Ist denn der Landwirtschaft nichts mehr heilig ?
3. Oktober 2011. Tag der Einheit. Tag der Rückbesinnung.
Am späten Nachmittag ein ungewohntes, sich steigerndes Geräusch. Öng, öng, öng, öööng, öööng, öööööng - ein riesiges Gespann biegt in das „alte Land“ ein. Der Fahrer geht kurz vom Gas, nimmt die Kurve. Dann tritt er die Pedale durch. Scheiben erzittern, Gläser klirren in der Vitrine. Der Hund jault, die Katzen ducken sich in der Küchenecke. Jetzt erst wird mir bewußt, dass die Maiskampagne angelaufen ist: ohne Ankündigung. Bis Mitternacht rasen die tonnenschweren Ungetüme am Haus vorbei. Wie lange wird die Deckschicht der Straße, die schon unter dem Umleitungsverkehr beim Ausbau der B 217 Risse bekommen hatte, das aushalten? Es ist der Tag deutschen Einheit, von dem ein übler Geschmack zurückbleiben wird und Zorn auf die Landwirtschaft, der nichts, aber auch gar nichts mehr heilig zu sein scheint. Die hochmotorisierte Traktoren als Ersatzmuskeln einsetzen, um zu zeigen, wer in dieser Republik das Sagen hat. Haben die jetzt Faustrecht?
Eigentlich sollten die beginnenden Maiskampagnen laut städtebaulichem Vertrag in der Presse angekündigt werden. Dieses ist nicht geschehen, das schafft keinen Frieden in der Gemeinde. Der "Segen" des Stadtrates kann und darf aber kein Freibrief sein.
Aus dem fernen Nordrhein-Westfalen kommen sie angebraust, die Silagetransporter. 250-PS starke Zugmaschinen, die beladen über 50(!) Liter Diesel auf 100km verbrauchen, - gefahren von schlecht bezahlten Billiglohn-Empfängern, ohne Fahrtenschreiber, wie ein Insider zu berichten weiß, total übernächtigt. Fuhre um Fuhre bringen sie ihre Ladungen zu einer "fiktiven" Biogasanlage am Schwarzer Koppelweg. Noch existieren sie nicht, Abnehmer für die Wärme und den Strom.
Der Bebauungsplan ist noch nicht amtlich und es gibt auch noch keine Genehmigung nach dem Immissionsschutzgesetz. Ja, die Zeit drängt. Sollte die Anlage dieses Jahr nicht mehr ans Netz gehen, so ein Betreiber, sei sie unrentabel. Aber egal, er muss ja irgendwohin, der Mais, den man wahrscheinlich schon vorsorglich angepflanzt hatte, - diese Weitsicht verwundert allerdings, war doch sonst das Verfahren eher von kurzfristigen Entscheidungen geprägt.
Rasch wird ein Feld angemietet, um ein Silo anzulegen, ohne Absicherung gegen Versickerung der Gärsäfte in den Boden nahe der gerade renaturierten Haller. Niemand will von dieser Willkür gewußt haben, keiner fühlt sich zuständig. Am allerwenigsten unser Erster Stadtrat Hermann Aden, der dies flugs über die lokale Presse verkünden ließ. Alle gucken weg. Kommt das hier in Springe nicht bekannt vor? Und so rollen die Schwerlasttransporter durch Wohngebiete und Ortschaften rund um die Uhr. Nicht nur in Springe, auch im benachbarten Deister-Sünteltal sind sie überall präsent, und die Bürger fragen sich, was kommt da auf sie zu?
Die Belastungen durch Lärm, Dreck, Gefährdung der Sicherheit, Feinstaubbelastung sind keine fixe Idee. Sie sind Realität. Ist das die Energiezukunft dieser Nation? Kolonnen von Landmaschinen, die von ausgedörrten Feldern das letzte an Energiepflanzen abtransportieren, was herauszuholen ist. Eine hoch subventionierte Land- und Energiewirtschaft, deren Zeche die Kunden und die Steuerzahler bezahlen müssen. Oder ist das etwa der letzte traurige Versuch von Kommunen, leere Stadtsäckel zu füllen? Womit den? Wer glaubt, durch Methangas bei den Bürgern abkassieren zu können, um Schuldenberge abzubauen, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Dieses alles passiert auf den Rücken der Bürger und des kostbarsten Gutes, daß wir haben – einer noch intakten Natur, die im Begriff ist, von der Landwirtschaft gnadenlos vergewaltigt zu werden. Die Natur kann sich nicht wehren.
Quo vadis - Politik ?
Bürgerreporter:in:Mathias Lange-Gandyra aus Springe |
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