Ende der Dienstfahrt
Vierblättrige Kleeblätter sind rar, vierrädrige Blechschlösser dagegen eine Pest. Freundlich erscheinen ihre Gesichter immer seltener, wie die Kleeblätter es von Natur aus sind, eher bullig und bedrohlich. Schon tagsüber machen die Augen hinter dickem Chromrand bange: Macht mir Platz, stört mich nicht, bleibt mir vom Leib. Die Botschaft ist unmissverständlich.
Wenn diese Augen aber erst einmal mit Halogen- oder Xenonkegeln werfen und einen im Dunkeln fixieren, wächst Respekt, ja Furcht ins Unermessliche: ein Kreuzverhör mitten auf der Landstraße. Wer dem nur Autolampen mit biederen Glühbirnen entgegenzusetzen hat und sich damit durch die Dunkelheit tastet, ist gleich auf verlorenem Posten. Keine Chance, für Momente sogar Orientierungslosigkeit. Platz da.
Die Ritter des Asphalts heizen mit SUV. Nicht bloß my home is my castle. Nein, die englische Maxime macht in zugespitzter Form mehr und mehr auf deutschen Straßen Furore: My car is my tank. Ein Glück, dass den Panzern des Alltags wenigstens Waffen und Ketten fehlen, obschon die Räder bisweilen Ausmaße römischer Streitwagen haben und die Felgen Tomahawks ähneln. Vom Hochsitz des Blechschlosses lässt es sich genüsslich, behaglich und selbstherrlich auf die Niederungen der Kleinwagen blicken.
Mein Passat kann da nicht mehr mithalten. Zugegeben, in die Jahre gekommen ist er nicht mehr konkurrenzfähig: Das Augenlicht dämmert nur vor sich hin, keine Spur von brillanter Helligkeit, und im Vergleich zu den Panzern nur auf Augenhöhe der Niederungen. Dennoch, einen dritten Hundertausender hätte ich ihm ohne Weiteres zugetraut. Doch das Ende der Dienstfahrt war gestern gekommen.
Für mich ein Novum: Ich tauschte Rot gegen Schwarz, Vierrad gegen Zweirad, Angriffslust gegen Verletzbarkeit, ein Leben ohne eigenes Auto. Entzugserscheinungen blieben heute am ersten Tag aus. Unangenehme Erlebnisse mit Panzerfahrern ebenfalls. Ein erfreulicher Start in einen neuen Lebensabschnitt. So entschleunigt spürt das eigene Auge vielleicht häufiger vierblättrige Kleeblätter auf als in der Vergangenheit, auch ohne Xenon und Halogen.
Vergelts Gott für die lieben Wünsche. Bisher ist die kleine Vase aber leider noch leer. Das Glück bringt niemand vorbei. Wer es hat, behält es für sich. Möglicherweise gibt es ja Glücksholer. Ob es mir vergönnt ist? Ich weiß es nicht. Vielleicht besitze ich es ja schon, ohne es wahrzunehmen. Das Bewusstsein ist noch trüb, die lange Dienstfahrt rauscht meinen Ohren noch mächtig. Meine Ohren fangen oft ein Klingeln ein, wie von einer Schulglocke. Gut, mein Mund hat Pause und will dennoch reden. Aber nie mehr im Sprechen schweigen. Das will gelernt sein, trotz der Pause. Vielleicht rauscht es deshalb noch so in den Ohren. Dazu