Musik auf gelungene Art begreifbar gemacht
Barocksolisten aus Braunschweig eröffnen die Kreuzgangkonzerte
Auf der organisatorischen Ebene war es eine Zeitenwende, musikalisch blieb es beim Gewohnten. Mit dem Programm "Vier Jahreszeiten" eröffneten die Barocksolisten am Samstag, 9. Mai, die 32. Kreuzgangkonzerte im Kloster Walkenried. Das Ensemble aus Braunschweig schaffte so den Ausgleich zwischen alter Praxis und neuen Verständnis.
Vivaldis "Die vier Jahreszeiten" zu spielen, das ist ein erhebliches Wagnis. Schließlich hat jeder seinen eigenen Soundtrack zum Dauerbrenner barocker Werbebegleitung im Kopf und fast jeder hat dementsprechend eine Vorstellung davon, wie dieses Musterexemplar an Streicherliteratur zu spielen ist. Aber das kann man weder Vivaldi noch den Barocksolisten ankreiden. Die Interpretation der Norddeutschen Barocksolisten und von Josef Ziga stellten das ausverkaufte Haus mehr als zufrieden. Am Ende des Abends forderte das Publikum mit langanhaltenden Applaus drei Zugaben ein.
Doch den Anfang machte die Suite in D-Dur von Georg Friedrich Händel. Martin Weller an der solo-Trompete zeigte mit seinem akzentuierten Spiel mit Wechsel mit den Streichern seine ganze Klasse und Erfahrung. Gerade das italienische Cembalo sorgte mit seinem vollen Klangvolumen für eine wohlklingende Basis. Leider kam der Bass continuo an diesem Abend unter der Opulenz der Streicher nur selten zu Geltung.
Ziga und die Barocksolisten spielten Vivaldis vier Konzerte aus dem Zyklus "Le quattro stagioni" an diesem Abend zweigeteilt, den Frühling und Sommer vor der Pause, Herbst und Winter nach der Pause. Das gab dem Publikum die Möglichkeit, dieses Paket zu verarbeiten und in der Reflexion die Struktur des Werkes zu begreifen. Vivaldis Opus ist nicht nur der Urahn der Programmmusik, sondern auch ein Musterbeispiel barocker Struktur.
Erst die kleine Besetzung macht den Aufbau, das Zyklische der vier Jahreszeiten, transparent. Wo großes Orchester manchen Kleinod überspielen, erhalten Ziga und das Ensemble die filigrane Tonkunst des Venzianers. Schon im Allegro des ersten Concerto kommt die bildhafte Sprache des Komponisten im Wechsel von Solo und Tutti zur vollen Geltung. Vogelgleich erheben sich die Töne und hüpfen durch das Auditorium und trotzdem bleibt die Dynamik im Ritornell erhalten. Ja, das ist Frühling.
Mit weichen, runden Klangbildern symbolisiert das Orchester die träge Hitze des Sommers bis sich das Gewitter in einem furiosen Solo von Josef Ziga entlädt. Im Wechselspiel des Presto erweisen sich Solist und Ensemble als ebenbürtige Partner und auch das Cembalo kommt im Dialog zur Geltung.
Gleiches gilt für die drei Bläserkonzerte, die an diesem Abend noch auf dem Programm stehen. Im Konzert in D-Dur von Guiseppe Torelli arbeiten Martin Weller und das Ensemble die Theatralik im Wechsel von Solo und Tutti überzeugend heraus. Auch hier feiert die Transparenz barocker Musikstrukturen ein Hochfest. Gleiches gilt auch für die vorklassische Melodieführung in Telemanns Konzert in D-Dur für Corno da Caccia, Streicher und Basso Continuo.
Trotz der überschaubaren Besetzung können die Norddeutschen Barocksolisten mit einer Klangfülle überzeugen, die selbst größeren Ensembles nicht immer gelingt. Für diese Erfahrung und die Begreifbarkeit barocker Musik bedankt sich das Publikum am Ende mit langanhaltenden Applaus. Damit ist Thomas Krause und seinem Team der Einstieg in die neue Zeitrechnung der Kreuzgangkonzert mehr als gelungen.