Australien - der rote Kontinent (letzte Folge)
Australien hat sich zu einem wichtigen Reiseziel deutscher Touristen gemausert. Australien, so groß wie Europa, hat rund 18 Millionen Einwohner. Rund 70 Prozent davon leben in den 10 großen Städten, die überwiegend an den Küsten gelegen sind.
Immer wieder zog es uns Down Under, wie die Australier ihr Land liebevoll charakterisieren. Natürlich machte ich auch während der folgenden Reisen Notizen, doch das erste Tagebuch blieb einzigartig.
Jetzt möchte ich die www.myheimat.de-Leser teilhaben lassen an meinen Impressionen. Was nicht beschrieben ist, wird durch Fotos ergänzt, die nicht kompatibel mit der Geschichte sind, gleichwohl Geschichten erzählen.
Australisches Tagebuch Letzter Teil
von
Friedrich Schröder
Ufos gelandet
Ein letzter Blick auf den Uluru. Heute morgen zeigt er sich etwas blass, so als ob er uns auf diese Weise ein Zeichen geben will. Spinne ich, hat mich die Regenbogenschlange etwa auch in ihren Bann gezogen? Vor uns liegt ein langer Weg. Schaffen wir es bis Tennant Creek?
Das Outback zeigt sich vielgestaltig und vielfarbig. Es ist schön, wenn ein Büschel Spinnifexgras aus dem Rot des feinen Sandes leuchtet. Oder wenn abgestorbenes Gebüsch aussieht wie Ikebana, umrahmt vom schönsten Rot dieser Erde. Schön sind die Schattenspiele der Vegetation auf dem Sand. Oder die feinen Wellenzeichnungen auf den roten Dünen, die wie Ebbemarken im Wattenmeer aussehen.
Meine erste gute Tat an diesem Donnerstag ist es, einen Waran vor dem Überfahren zu retten. Auf der schnurgeraden Straße, auf dem Asphalt sehe ich ein Hindernis. Ist es ein Stück Reifendecke? Vorsichtshalber nehme ich den Fuß vom Gas und beim Annähern wird aus dem Reifengummi ein Waran, der nicht daran denkt, seine Energietankstelle‚ die heiße Straße zu räumen. Ich halte an. Ein schönes Tier, das sich schließlich bequemt, sich anmutig hinwegzuheben.
Einhundert Kilometer weiter passiert denn doch ein Maleur: Ein Schwarm Rosellas kreuzen uns und einer dieser Vögel klatscht an die Frontscheibe. Sorry.
Irgendwann erreichen wir den Steward Highway. Der Charme des Outbacks verliert sich allmählich. Weiden flankieren jetzt die Straße. Es mehren sich Rinderkadaver an den Straßenrändern. Etwa zwölf zähle ich bis Alice Springs. Hier tanken wir, kaufen Wasser, Früchte und machen noch eine kleine Pause.
Nicht, dass die Landschaft, durch die wir nun fahren, ihren Reiz verloren hat. Nein. Das Gegenteil ist eher der Fall. Wer schon in England war, glaubt in der Grafschaft Devon zu sein. Gleichmäßiges grün überzieht eine sanftwellige Weidelandschaft, die allerdings nicht von kleinen Orten wie in Südengland aufgelockert ist und daher monoton erscheint. Skelette überfahrener Kängurus mehren sich nun an den Straßenrändern.
Stopover in Barrow Creek. Dieses Roadhouse ist eine Kuriosität. Hier kann man Geld in zukünftige Drinks investieren. Es gibt weder Zinsen noch Inflationsausgleich. Man schreibt seinen Namen auf einen Geldschein, der dann an die Wand gepinnt wird. Geldscheine aus aller Herren Länder zieren die Wand mit Namen von Arthur bis Zoltan. Kommt man wieder vorbei, kann man seinen Schein zur Begleichung der Rechnung von der Wand nehmen. Hierzulande würde man das ‚Kundenbindung‘ nennen.
