Vorschlag für kostenlosen ÖPNV ist unüberlegter Schnellschuss der Bundesregierung
Moseler (ÖDP): „Verdoppelung des ÖPNV-Angebots und Halbierung der Preise ist erster Schritt“
Laut Medienberichten denkt die kommissarische Bundesregierung darüber nach, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kostenlos anzubieten. Diese Idee geht aus einem gestern veröffentlichten Schreiben der Bundesregierung an die EU-Kommission hervor und soll in fünf Modellstädten getestet werden.
„Mit dieser Maßnahme versucht die Bundesregierung verzweifelt Handlungsfähigkeit zu beweisen, da ansonsten eine Klage wegen der fortwährenden Verstöße gegen die Luftreinhaltepläne der EU-Kommission droht. An sich klingt der Vorschlag verlockend“, betont Dr. Claudius Moseler, Generalsekretär der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). „Doch wer die immensen Kosten dafür tragen soll und ob diese Maßnahme wirklich zu sauberer Luft in den Städten beitragen kann, ist aktuell völlig unklar. Am Ende dürfen die Kommunen und regionalen Verkehrsbetriebe nicht alleine gelassen werden“, so Moseler.
Schon lange experimentieren kleinere und mittlere Städte in Europa mit einem kostenlosen ÖPNV-Angebot. Auch die ÖDP unterstützt eine Stärkung des ÖPNV-Angebots in ihrem Programm: „Erforderlich ist mindestens eine Verdoppelung des ÖPNV-Angebotes und eine Halbierung der Preise“, so Moseler und unterstützt damit Forderungen des Verkehrsclub Deutschland. „Weg mit Subventionen beim Individualverkehr und mehr Linien und eine höhere Taktung. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist der gesamte Themenkomplex, auch was den Rad- und Fußverkehr betrifft, unterbelichtet“, unterstreicht der ÖDP-Politiker.
Auch mangele es in vielen Ballungsräumen an weitreichenden Investitionen in den ÖPNV. Teilweise werden, wie in München oder Stuttgart, völlig absurde Ausbaupläne vorangetrieben und das am tatsächlichen Bedarf vorbei. Auch sind in manchen Städten mehrere hundert Euro für ein Monatsticket im ÖPNV aufzubringen. „Ein Pauschalpreis von einem Euro pro Tag, wie beispielsweise die Jahreskarte in Wien, wäre schon ein großer Fortschritt für die Bürgerinnen und Bürger. Auch Schulkinder in Hessen zahlen nur einen Euro pro Tag“, so Moseler. Denkbar sind demnach viele Modelle, z.B. eine kommunale Nahverkehrsabgabe oder Bürgertickets. „Egal wie politisch entschieden wird: am Ende muss den Bürgerinnen und Bürgern ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis im ÖPNV angeboten werden.“
Weitere ergänzende Maßnahmen für eine echte Verkehrswende sind allerdings erforderlich. Die ÖDP fordert in ihrem bundespolitischen Programm eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf ÖPNV-Tickets und einen Rechtsanspruch auf eine angemessene ÖPNV-Anbindung, einen intensiven Ausbau der ÖPNV-Angebote, eine Abschaffung der Steuervergünstigung beim Diesel, eine Besteuerung von Flugbenzin, einen deutlichen Ausbau des Schienennetzes im Bahnverkehr, Tempolimits auf allen Straßen und effektive Kontrollen von Verstößen.
Dr. Moseler betont abschließend, dass die Regierung allgemein im Politikfeld Mobilität und Verkehr völlig planlos agiere. Die Regierung bediene seit langem vorwiegend die Interessen der Autoindustrie und versuche nun mit diesem Schnellschuss, Fahrverbote zu verhindern. Moseler: „Eine sinnvolle Mobilitätspolitik im Sinne einer grundsätzlichen Wende stelle ich mir da ganz anders vor!“
Dr. Claudius Moseler, Generalsekretär der ÖDP.
Foto: ÖDP Bundespressestelle.
Wenn es dann so käme, dann gingen in der Tat Arbeitsplätze verloren.
Ich selbst würde eine Fahrpreisregelung befürworten, bei der sich die Frage Auto oder öffentliches Verkehrsmittel bei einigermaßen vernünftiger Betrachtung nicht mehr stellt.
Dies verbunden mit Preisnachlass für Gruppen mit niedrigem Einkommen.
Als Landei kenne ich nicht die Verhältnisse in Deutschland … in London kann man den Bahnsteig nur über Schranken mit Ticket erreichen. Das macht die Kontrolleure weitgehend überflüssig.
Wenn man aber den Arbeitsmarkt der nicht allzu fernen Zukunft betrachtet, wird der Anteil der auf Gelderwerb gerichteten Bevölkerung schwinden, andere Lebensmodelle werden notwendig sein. Dies gilt selbst dann, wenn weiterhin dem Konsumismus verfallene Regierungen an der Macht bleiben … vielleicht gerade dann.