Magnolie spendiert Blütengala fürs Gemüt
Dank eines stabilen Hochs lässt sich die Pracht bis zum Wochenende genießen
Ein Traum von einem Blütenmeer ist uns in diesem Frühjahr im Vorgarten vergönnt. Seit etwa einer Woche entfaltet die Magnolie vor der Haustür ihre ganze Pracht.
Die Freude über dieses Kunstwerk der Natur könnte tatsächlich noch bis zum Wochenende anhalten. Wenn ich den Wetterprognosen Glauben schenke. Spätestens dann dürfte der Blütensegen aber im Nu zur Neige gehen und quasi als Blütenregen der Schwerkraft folgen, nach unten segeln und auf dem Pflaster für einen lilaweißen Blütenteppich sorgen. Obschon Fronleichnam noch ein gutes Ende entfernt ist.
Diesen Lenz hat die Magnolie selbst aufs Tiefste ausgeschöpft und genossen. So lange hat sie ihr Festtagskleid lange nicht mehr tragen können: Kaum Wind, kein Frost, kein Regen, geschweige denn Schneegraupel oder Hagel. Nichts auf der Welt an Unbill der Elemente konnte ihren Traum von einem ganz leicht wogenden Blütenmeer trüben.
So gewöhnt habe ich mich mittlerweile an die Blütenfülle vor dem Dachfenster meines Denkzimmers, dass ich schon nervös aufschrecke, wenn ich draußen eines mehr oder minder leisen Hauchs von einem Windstoß gewahr werde. Jede Brise ist schließlich der Feind meines Blütenmeers. Vor allem um die Mittagszeit, wenn die Blüten ihre Blätter spreizen so weit wie es vermögen, um so viel Sonnenlicht wie nur möglich aufzunehmen, birgt jedes freche Lüftchen Gefahr, das die hohlen Gassen zwischen den Häusern entlangsurft, macht sich jede Bö einen Spaß daraus, sich in den schweren Blüten zu verfangen und deren Blätter einzeln abzuzupfen.
Ja, ich ertappe mich schon bei teuflischen Gedanken und faustschen Motiven. Ach Augenblick, verbleibe, du bist so wunderschön. Faustdicker hinter den Ohren haben es da noch die Wünsche eines Völksener Freundes, der sich in der Hochzeit der Magnolienblüte nichts sehnlicher wünscht als das dieser himmlische Zustand die ganze warme Jahreszeit anhalten solle. Eine Blüte bis in die Farbenvielfalt des Indian Summer. Jugendliches Blühen, bis einem der Herbst des Lebens die Arthrose in die Gelenke jagt. Nun, Wetterneigungen wie in Zeiten des Klimawandels haben wir im Takt des Lebens zumindest noch nicht zu verzeichnen. Der Biorhythmus zeigt uns schon drastisch unsere Grenzen auf. Nein, Blütendurst bis zum Schlaganfall oder Ever-Young-Sehnsüchte, so vermessen wollen wir nicht sein. Im Gegenteil, in Demut ist schon ein vergelts Gott für die Gnade angesagt, dass dieser Frühling augenblicklich ohne Kapriolen daherkommt. Nein, überhaupt nichts soll einen Pakt mit dem Teufel besiegeln. Ihm wollen wir nicht noch einen zustätlichen Trumpf in die Hand spielen. Dessen Bösen hat er schon genug angezettelt in der Welt.
Wie heißt es in "Faust. Eine Tragödie" von Johann Wolfgang von Goethe: "Werd’ ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!“ Nein, meine Seele soll nicht mit der Magnolienblüte in die Binsen gehen. Immerhin hat auch der Mai, der noch folgt, seine unnachahmlichen Vorzüge. Und bis die Uhr im Herbst wieder zurückgedreht wird, wollen wir auftanken, was die Natur uns auftischt.
Mehr als so eine ungetrübte Zeit der Blüte wie in diesem Frühjahr kann einem das Leben nicht bieten. Wie vergänglich war die Pracht schon in anderen Jahren. Eine Frostnacht langt hin. Was abends noch freudestrahlend und sonnenanbetend auf den Zweigen thront, liegt dann am nächsten Morgen fast flächendeckend bleich am Boden. Das gleiche Schicksal droht, wenn es stürmt und pfeift, oder wenn ein Regenguss der Blütengala ebenfalls ein jähes Aus bereitet. Alles schon dagewesen, alles schon erlebt, aber zum Glück erst einmal Schnee von gestern. Daher genießen wir die Gunst der Stunde diesmal um so ausgiebiger.
Bürgerreporter:in:Clemens Wlokas aus Springe |
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