Paparazzo stört Bär beim Baden
Och nö, nicht noch einer, nicht jetzt, nicht ausgerechnet in meiner tariflichen Pause zur Mittagszeit. Mein Gott nicht, muss ich mir denn alles gefallen lassen. Schon wieder so ein Walter, mit so einer Linse, der mir nicht vom Fell geht. Mensch, es ist Mittagszeit, mach' bloß eine Fliege. Oder hast du schon mal erlebt, dass ich dir beim Baden zugucke. Hau ab, troll dich. Denk dir doch mal den Zaun weg. Eben. Dann würdest du dich doch gar nicht trauen, mir so nahe auf den Pelz zu rücken. Dann hättest du doch längst die Hose voll. Genau, von oben bis unten. Schisser. Schisser, sage ich nur.
Warum ich am hellichten Tag baden gehe? Ich sei doch selbst schuld, wenn ich mich hier vor den spritzsicheren Scheiben am Gehegeteich quasi auf den Präsentierteller lege. Im Gegensatz zu den meisten Ladengeschäften in der Springer Innenstadt hat das Wisentgehege doch über mittags offen, auch in der Woche. Ich könne doch nichts Unmögliches verlangen, das Eintrittsticket ist schließlich bezahlt. Und da will der Mensch auch was sehen und vor die Linse bekommen.
Ist ja gut, alte Quasselstrippe. Nix zu arbeiten, was. Oder gar schon in Rente oder Vorruhestand? Auf Gnadenbrot, hä? Wer käme sonst auf den unsinnigen Gedanken, mitten in der Woche mittags mit einer derartigen Seelenruhe so ein Tiergehege aufzusuchen. Oder bist du ein Penner? So ein Habenichts von einem Taugenichts? Uns macht das hier auch nicht immer Spaß, verstehst du? Immer die Gaffer ertragen zu müssen. Immer die Fotostalker am Hintern. Immer die Spanner, die nur darauf warten, dass unsereins mal gähnt oder brüllt, sich ins Wasser stürzt oder einen Baum hochklettert. Immer auf Sensationen aus, die Menschen. Haben sich ja sonst nichts Vernünftiges zu erzählen. Kann ja alles sein, aber ausgerechnet mittags ...
Feierabend kennt ihr ja sowieso nicht. Gestern Abend stehen da welche noch Minuten vor Toreschluss auf der Galerie über unserem gemeinsamen Gehege mit den Wölfen und sind am Zetern, dass sie für ihr gutes Geld nicht einmal einen Bären zu Gesicht bekämen. Ja Freunde, falsch gewickelt, habt ihr mal auf die Uhr geguckt, auch wir kennen schließlich ein Tagewerk, bedenkt doch, wenn ihr noch am Pennen seid, da haben wir schon zig Runden gedreht, hier in unserem Hochsicherheitstrakt. Und dann muss es abends eben mal gut sein. Wir können ja auch nichts dafür, dass die Tage immer länger werden und die Gesichter der Besucher immer länger, wenn sie unsereins nicht ins Blickfeld bekommen.
So, nun ist aber Schluss mit lustig. Du störst mich ungemein in meinem Rücken. Die wärmende Sonne von oben und das kühlende Wasser von unten, die täten zwar nach wie vor so was von gut, aber nicht mit dir und deiner Linse im Gepäck. Das ist ja unerträglich. EInem so unverfroren und hartnäckig aufzulauern. Bleib du man da stehen, dann mache ich mich eben vom Acker: Der Klügere gibt nach, und der Dümmere hat das Nachsehen. Wirst gleich merken, wie dich die Langeweile anödet. Kannst ja das nackte Teichwasser ablichten, aber ohne mich bitteschön. Ich mache jetzt wirklich Mittag, ganz ohne Spanner und Stalker. Ich bin dann mal weg ...
-- ganz hervorragend beschrieben und bebildert....