben erneuerbare Energien eine Strompreis senkende Wirkung. Denn je mehr Ökostrom an der Börse gehandelt wird, desto stärker sinkt der Beschaffungspreis für die Energieversorger. Dieser Effekt wird sich mit mehr Ökostrom verstärken und die Strompreisentwicklung dämpfen.
7. „Auch wenn es beim rot-grünen Atomausstieg geblieben wäre, gäbe es keinen Unterschied zum jetzigen Vorgehen von Schwarz-Gelb.“
Antwort:
Das ist falsch. Rot-grün hat die AKWs in Stade und Obrigheim stillgelegt. Die wären ansonsten noch am Netz. Nach unserem Ausstieg wäre auch Neckarwestheim 1 bereits stillgelegt. Und noch im laufenden Jahr würden trotz der Verzögerungstaktik der Atomwirtschaft Biblis A und Isar 1 folgen. In 2012 würden dann Biblis B und Philippsburg 1 endgültig vom Netz gehen.
Außerdem hätten wir längst das verschärfte Kerntechnische Regelwerk verbindlich gemacht und alle AKWs einer strengen Sicherheitsprüfung unterzogen. Minister Röttgen hat dies bislang abgelehnt.
Bürgerreporter:in:Horst Kröger aus Walsrode |
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