Im Würgegriff der niedersächsischen Lobbykratie
Letzte Woche war ich im niedersächsischen Landtag. Der provisorische Plenarsaal war gerammelt voll. Es schien, als sei die Antarktis von Pinguinen entvölkert worden und hier zum „get-together“ zusammengekommen. Männlein und Weiblein waren dunkel gewandet. So als seien sie gerade von einer traurigen Veranstaltung gekommen. Aus der Landtagsbütt tönte die eindringliche Stimme einer dunkelschwarz gekleideten Blondine, die irgendetwas über Inklusion von sich gab.
Aber das alles interessierte mich nur am Rande. Ich wollte mit einem Abgeordneten über den Wenzel-Windkrafterlass reden. Das taten wir denn auch. Stehend an einem Stehkaffeetisch in der Cafeteria. Glasfenster trennten uns von dem Geschehen im Plenarsaal, während an anderen Tischen auch bekannte Mandatsträger die Köpfe zusammensteckten.
Wir kamen schnell zur Sache. Der Windkrafterlass sei so gut wie durch. Auch die CDU solle sich für den ungebremsten Ausbau der Windkraft in Niedersachsen ausgesprochen haben, wohlwissend, dass wir aus physikalischen Gründen keine mehr gebrauchen können. Dem Vernehmen nach hatte unlängst der Bundesverband Windenergie zum Parlamentarischen Frühstück gebeten. Ob irgendeine BI-Gegenwind einmal die Chance bekommen würde, die notleidenden Abgeordneten zum Frühstück einzuladen?
Irgendwie stinkt das. Wie der Windkrafterlass des Umweltministers. Zunächst war es ein Geheimzirkel, der die ersten Pflöcke des Windenergieerlasses einschlug wie Fundamente einer WEA. Aber irgendeiner plaudert immer und es kam raus, was Wenzel den niedersächsischen Bürgern anzutun gedachte. Die Deutsche Presse Agentur-dpa enthüllte, was die Akteure unter der Decke versteckten. Einen sogenannten Expertenkreis, der sich aus Hardcore-Verfechtern der Windkraft zusammensetzt. So beispielsweise die Pleitefirma Windwärts, WEA-Anlagenhersteller Enercon, niedersächsische Unternehmerverbände, insgesamt sind 14 Industrielobbyisten und „nur“ zwei Naturschützer (NABU, BUND) dabei. Dem Vernehmen soll auch die Firma EnerPlan aus Göttingen dazugehören. Deren Internet-Attitüde: „Sauberer Strom und Artenschutz sind kein Widerspruch! Wir setzen Ihr Windenergieprojekt erfolgreich um, auch wenn es am Rotmilan oder an Fledermäusen zu scheitern droht oder wegen des Artenschutzes nicht umgesetzt werden konnte.“
Da wir gerade von Artenschutz reden. In dieser Hinsicht haben die Autoren den Artenschutz der Menschen vor graduellen physischen und physikalischen Beeinflussungen durch Windkraft im Erlass total unterschlagen, im Gegenteil, auf ausreichende Abstände zu Wohnbebauungen soll verzichtet werden. Mit welch menschenverachtender Energie die Interessensvertreter aus Politik, Wirtschaft und Natur ihre Reviere im Windkrafterlass kennzeichnen, ist ungeheuerlich.
Nach Bekanntwerden der „Verschwiegenheitsleckage“ steuerte das Umweltministerium am 13. August 2014 gegen. Es ließ verlauten – O-Ton: „…. wie gestern berichtet, erarbeitet das Umweltministerium derzeit gemeinsam mit dem Wirtschafts-, dem Landwirtschafts-, dem Innen- und dem Sozialministerium einen Windenergieerlass, der durch die Landesregierung noch bis zum Jahresende beschlossen werden soll. Im Sinne einer offenen Dialogkultur geschieht dies in einem Beteiligungsprozess mit dem Ziel der Abwägung aller betroffenen Interessen.“
In der Pressemitteilung des Ministeriums wird die Dialogkultur herausgestellt. Wer es glaubt, möge das glauben. Ich sehe in dem Nachkarten nur eine „Haltet-den-Dieb“-Reaktion der Geheimniskrämer. Dumm gelaufen, würde ich meinen. Auch kann mir keiner weismachen, dass es bei dem Erlass um das Kernstück „Energiewende“ gehen könne. So, wie der Erlass aufgestellt ist, ist er ministerialer Freibrief und Steigbügelhalter sowie Freischaufler von neuen Flächen, um die Begehrlichkeiten der Grün-Strom-Lobby ganz im Sinne des EEG zu befriedigen.
