Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt

... Wahlkampfslogan der Grünen 1988 ...
4Bilder

Erholungssuchende an Nord- und Ostsee werden sprichwörtlich von Windrädern erschlagen. Da fragt man sich, gibt es eine Politik der Gleichbehandlung auch bei der Energiewende. Wenn es sie gäbe, dann wäre es doch nur gerecht und folgerichtig, wenn auch im Englischen Garten in München, im Beethovenpark oder Stadtpark zu Köln, in der Eilenriede in Hannover, im Berliner Tiergarten oder rund um die Hamburger Außenalster und in Mützenwurfweite der Stadtränder Windenergieanlagen wie an Nord- und Ostsee, im Weserbergland oder in der Märkischen Heide gebaut würden.

Das klingt absurd. Ist es auch. Denn kein Bürgermeister, kein Stadtrat oder Bürger von Städten würden den Bau von Windenergieanlagen in oder am Rande ihrer Stadt zulassen. Umweltgewissen wird ins Umland ausgelagert. Immer wieder hört man in Stadtbewohnern, wie schrecklich Maismonokulturen oder Windparks draußen die Landschaft verändern oder gar verschandeln. Anstatt sich zu fragen, ob die Industrialisierung der Landschaften Sinn macht, beraten sie eher, wo man als Nächstes hinfahren sollten. Etwa an Orte, wo die Natur noch intakt ist. Dass diese Orte dank ihrer Untätigkeit sukzessive von der Bildfläche verschwinden, ist möglicherweise Zeichen mangelnder Information oder Gleichgültigkeit. Und die Refugien der Städter bleiben geschützt.

Städter und parteiübergreifend viele Politiker sehen tatenlos zu, wie norddeutsche Kulturlandschaften durch extensiven Ausbau der Windenergie bis zur Unendlichkeit verschandelt werden. Dass dabei irreversible Schäden an Mensch und Natur angerichtet werden, interessiert kaum. Die Energiewende ist der Zug der Zeit. Dass dieser Zug in die falsche Richtung fährt, scheint unerheblich. Der Zeitpunkt seiner Entgleisung ist absehbar – der erste große Blackout wird es zeigen.

2022 wird das letzte atomare Feuer in einem deutschen Kernkraftwerk erloschen sein. Es ist das Ziel der SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks, auch die Kohlekraftwerke rasch abzuschalten. Denn keiner soll sagen, die Deutschen seien beim Klimaschutz untätig. Es sind aber nicht „die Deutschen“, sondern ehrgeizige Politiker, die glauben, die Klimarettung übers Knie brechen zu können. Das Traurige daran ist, dass sie aneinander vorbeireden und im Grunde kein gemeinsames Ziel haben, in dessen Zentrum das Industrieland Deutschland steht, das auf kostengünstigem Strom angewiesen ist.

Ohne-Not-Opfer

Damit genug Strom im Nachatom- und im Nachkohlezeitalter da ist, setzt die von der Ökoindustrie getriebene Politik insbesondere auf Windenergie. Auch hier hat Niedersachsen die Nase vorn. Hier gibt es die meisten Pferde, Schweine, Hühner, Puten, Biogasanlagen und Windenergieanlagen (WEA). Zusammen mit Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind in den norddeutschen Bundesländern rund 27.466 Megawatt Windleistung (≙27 große Kernkraftwerke) installiert. Das sind sage und schreibe 80 Prozent der deutschen Windkapazität.

Vor diesem Hintergrund muss die Frage erlaubt sein, warum WEA überwiegend nur im Norden? Warum nicht auch im Süden? Dort weht, wie der Bundesverband Windenergie e.V. (BWE) herausgeschält hat, auch genügend starker Wind zur Stromproduktion. Sollen wir im Norden unsere ohnehin schon geschundenen Kulturlandschaften noch mehr zugunsten Süddeutschlands schänden lassen?

Es sind ja nicht nur die Windräder, die Menschen auf die Palme bringen. Es ist auch die politische Art und Weise, wie mit Menschen und Natur umgegangen wird. Damit die Politiker im Recht bleiben, dass nur der „Norden“ Wind kann, wollen sie den heißdiskutierten SuedLink nach Bayern bauen, damit dort die Stromversorgung im Nach-Atom-Zeitalter gesichert ist. Dass die Bürger insbesondere in Niedersachsen unter dem Zerstörungswahn leiden, dürfte nachvollziehbar sein.

