Pastorin Heidrun Kück-Witzig: "Im Ausland steht jeder anders auf dem Prüfstand als hier!"

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Heidrun Kück-Witzig ist seit 2009 Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Uetze-Katensen. Zuvor hat sie mit ihrer Familie neun Jahre in Toulouse im Südwesten Frankreichs gelebt und dort für eine Gemeinde der Église Réformée, die zur Reformierten Kirche in Toulouse gehört, gearbeitet. Im E-Mail-Interview berichtet sie, wie es dazu kam, wie sie und ihre Familie dort aufgenommen wurden und warum sich ein Gottesdienstbesuch lohnt.

Frau Kück-Witzig, Sie sind seit 2009 Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Uetze-Katensen. Wie sind Sie in Uetze aufgenommen worden?

Ich bin sehr herzlich und wohlwollend aufgenommen worden. Der Einführungsgottesdienst war ein wunderbares Fest und die Begrüßungsreden machten mir das Gefühl, wirklich willkommen zu sein.

Zuvor haben Sie neun Jahre für eine Gemeinde der Église Réformée de Toulouse, die zur Reformierten Kirche in Toulouse gehört, im Südwesten Frankreichs gearbeitet. Wie kam es dazu?

Mein Mann und ich hatten schon oft die Idee: „Man könnte doch mal etwas ganz anderes machen, mal ganz woanders leben für eine Weile, neue Erfahrungen machen und sehen, wie sich das anfühlt.“ Und wie das so ist: Der Alltag lässt einen wieder darüber hinwegkommen. Und dann war da in der Zeitung die Anzeige der Toulouser Deutschen Gemeinde, die eine(n) neue(n) PastorIn suchten. Man muss nicht nur wollen, man muss auch tun - und so habe ich getan und mich beworben. Davon ist man ja noch nicht gewählt und wer weiss, ob die mich überhaupt wollen. Das waren die Gedanken. Aber als ich dann gewählt war, war mein erster Gedanke: „Ach du liebe Zeit, was habe ich getan...“ Ich habe 13 Jahre in Wolfsburg gearbeitet und gelebt. Ich war sehr glücklich dort und es war mir klar, was ich aufgebe, was ich zurücklassen muss an Beziehungen, die mir wichtig geworden sind im Laufe der Zeit, an Vertrautem. Und was Frankreich und die neue Arbeit, die neuen Beziehungen bringen würden, war überhaupt nicht klar; eher ein Aufbruch in ein Abenteuer. Der Abschied hat einiges an Tränen gekostet, aber wir hatten tatsächlich genug Abenteuerlust, um uns da hineinzustürzen. Und rückblickend betrachtet haben wir uns nicht nur arrangiert, sondern sehr gerne dort gelebt und gearbeitet. Sonst wären wir nicht neun Jahre geblieben.

Wie ist es, wenn man für eine so lange Zeit im europäischen Ausland lebt? Was haben Sie an und in Deutschland vermisst?

Man bekommt auf jeden Fall in der Distanz einen anderen Blick für das eigene Land, für die Probleme und auch für alles, was sich dort tut, was diskutiert wird, weil die eigene Lebenswirklichkeit in dem Moment ja Frankreich ist mit allem, was dort die Menschen bewegt. Und es wird sehr nah spürbar, dass jede(r) Einzelne mit allem, was er/sie mitbringt, BotschafterIn Deutschlands ist und das Bild „der Deutschen“ im Ausland mit beeinflusst – so oder so. Es ist nicht egal, was einer redet oder tut - es steht anders auf dem Prüfstand als hier.
Und was ganz wichtig ist: für eine Zeit selber Ausländerin zu sein – nicht aus der Urlaubsperspektive, sondern als Lebensrealität - hat große Auswirkungen auf den Umgang mit Ausländern hier, weil man die Problematik der Integration, der Sprache und Kultur am eigenen Leib erlebt hat und dadurch eine andere Sichtweise auf ihre Situation bekommt.
Was ich an und in Deutschland immer noch vermisse, ist das Licht und die Wärme (dafür kann Deutschland nichts, so weit im Norden), die Gelassenheit, dass es Dinge gibt, die einen nichts angehen. Die Toulouser haben ein wunderbares Sprichwort: c'est pas mes oignons – das sind nicht meine Zwiebeln. Das finde ich, seit ich in Uetze bin noch hübscher … und das Lebensgefühl, dass es mehr im Leben gibt als Pflicht und Ordnung.

Wie war das Leben in Frankreich für Sie und Ihre Familie? Haben Sie sich schnell eingelebt?

Es hat schon eine Weile gedauert, bis wir uns soweit mit allem Neuen vertraut gemacht hatten, dass wir dort zu Hause waren. Das Leben dort hat uns alle sehr bereichert und uns neue oder andere Einsichten vermittelt. Die Frage nach dem Eigenen und dem Fremden stellt sich anders, weil das Fremde zum Eigenen wird, und weil das Eigene das Fremde beeinflusst. Das waren sehr schöne und wichtige Erfahrungen – nicht unbedingt einfach zu haben, von denen ich aber glaube, dass sie auch innerhalb eines Landes, Ortes oder einer Gemeinde fruchtbar gemacht werden können und ebenso bereichernd wirken können.

