Begegnungen in Keitum auf Sylt
<b>Für einige Tage verweilen wir auf der nordfriesischen Insel Sylt. Auf einer Anhöhe des Geestkerns gebaut, ist die Keitumer Kirche St. Severin weithin sichtbar. Mit einer Gruppe aus Norddeutschland und Syltern treffen wir uns täglich in St. Severin, um dort gemeinsam das "Lucernarium" mit José Ramón Morán und Kerstin Hedelt zu zelebrieren.
Morgens ab 09.00 Uhr feiern wir mit gesungenen Lichtgebeten das Morgenlob und am Abend ab 18.00 Uhr den Abenddank. Dabei füllt sich der wunderschöne Kirchenraum sowie der eigene innere Raum - das eigene innerste Sanctuarium des Herzens - mit ganz besonderen, heilsamen Schwingungen.
Die Kirche dicht am Wattenmeer gelegen ist nicht nur eine der schönsten Seefahrerkirchen, sie ist auch eines der ältesten Bauwerke von Sylt und gilt auch als die älteste Kirche Schleswig Holsteins. Viele Baustile sind über die Jahre in ihr vereint - romanisch ist das Kirchenschiff, spätgotisch der Turm. Ihr Name geht auf den Kölner Bischof Severin (4. Jahrhundert) zurück. Bevor diese erste Kirche im Mittelalter um etwa 1194 erbaut und urkundlich erstmals 1240 erfasst wurde, befand sich in vorchristlicher Zeit an gleicher Stellte ein Odinheiligtum, in dem germanische Götter verehrt wurden.
Auch dem Friedhof bei St. Severin statten wir einen Besuch ab. Alte Grabsteine mit Inschriften auf Seefahrergräbern erzählen aus dem Leben der Verstorbenen, von Walfängern, die mit ihren Schiffen im Eismeer unterwegs waren. Viele der Seefahrer sind auf See geblieben. Die Seefahrer und Walfänger waren es einst, die der Insel Wohlstand brachten.
Ich suche nach dem Grab von Nele Sedlmayr, geb. Ahlborn. Sie bewohnte zu Lebzeiten das Haus "Alter Bahnhof". Dort habe ich sie früher besucht, wenn ihre und meine Freundin Eva Seitz aus Darmstadt bei ihr zu Gast war. Und dann stehe ich vor Nele´s Grabstätte. Im Jahr 2008 ist Nele 92-jährig verstorben. Ich schicke ihr einen Lichtgruß in ihre himmlische Heimat.
Erinnerungen an die 90-er Jahre kommen hoch. Zu meinen speziellen Erinnerungen gehört eine legendäre Strandwanderung mit Eva im Sommer 1993 - von der Volkshochschule Klappholttal aus nach Wennigstedt. Ich will doch mal nach dem ehemaligen Wohnhaus von Nele in der Munkmarscher Chaussee 29 schauen, gar nicht weit von der Kirche entfernt.
Auf einem Grünstreifen zwischen Straße und Fußweg kommt gleich eine auffallend schöne Kacheltafel in den Blick, die auf eine Töpferei hinweist. Aus dem Vorgarten hinter so einer typischen Sylter Feldsteinmauer leuchtet uns eine Vielfalt bunter Sommerblumen entgegen: roter Mohn, weiße Margariten, blaue Kornblumen, Glockenblumen - wunderschön. Dazu entdecken wir Töpfereiwaren sehr dekorativ auf der Vorgartenfläche arrangiert. Im ehemaligen Wohnhaus von Nele Sedlmayr gibt es also in der Nachfolge eine Töpferei. Da schauen wir mit Interesse und Freude ein, sprechen mit der sympathisch wirkenden Töpferin Erkel Gnauck. Wir tätigen den Kauf einer Friesenkachel mit dem Motiv der Keitumer Kirche St. Severin - eine Gabe an mich und eine Erinnerung an diese besondere Begegnung im "Alten Bahnhof".
Zwischen den Treffen zum Lucernarium in der Kirche ist Zeit für weitere Inselerlebnisse. Wir erfreuen uns an dem malerischen "grünen" Inselort und ehemaligen Kapitänsdorf Keitum mit reetgedeckten Friesenhäusern- und höfen. Manche sind 200 bis 300 Jahre alt und liegen inmitten eines uralten Baumbestandes. Wälle aus Feldsteinen umranden viele Anwesen. In idyllischen Gärten bieten die blühenden Rosen des Sommers romantische Blickfänge.
Wir spazieren Wege an der Wattküste entlang. Bänke und kleine Sandstrandbuchten laden zum beschaulichen Verweilen ein. "Nielsen´s Kaffeegarten" lockt zur genüsslichen Einkehr.
Ein Spazierweg führt uns von Keitum aus über eine Holzbrücke zum Ort Munkmarsch mit einem kleinen Hafen. Vor da aus fahren wir weiter mit dem Bus nach Wennigstedt und steigen dort um auf die Buslinie nach List. Im über 200 Jahre "Alten Gasthof" speisen wir zu Mittag.
In einem historischen ehemaligen Kapitänshaus aus dem Jahre 1739 direkt am Keitumer Kliff gelegen ist das Sylter Heimatmuseum beherbergt. Die Unterkieferknochen eines Finnwals bilden das Eingangstor zum Museum. Es zeigt vor allem die von der Seefahrt geprägte Geschichte der Insel. Zum Walfang im 17. und 18. Jahrhundert gibt es anschauliche Exponate. Dazu gehören auch Einrichtungsgegenstände, Fliesen, alte Trachten.
Das 1640 erbaute "Altfriesische Haus" - später bewohnt vom Inselchronisten Christian Peter Hansen - gibt Einblicke in die Wohnkultur einer wohlhabenden Kapitänsfamilie.
Nach der letzten Lucernariumsfeier vor unserer Verabschiedung erzähle ich der unsere Gruppe betreuenden und auch teilnehmenden ehrenamtlichen Küsterin aus der Nachbarschaft von meinen Erinnerungen an Keitum. Sie lädt uns noch zu sich nach Hause ein - eine ganz besondere Geste, die wir mit Dank für einen vertiefenden Austausch annehmen. Erfüllt von unserem Lucernariums- und Sylt-Erleben reisen wir vom "neuen" Bahnhof in Keitum ab.
In den Folgezeit werden wir noch Lucernariumsfeiern auf der südfranzösischen Mittelmeerinsel Saint Honorat vor Cannes in der Abbaye de Lérins (10/2014 und 10/2016) sowie in der Abazzia di Sant'Antimo bei Montalcino in der Toskana (10/2015) erleben dürfen.
Herzlich grüßt Kirsten Mauss
- zur Sommersonnenwende 2020 am 20. Juni um 23:43 Uhr.
Anmerkung: Der Tag zwischen dem 20. und 22. Juni mit dem längsten Tag und der kürzesten Nacht wird auch als Sommernachtsgleiche bezeichnet.
Meine Fotogalerie zeigt Bilder zum Erlebten aus der Zeit von Ende Juni/ Anfang Juli 2014.
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Bürgerreporter:in:Kirsten Mauss aus Hamburg |
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