Verkrampfte Freude
Der Bau der Biogasanlage soll beginnen. Das mag formalrechtlich in Ordnung sein. Doch der Bebauungsplan 81 birgt Sprengstoff. Er ist mit Unsicherheiten behaftet, die möglicherweise das Projekt ausbremsen könnten. So bescheinigte ein Rechtsgutachten vom 15. September letzten Jahres, das der Bebauungsplans 81 rechtliche Risiken aufweist. Dieses Gutachten gab die Stadt in Auftrag, nachdem die IG Schwarzer Koppelweg ein eigenes Rechtsgutachten auf den Weg gebracht hatte, dessen Ergebnis sie der Stadt zur Verfügung stellte. Ob sich der Rat über die Angreifbarkeit des Bebauungsplans bewusst war, als er ihn am 29. September 2011 beschloss, ist ungewiss.
Der vom Rat beschlossene Bebauungsplan 81 ist offensichtlich eine mit Sprengstoff gefüllte Hülse. Er legt lediglich die Baugrenzen sowie Bauhöhe, Farbe und Begrünung der Biogasanlage fest. Auch der Städtebauliche Vertrag setzte nur diffuse Grenzen, welch eine Produktionskapazität die Biogasanlage letztlich haben darf. Die Grenzkapazität ist also nicht festgelegt. Das dürfte nach Lage des verworrenen Verfahrens ein gewollter Freibrief sein, die Biogasanlage innerhalb der Baugrenzen ungehindert zu vergrößern.
Blick zurück: Die Anlage wurde für eine Gasproduktion mit 1,3 Megawatt elektrischer Leistung und einem Blockheizkraftwerk mit 250 kWel beim Gewerbeaufsichtsamt beantragt. Noch während der Genehmigungsantrag lief, stellten die Betreiber ein doppelt so großes BHKW als beantragt unerlaubt auf. Damit zeichnete sich die Gasproduktionserhöhung bereits ab. Denn für eine größere Biogasanlage wird mehr Wärme gebraucht für Fermenter und Gärrestebehälter. Anders würde das unerlaubt aufgestellte BHKW keinen Sinn machen.
Es besteht also berechtigter Grund zu der Annahme, dass eine Erweiterung der Gasproduktion geplant sein könnte. Zwar sieht es so aus, als sei die Biogasanlage innerhalb der Baugrenzen verplant. Doch der Schein trügt. Denn dort sind Fahrsilos zur Aufnahme des Maissubstrats eingeplant, die auf den ersten Blick eine Kapazitätserhöhung unmöglich erscheinen lassen. Unter die Lupe genommen sind die Fahrsilos vor Ort nicht nötig, denn die Biogasanlage kann auch bedarfsgerecht von außen „gefüttert“ werden kann. Gülle und Maissubstrat können extern gelagert und nach Bedarf angeliefert werden. Beispiele hierfür gibt es genug.
Das Verwirrspiel geht weiter: Die Genehmigung für das unerlaubt aufgestellte BHKW ist erst beantragt worden, nachdem die Biogasanlage mit dem kleinen BHKW durch das Gewerbeaufsichtsamt Hannover (GAA) genehmigt worden war. Ein Geschmäckle bekommt die ganze Angelegenheit überdies durch die Tatsache, dass nunmehr die Stadtwerke Springe Betreiber des großen Anlagen-BHKW sind. Es ist davon auszugehen, dass mit diesem Winkelzug die mögliche Vergrößerung der Biogasproduktionskapazität kaschiert werden sollte.
Ingesamt gesehen, so scheint es, ist das Projekt Biogasanlage Schwarzer Koppelweg eine riesige Mogelpackung. Es ist davon auszugehen, dass dem aufgeblasenen Klimaschutzpaket Springe sehr schnell die Luft ausgehen wird, und die Abwärme der BHKW wird, weil es kein Mikrowärmenetz gibt, auf lange Sicht die Umwelt aufheizen. Überdies schwebt das Risiko, dass der Bebauungsplan 81 durch das OVG Lüneburg ausgehebelt wird, wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Verwaltung.
Ist mit der Bauankündigung nun Hopfen und Malz für die Gegner der Biogasanlage verloren? Haben die Betroffenen ihr Geld für Anwälte zum Fenster raus geworfen? Ganz sicher nicht. Denn der Rechtsweg lässt viele Möglichkeiten offen, und es darf davon ausgegangen werden, dass die Springer Verwaltung nicht ungeschoren davon kommen wird. Dass die Investoren eine Bestandsgeschützte Baugenehmigung haben, wird nach den Worten der IG Schwarzer Koppelweg auch nicht bestritten. Und sollte die Biogasanlage wie beantragt gebaut werden, so dürfte das Ziel, eine Anlagenerweiterung an dieser Stelle zu verhindern, keine Utopie sein.
Das Thema Biogasanlage Schwarzer Koppelweg ist nicht einmal mehr ein Husarenstreich ehrgeiziger Verwalter und Politiker. Den Akteuren ist ganz sicher der Umweltheiligenschein über die Augen gerutscht. Denn sonst hätte es nicht solch ein Kommunikationschaos gegeben, an dessen Ende die Investoren und die Betroffenen die leidtragenden sind. Und sollte die Biogasanlage Realität werden, so dürfte sie ein 1:1 Fallbeispiel sein für Behörden und Politiker und deren Bürgerferne.
In den lokalen Medien nahm die Botschaft „Bau der Biogasanlage beginnt“ heute breiten Raum ein. Mitarbeiter der hiesigen Verwaltung und der Region und ein Investor stellten sich den Fotografen. Es war kein Politiker dabei. Ist das etwa ein Zeichen? Die Schlacht, so die Sprecher der IG Schwarzer Koppelweg, ist noch nicht geschlagen.
Bürgerreporter:in:Friedrich Schröder aus Springe |
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