Und wie war die Gemeindearbeit für Sie? Die Protestanten gehören in Frankreich ja zu einer Minderheit.

Ja, und die deutschen Protestanten sind noch eine Minderminderheit. Das ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, denn in Norddeutschland ist ja eigentlich bekannt, was Protestanten sind – sie haben ihren Platz im Ort und in der Gesellschaft. In Frankreich denkt man, das sei eine gefährliche Sekte. Darüber könnte ich lustige Geschichten erzählen. Aber wenn man in der Situation ist, steht man ein wenig ratlos davor – jedenfalls als deutsche Protestantin. Die französischen Protestanten wissen damit zu leben und lächeln freundlich über meine Einstellung dazu, denn sie haben Jahrhunderte Erfahrung als Randfiguren, Missachtete und Ausgeschlossene.
Ansonsten war die Gemeindearbeit nicht anders als hier auch: die Menschen mit ihren Bedürfnissen, Sorgen und Ängsten wahrnehmen, sie ermutigen, trösten und stärken, damit sie alles, was auf sie zukommt, bewältigen können und die Lebensfreude, die Begeisterung und die Menschenfreundlichkeit Jesu Christi unter uns zu leben.

Seit Kurzem sind Sie Kreisjugendpastorin im Kirchenkreis Burgdorf. Was haben Sie sich für diese Aufgabe auf die Fahnen geschrieben?

Mit Pastorin Anna Walpuski aus Arpke teile ich diese Beauftragung. Wir wollen Ansprechpartnerinnen für die Jugendlichen sein und ihre Belange dort einbringen, wo es nötig ist und wo sie nicht vertreten sein können. Es ist wichtig für die Gemeinden und die gesamte Kirche, dass die Bedüfnisse der Jugend wahrgenommen werden und ihnen Rechnung getragen wird, damit sie lebendige Gemeinden bleiben: einladend und offen für alle, die auf der Suche sind und den Menschen tatsächlich etwas mit zu geben haben.

Wenn jemand überlegt, nach langer Zeit mal wieder einen Gottesdienst zu besuchen, was würden Sie ihm antworten: Warum lohnt sich ein Gottesdienstbesuch in Uetze?

Es gibt ein breites Angebot an Gottesdiensten in Uetze mit ganz unterschiedlicher Gestaltung im Musikalischen wie im Predigtbereich oder in den Abläufen. Es gibt Einladungen für Jugendliche (zwischen 12 und 120), für Grosse und Kleine, für Frauen (und Männer natürlich, denen Frauenthemen nicht gleichgültig sind – es kommt ja vor, dass es auch ihre Themen sind), für Klassiker und Moderne – es braucht sicher mehr als einen einzigen Gottesdienstbesuch, um wieder Zugang zu finden oder sogar einen neuen Zugang zu finden, um herauszufinden, wo es mich anspricht und wie ich es mit meinem täglichen Leben verbinden kann, und was es mir dafür bereithält. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, da auf Entdeckungsreise zu gehen. Es ist immer spannend, was dabei herauskommt.

Mal abgesehen von Ihrem Beruf: Was macht Uetze lebenswert?

Uetze ist ein übersichtlicher Ort mit viel Gewachsenem, das sich den sich verändernden Bedingungen unseres Lebens nicht verschließt. Es sind kurze Wege zur Schule, zum Rathaus, zum Einkaufen und zu den Menschen. Das gefällt mir gut. Es gibt viel Initiative, Freizeit- und Kulturangebote in Uetze selbst zu organisieren oder anzusiedeln - eben für die kurzen Wege und nicht nur, um ein gutes Wohnklima zu schaffen, sondern auch für gute Lebensqualität zu sorgen. Hannover, Celle und Braunschweig als Städte sind nicht weit, das ist attraktiv für alles, was hier (noch) nicht möglich ist.

Und was sollte in Uetze besser werden?

Es ist immer schlecht für die innerörtlichen Beziehungen, wenn die Partner Dinge aus der Presse erfahren und nicht das direkte Gespräch gesucht wird. Ich ziehe das vor, um dann die Presse zu informieren. Grämen Sie sich bitte nicht – Sie werden die erste sein, die davon Kenntnis erhält ;-)))

Seit mehr als zwei Jahren schreiben Bürgerreporter aus Uetze auf myheimat, dem Mitmachportal des Anzeigers. Was halten Sie davon? Können Sie sich vorstellen dort auch von Ihren Projekten zu berichten oder Gemeindetermine anzukündigen?

Ich finde, das ist eine gute Geschichte. Was mich angeht: ich bin noch gar nicht darauf gekommen, uns zu beteiligen. Danke für diese Anregung!

myheimat-Team:

Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister

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