Presseerklärung zur Euro-Debatte
Erklärung zur Abstimmung zu TOP 3a, Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus
Jede Krise markiert einen Wendepunkt. Insofern kann man auch der Euro-Schulden-Krise etwas Positives abgewinnen: Ein Weiter-So kann es politisch nicht geben. Der vermeintlich einfache Weg, Politik zu machen, indem man Schulden anhäuft und Probleme fremdfinanziert und zinslastig vor sich her schiebt, endet in einer Sackgasse.
Ich bin stolz darauf, dass die CSU das längst erkannt und Bayern als erstes Bundesland Haushalte ohne Neuverschuldung aufgestellt hat.
Ich bin stolz darauf, dass wir im Grundgesetz eine Schuldenbremse verankert haben. Das war richtungsweisend – nicht nur für den Bund, sondern für Europa .
Seither sind die Finanzkrisen allerdings dazu angetan, uns von dem Weg abzubringen. Auch die „impliziten“ Schulden, beispielsweise die Pensionslasten, machen mir Sorgen.
Der heutige Beschluss mag im engsten Sinne parlamentarischer Gepflogenheiten keine Gewissensentscheidung sein. Es ist aber eine Entscheidung, die mich schwer belastet – angesichts der finanziellen Dimensionen und der vielen ungeklärten Fragen. Die wiederum wurden von der Wissenschaft nur vieldeutig und widersprüchlich beantwortet. Das Orakel von Delphi wäre hier hilfreicher gewesen.
Medien und Opposition haben ihren zweifelhaften Beitrag dazu geleistet, die kritische Sachfrage zu einer Machtfrage hochzustilisieren. Die Frage, ob die Koalition eine eigene Mehrheit hat, ist eben minderkomplex als die vielfältigen Sachfragen, die mit der europäischen Schuldenkrise verbunden sind.
Die Verunsicherung der Bürger durch eine mitunter unverantwortliche Berichterstattung mancher Medien ist Ausdruck dafür, dass die sogenannte „Vierte Gewalt“ sich ihrer Verantwortung für die Demokratie in unserem Staat oft nicht bewusst ist, und das nicht einmal mit Blick auf das Eigeninteresse der Pressefreiheit.
Diese konstruierte Machtfrage muss man heute klar beantworten. Die rot-grün-dunkelrote Opposition bietet eine Alternative, die ich für katastrophal halte: Die Vergemeinschaftung aller europäischen Schulden über Eurobonds, die Schuldnerstaaten geradezu animiert, zulasten unserer Bonität und mit entsprechend niedrigen Zinsen weiter Schulden zu machen. Das ist, als wolle man einen Alkoholiker mit Freibier zur Abstinenz bringen.
Der EFSF wird heute eine breite Mehrheit bekommen. Eine Gegenstimme ändert daran nicht nur nichts, sie würde dagegen den Eindruck erwecken, dass wir in einer so schwierigen Situation keinen Fonds bräuchten, um eine neuerliche Finanzkrise zu verhindern. Eine Sanierung Griechenlands halte ich persönlich für unwahrscheinlich. Die notwendigen Einsparungen im öffentlichen Bereich und der unabdingbare Reallohnverzicht sind m.E. nicht durchsetzbar. Damit brauchen wir den EFSF als Brandmauer, um bei einer Insolvenz Griechenlands einen Flächenbrand zu vermeiden. Ich habe aber trotz dieser Einsicht während der Debatte innerhalb meiner Fraktion mit Nein gestimmt. Es gehört zu meinen politischen Erfahrungen der letzten neun Jahre, dass ohne diesen Druck gerade in der Europapolitik demokratieferne Lösungen gesucht werden. Wer das anzweifelt, der möge den Antrag zum Parlamentsbeteiligungsgesetz zum Lissabonvertrag der Union aus Oppositionszeiten mit dem vergleichen, was dann später in der Regierungsphase beschlossen wurde. Das Ergebnis ist mindestens so beschämend wie die Regelungen zur Subsidiarität im Lissabonvertrag selbst! Oder die Tatsache, dass wir mittlerweile das Bundesverfassungsgericht brauchen, um das durchzusetzen, was eigentlich Ehrensa-che für das Parlament sein müsste: parlamentarische Mitsprache. Richter zu fragen, wie weit man sich entrechten lassen darf: zeichnet das selbstbewusste, aufrechte Volksvertreter aus?