Ohne Rücksicht, ohne Sinn und wider besseren Wissens soll die Windenergie gepuscht werden. Die Hardliner reißen an der Trense, obwohl das einstige Rennpferd „Energiewende“ bereits ein toter Gaul ist. Zum besseren Verständnis: Je mehr Windkraftwerke ans Netz gehen, umso mehr Kohlekraftwerke müssen die gravierenden Erzeugungslücken schließen. Würde Herr Wenzel einmal verschärft darüber nachdenken, dann würde er erkennen, dass er mitnichten ein Klimaschützer ist.
Einzig die FDP muckt gegen die Wenzel-Pläne auf. Sie fordern deutlich größere Abstände zwischen WEA und Wohnbebauung. Insgesamt ein durchaus legitimes Anliegen, wenn nicht …, ja wenn die FDP nicht Opposition gewesen wäre. Aber muss man immer gegen etwas sein, nur weil man Opposition ist? Ich hatte den Eindruck, die Landtagsfraktion meinte es ernst. Denn sie hat auch den Eigentumsschutz der Häuslebauer im Blick, die um eine drastische Entwertung ihrer Immobilie angesichts der WEA-Flut fürchten müssen. Ich wünsche mir, die FDP würde insgesamt Farbe bekennen und sich mit einem klaren „Nein“ zum EEG positionieren. Kaputt machen würde sie damit nichts. Im Gegenteil, sie würde nur gewinnen.
Nach dem Besuch im Landtag machte ich mich auf den Weg zu mehr Politikverständnis. Wild entschlossen wollte ich die Errungenschaften der Energiewende erkunden, die dem Vernehmen nach an der Nordseeküste beispielhaft sein sollen. Mein Ziel sollten die Windräder bei Emden sein. Natürlich war mir bekannt, dass diese Anlagen Stromspitzen produzieren, die bei uns in Niedersachsen oder anderswo in Deutschland nicht gebraucht werden. Da die TenneT Deutschland dort oben einen kurzen Draht zur TenneT Holland gleich nebenan hat, werden die Erzeugungsspitzen, die hier nicht gebraucht werden, dorthin entsorgt. Ob dafür Geld fließt, sei dahin gestellt. Anzunehmen ist das jedenfalls nicht, wenn man die Beträge, die an EEG-Vergütungen in die Taschen der WEA-Betreiber fließen, mit dem Börsenerlös vergleicht.
Aber ich will nicht abschweifen. Gestern, gegen fünf Uhr Sommerzeit, stellte ich mein Navi auf „Effiziente Strecke“ ohne Autobahn ein. Frühmorgens waren die Straßen wohltuend leer. Möglicherweise, weil viele wegen der Zeitumstellung verpennt hatten. Keine Rübentrecker, keine Gespanne mit Maishäckselhängern oder Güllefässern. Beschaulichkeit rundherum. Hinter Neustadt am Rübenberge endlose Landschaft ohne Windräder. Haben die dort einen aktiveren Landrat als die Bürger im Landkreis Hameln-Pyrmont?
Ein ganzes Stück weiter Richtung Bremen, ich traute meinen Augen nicht, Kraniche auf einem frisch gebrochenem Acker. Ich hielt an. In der Ferne machte ich hunderte der stolzen Vögel aus, die sich zum Weiterflug sammelten. Gleich hinter mir Windräder. Ob die Kraniche die Räder vorgestern Abend im Anflug gesehen haben? Sind welche von ihnen von ihnen erschlagen worden? Mir fallen die Bilder von rastenden Kranichen auf unserem Golfplatz bei Bad Münder ein. Jedes Jahr, im Herbst und im Frühling kreuzen sie unser Weserbergland. Sie rasten hier, sie übernachten hier, sie ziehen weiter.
Die Gedanken kommen und …. gehen nicht. Das sind bleibende Eindrücke. In Emden angekommen ist mein erstes Ziel der Wybelsumer Polder, sozusagen gleich am Weltkulturerbe Wattenmeer. Dazu fällt mir nur ein: „Kein schöner Land in dieser Zeit…“ Meine Bilder sollen euch den Rest der Geschichte erzählen. Denn mir fehlen die Worte.
Bürgerreporter:in:Friedrich Schröder aus Springe |
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