Urheberrecht als ABM für notleidende Verlage und Anwaltskanzleien?
Der Verhaltenskodex auf myheimat.de weist unter Nr. 4 „Keine Urheberrechtsverletzungen“ ausdrücklich darauf hin, dass „myheimat.de [...] eine Plattform für authentische Beiträge, die von Ihnen stammen“ sei, und führt dies anschließend ausführlich weiter aus.
Es kann also keiner so tun, als sei ihm das alles nicht bekannt. Dennoch wird diese Regel immer wieder missachtet, zwar nicht aus der Absicht heraus, anderen zu schaden, sondern aus Naivität oder Blauäugigkeit, eine Sache, die für die Betroffenen teuer enden kann.
Für den Bericht über eine Lesung, die einem vor 100 Jahren verstorbenen deutschen Schriftsteller und Lyriker galt, hatte sich der damit beschäftigte Verfasser Informationen aus dem Internet besorgt.
Unter www.whoswho.de , das unzählige Kurz-Biographien zur Verfügung stellt, war auch diese Abhandlung zu finden, der ein allgemein gehaltener Absatz zur Bedeutung des Dichters vorangestellt war. Dieser Absatz wurde kopiert und in den Bericht über die Veranstaltung eingefügt – und zwar ohne Veränderung und ohne Quellenangabe.
Unter „Impressum“ der entsprechenden Website des „rasscass Medien Content Verlages“ (Baden-Baden) – und nicht unter der Rubrik „Nutzung“ wie zu erwarten – wird im Folgendem darauf hingewiesen: „Alle Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.“ und „Die Verarbeitung und Nutzung aller Biographien ist nur mit schriftlicher Genehmigung des rasscass Medien Content Verlages gestattet.“ Doch wer liest so etwas schon, wenn er Informationen im Netz sucht und endlich gefunden hat? Zum anderen ist auch dort nichts über mögliche rechtliche Folgen oder Schadensersatzforderungen zu finden.
Bei alledem drängt sich mir eine Frage auf: Welche geschäftlichen Ziele verfolgt in Wirklichkeit ein Verlag, der seine Produkte für jedermann frei lesbar ins Netz stellt? Etwa den, dass der Nutzer dieser Seite wirtschaftlich verwertbare Informationen über sich preisgibt (siehe: Google AdSense - auch unter Impressum)?
Im Jahre 2010 wurde der erwähnte Bericht in myheimat.de veröffentlicht, jetzt, 2012, wenige Tage vor Ostern, wird dem „Delinquenten“ ein Schriftsatz einer anscheinend seriösen Anwaltskanzlei mit Sitz in Hamburg und Berlin zugestellt. Diese Kanzlei wurde bundesweit dadurch bekannt, dass sie die Interessen von Angehörigen des europäischen Hochadels erfolgreich bis vor höchste deutsche Gerichte vertrat. In dem zugegangenen Schreiben werden das kurzfristige Entfernen der missbräuchlich verwendeten Passage aus dem Netz sowie das Unterschreiben einer beigefügten Unterlassungserklärung verlangt und außerdem Kosten für das Tätigwerden der Kanzlei samt Schadensersatz in Höhe von ca. 1000,00 € in Rechnung stellt. Für den Fall der Weigerung wird mit Gerichtsverfahren und entsprechend höheren Kosten gedroht.
Hier wird m. E. mit Kanonen auf Spatzen geschossen mit dem Ziel, so richtig abzuzocken, ohne dass vorher der Versuch einer gütlichen Einigung gemacht und z.B. in einem Schreiben des Verlages zur Unterlassung aufgefordert worden wäre.
Auf jeden Fall stellt sich die Frage: Was ist mit der immer wieder geforderten Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel?
Laufen die Geschäfte von Verlag und Kanzlei denn so schlecht, dass auf solch schäbige Art und Weise Geld eingetrieben werden muss?
Es wäre zu überlegen, ob man bei zukünftigen Veranstaltungen nicht eine Sammelbüchse aufstellen oder den Klingelbeutel herumgehen lassen sollte. Mit den gespendeten Geldern könnte man den Ärmsten unter die Arme greifen und dadurch vielleicht erneute Panikattacken verhindern.
Nachtrag 1: 6 Wochen nach dem Schreiben der o.a. Anwaltskanzlei - d.h. kurz vor Himmelfahrt - sind die Vergleichsverhandlungen immer noch nicht abgeschlossen!
Nachtrag 2: Ende Juli 2012 ist immer noch kein Schlusspunkt erreicht. Bisher angefallene Kosten: ca. 450,00 Euro. Und alles wegen dreier Sätze ohne Quellenangabe... Wenn's denn dabei bleibt!
Bürgerreporter:in:Karl-Friedrich Rose aus Springe |
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