Dealt Stadt Springe mit Bürgerdaten?
Sprengstoff im Artikel „Stadt gibt Daten online heraus“ auf Seite 6 des Deister Anzeiger vom 25. Februar: Dem Bericht zufolge sollen Bürgerdaten, sofern kein Widerspruch dagegen erhoben wird, durch externe Unternehmen verwertet werden. Dafür soll Geld kassiert werden.
Gegen die Speicherung, Verarbeitung sowie Auswertung höchstpersönlicher Daten im Rahmen des Melderechts ist nichts einzuwenden. Dass jetzt zwei private Firmen Auskünfte über persönliche Daten von Bürgern geben dürfen und dafür Geld kassieren, ist ganz sicher nicht im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes. Zwar sieht das Melderecht Auskünfte über persönliche Daten vor, wenn berechtigtes Interesse nachgewiesen werden kann. Aber wer entscheidet darüber? Die Stadt? Die zwei Privatfirmen?
Melderegisterauskünfte sind also recht fragwürdig, sie haben sogar einen bitteren Nachgeschmack, denn wie es in dem Artikel heißt, sind nicht nur Inkassounternehmen, sondern auch Adressverlage, Religionsgemeinschaften, Parterien etc. an validen Auskünften interessiert, will heißen, sie wollen auf bereinigte persönlichen Daten zugreifen.
Noch vor kurzer Zeit brachte der Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar, die Preisgabe persönlicher Daten auf den Punkt: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Doch dem Artikel nach haben wir nichts in der Hand, den Handel abzuwehren, außer man widerspricht dem energisch. Aber woher soll ein Bürger wissen, dass seine höchstpersönlichen Daten, die er der Kommune in Treu und Glauben gegeben hat, gehandelt werden?
Wie verträgt sich der Datenhandel mit dem niedersächsischen Melderecht, in dem es heißt: „Hauptzweck des Melderechts ist es, die Registrierung bestimmter Grunddaten sicherzustellen, die für die Feststellung und den Nachweis der Identität und der Wohnungen der Einwohnerinnen und Einwohner erforderlich sind, und zugleich einen wirksamen Persönlichkeitsschutz bei der Verwendung dieser Daten zu gewährleisten.“
Die geübte Praxis sieht also anders aus als die wohlfeilen Worte des Melderechts es zum Ausdruck bringen. Allein diese Diskrepanz konterkarriert das Bundesdatenschutzgesetz, das unter § 3 unter anderem die Datensparsamkeit und Datenvermeidung zum Inhalt hat. Wer will einem Bürger weis machen, dass ein Adressverlag, eine Kirche oder gar eine Partei ein berechtigtes Interesse an höchstpersönlichen Bürgerdaten haben könnte, außer, um sie als Vehikel zu nutzen, ihre eigenen idealistischen oder kommerziellen Ziele zu verfolgen.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund greift auch das Bundesdatenschutzgesetz: Die Stadt Springe hat es sich leicht gemacht, denn bevor sie den Adressenhändlern den Auftrag gab, mit Bürgerdaten zu dealen, hätte da nicht erst das schriftliche Einverständnis eines jeden einzelnen Bürgers und / oder gesetzlichen Vertreters vorliegen müssen? Liegt hier möglicherweise ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz vor oder ist das nur ein Mißverständnis? Es ist jedem Bürger zu empfehlen, bei der Stadt Springe einen Antrag auf Auskunftserteilung nach § 34 BDSG zu stellen, um sicher zu sein, wo seine höchstpersönlichen Daten gelandet sind.
Überdies sollte der weiteren Verarbeitung oder Nutzung der personenbezogenen Daten für Zwecke des Adresshandels, der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung widersprochen werden. Darüber hinaus sollten die Bürger die Stadt Springe gemäß § 35 Abs. 7 BDSG verpflichten, dass sie all jene Stellen, denen Daten zwecks Verwertung übermittelt worden sind, über die Unzulässigkeit der weiteren Datenspeicherung benachrichtigt. Außerdem sollte die Stadt verpflichtet werden, dass sie die einzelnen Bürger über den Vollzug der Datensperre schriftlich unterrichtet.
Gibt es ähnliche Fälle?
Bürgerreporter:in:Friedrich Schröder aus Springe |
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