Auch wenn Bayern via SuedLink mit unsicheren, volatilen Stromlieferungen rechnen muss, würden sich die Stromstöße aus dem Norden für sie lohnen. Denn dieser Strom hat den geringsten Börsenwert und würde den Bayern praktisch geschenkt werden. Den norddeutschen WEA-Betreibern dürfte das völlig egal sein. Sie bekommen ihre Vergütungen aus dem EEG-Topf, in den die Stromverbraucher über die EEG-Umlage einzahlen. Die bayerische Wirtschaft wäre nach den Ökostromlobbyisten Nutznießer dieser absurden Politik.

Niedersachsen wird klein und kleiner

Der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel ist wild entschlossen, die Energiewende, koste es was es wolle, zu unterstützen. Er will die Windleistung in Niedersachsen von 8.000 auf 20.000 Megawatt (Nennleistung) steigern. Dafür soll Landtag einen Freibrief in Gestalt des zur Zeit diskutierten Windkrafterlasses absegnen. Dem Entwurf zufolge sollen alle niedersächsischen Gemeinden Vorrangflächen „freischaufeln“. Dass die Schutzabstände der WEA zu Wohnbebauungen drastisch verkürzt werden, wird billigend in Kauf genommen. Denn der WEA-Ausbauwahn braucht Platz.

Zum besseren Verständnis: Niedersachsen hat eine Fläche von rd. 47.000 Quadratkilometer. Es ist unbestreitbar, dass gut die Hälfte dieser Fläche schon mit zahlreichen WEA vorbelastet ist (siehe Windmonitor Fraunhofer – IWES) oder auch als Schutzgebiete für Moore und Naturschutz sowie Ortschaften ausgewiesen sind. Dann stünde in Niedersachsen rein rechnerisch nur noch eine Restfläche von ca. 23.500 km2 für den Bau von 12.000 Megawatt WEA zur Verfügung.

Das wollen wir uns einmal näher ansehen. Wir legen also die Restfläche zugrunde und legen ein Raster gleich einem Schachbrett darüber. Dann nehmen wir an, dass nur 3-Megawattanlagen – etwa Enercon 101 - zum Einsatz kommen sollen. Das wären dann 4.000 WEA Typ e 101. Da man ja umweltschonend und konstruktiv denkt, bilden jeweils zehn WEA einen Windpark.

Ich teile also 23.500 km2 durch 400 Windparks a` 10 WEA, dann würde jedes Schachbrettfeld die Fläche von rd. 59 km2 haben. Diese Fläche erscheint zunächst sehr groß, aber der Eindruck täuscht. Eine Fläche von 59 km2 hat eine Kantenlänge von 7,7 Kilometer.

Das würde bedeuten, auf mindestens der Hälfte von Niedersachsen würde alle 7,7 Kilometer ein neuer Windpark entstehen. Mit dieser Ausstattung könnten wir allenfalls die Hälfte des Strombedarfs der Niedersachsen decken, falls überschüssige Windenergie in großem Umfang gespeichert werden könnte. Aber das liegt in weiter Ferne. Tatsache ist, dass wir jetzt keine Speicher haben und in naher Zukunft auch nicht haben werden. Wäre das umsetzbar? Ich denke, kein vernunftbegabter Niedersachse würde solch eine flächendeckende Industrialisierung unserer Landschaften hinnehmen.

Zu Erinnerung: Die Grünen argumentierten 1983 und 1988 auf Wahlplakaten mit: „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt.“ Quer durch die Politik in Deutschland und in Europa wird diese indianische Weisheit auch in der so abgewandelten Form immer wieder gerne zitiert, etwa wenn es um Atom, Klima, Hunger in der Welt, um die Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen oder Kriege geht. Wie kommen Sie, Herr Wenzel, mit dieser Doppelmoral klar?

Schließlich: Wir Niedersachsen sollen die politischen und technischen Bürden der Stromversorgung Süddeutschlands tragen. Bei uns sollen auch die radioaktiven Rückstände aus Medizin, Forschung und Kernkraft für ganz Deutschland gelagert werden. Wer sind wir denn, die Deppen der Nation?

Wem Niedersachsen am Herzen liegt, möge diesen Artikel bitte weiterempfehlen.

Bürgerreporter:in:

Friedrich Schröder aus Springe

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

42 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.