Die, die uns einreden wollen, Europa ginge nur mit Demokratieverzicht, verraten die europäische Idee. Ohne die Rückbindung europäischer Entscheidungen an nationale Parlamente und damit an das Volk, wird die geniale europäische Idee scheitern. Es ist dann schon der Gipfel der Ironie, wenn Dieselben ihre Kritiker als Europagegner diffamieren. Und es schadet der Sache, wenn sie in einer kritischen (Krisen-) Phase der EU versuchen, ihre Phantasien von den „Vereinigten Schuldenstaaten von Europa“ zu realisieren.
Die CSU hat das Europa der Regionen in der Bayerischen Verfassung verankert. Das bleibt unsere Richtschnur.
Für geradezu schändlich halte ich es, wenn bei Diskussionen um Ausgestaltung und Vorgehen in einer Krise, nicht auf Argumente eingegangen wird, sondern mit viel Pathos über Krieg und Frieden philosophiert wird. Diese Ablenkungsmanöver sind durchschaubar und Teil des Problems.
Wir waren noch immer in der Lage, ökonomische Kriterien richtig zu beschreiben: bei der Euroeinführung beispielweise das Schuldenübernahmeverbot und den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wider besseren Wissens müssen diese Ansprüche aber dann offenbar immer wieder angeblich höherrangigeren politischen Erwägungen weichen.
Die Aufnahme Griechenlands in den Euroraum ist ein klassisches Beispiel dafür. Man kann sagen: Die Griechen haben ihre Zahlen geschönt. Aber die Gegenseite, allen voran die Regierung Schröder, hat die falschen Zahlen doch glauben wollen. Jedenfalls kann man den Bundestagsprotokollen von damals entnehmen, dass CSU Kollegen auf die Manipulation hingewiesen und von „einem schweren Fehler“ gesprochen haben. Von Europapathos befeuert, wollte man Griechenland im Euro haben. Die Griechen hätten übrigens wegen ihrer Produktivitätsdefizite, die sie nur durch die Abwertung der Drachme hätten ausgleichen können, gut daran getan, dem Euroraum nicht beizutreten.
Rot-Grün hat im Nachgang auch noch den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht – auch das wider besseren Wissens. Ein wenig mehr Demut in der Debatte hätte ich mir auch von dieser Seite gewünscht.
Jetzt geben wir die No-Bail-Out-Regel auf, wonach eine gegenseitige Schuldenüber-nahme wohlweislich nicht in Frage kommt. Das beschwert mich besonders. Wir müssen zu einem Weg zurück finden, der die disziplinierenden Kräfte des Marktes sicherstellt. Höhere Zinsen müssen Schuldner zum Sparen zwingen. Die Griechen haben den Realzinsvorteil nicht für Investitionen, sondern für Konsum genutzt.
Mein Anliegen ist es, das, was zu Zeiten Theo Waigels richtig vereinbart wurde, zu ver-teidigen, insbesondere dem Stabilitäts- und Wachstumspakt Geltung zu verschaffen.
Ich werde weiter eine Insolvenzordnung für Staaten einfordern. Die haushalterischen Eingriffsmöglichkeiten der EU gehören in diesen Kontext. Die EU darf nur in Funktion eines „Insolvenzverwalters“ in nationale Haushalte eingreifen. Alle anderen Maßnahmen zur wirtschafts- und finanzpolitischen Koordination bedürfen einer demokratischen Rückbindung an die nationalen Parlamente. Sie müssen wir stärken, um das Befremden über einsame Brüsseler Entscheidungen zu beseitigen.
Ehe wir den ESM dauerhaft installieren, müssen die Wirkmechanismen des EFSF analysiert werden. Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Mit der heutigen Debatte ist jedenfalls sicher kein Schlusspunkt gesetzt.
Dr. Georg Nüßlein, MdB