Nächster Ort ist Wycliffe Wells. Wir bleiben über Nacht. Noel, ein hochaufgeschossener, dürrer Australier, zeigt uns unser Zimmer im Wycliffe Well Roadhouse. Es ist o.k. Und ohne großes Brimborium begeben wir uns unter Umgehung der Dusche gleich ins Restaurant. Im Zentrum des Restaurants steht ein Billardtisch. Sechs Tische und 24 Stühle laden zum Sitzen ein.
Auf einem Regal stehen Weckgläser mit eingelegten Schlangen, die als Anschauungsstücke für Touristen wertvoll sind. Eine Informationstafel mit Zeitungsausrissen erzählt davon, dass in der Nähe Ufos gesichtet worden seien. Sowohl Aussis als auch Aborigines wollen sie gesehen haben. An die Begegnung mit der 3. Art erinnert eine Plastik auf der Tankstelle, eine Rakete mit drei grünen Männchen.
Ein etwa zehn Meter langer Ladentresen im Roadhouse trennt sechs große Getränkekühler von den Kunden. Sie sind angefüllt mit Dosen und Flaschen. 360 Biersorten, erklärt Noel, hält das Roadhouse für seine Gäste vor.
Nach einem riesigen Steak setzen wir uns mit einem Fosters nach draußen, beobachten einen Gecko, wie er anscheinend mit Haftschalen an Händen und Füssen an der Wand unseres Apartment rauf, quer und runter wetzt und dabei Insekten vertilgt. Auf dem Boden ist es ein Skink, eine Eidechse mit kurzem, dicken Schwanz, die hier für eine insektenfreie Zone sorgt.
Friedensreich Hundertwassers Vorlagen
Der letzte Tag im Februar gehört auch der Straße. Als Ziel stecken wir uns Mataranga. Satte 680 Kilometer nordwärts.
Über die Fahrt mit kurzem Stopp an den Devil’s Marbles und Tankstopps in Tennant Creek, Dunmarra und Mataranka lässt sich an sich nicht viel berichten. Die Devil’s Marbles sind die steinernen Eier der Regenbogenschlange, jenem Reptil, das die Mythologie der Aborigines beherrscht.
Einssein mit der Natur. Ganz sicher nicht zuletzt sehe ich sie wieder im Schatten von Eukalyptusbäumen sitzen, über die Regenbogenschlange und wer weiss was noch gestikulierend. Nicht zuletzt werde ich Aboriginalkinder sehen, wie sie mit den vielen bunten Dosen, die die Erwachsenen ausgetrunken um sich gehäuft haben, spielen. Coke, Sprite, aber ganz überwiegend zieren die Marken von XXXX, VB und Fosters die Dosenlabel.
Überhaupt fällt mir eine gewisse Sprachlosigkeit der Aborigines auf. Sie gehen in einen Laden, einen zerknüllten Geldschein in der Hand und stoßen wortlos mit einem Zeigefinger in die Richtung des Gegenstands, den sie kaufen wollen. Dieses Verhalten ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel, wie ich es bis zur Abreise beobachte. Nur die Kleinen, die noch nicht über die Ladentheke blicken, die nicht auf das zeigen können, was sie haben möchten, müssen sich der Sprache bedienen. Hoffentlich bleiben sie dabei und helfen auf diese Weise, die Sprachlosigkeit zwischen weiß und schwarz zu überbrücken.
Je weiter es nach Norden geht, je mehr wächst die Zahl der kunstvoll gestalteten Termitenhügel, die Termite Mounds. Ob Friedensreich Hundertwasser oder andere Kunstschaffende an der Formen- und Farbenvielfalt der naturgestalteten Insektenbauten Mass genommen haben?
In diesem Teil der Northern Territory erstreckt sich der Steward Highway nahezu schnurgerade. Kommt man über eine Bergkuppe, dann kann man den Highway kilometerweit einsehen.
Mataranka ist erreicht. Wir wollen zum Homstead Resort, um dort zu bleiben und um in den heißen Quellen zu baden. Die Straße zu dem abseits gelegenen Resort kreuzt den Roper River. Es muss vor kurzem heftig geregnet haben, denn die Straße ist bis zu 1,2 Meter überflutet. Eines der vielen Schilder an Straßen, die Flüsse kreuzen, ist Wirklichkeit geworden – Road Subject To Flooding. Es ist der einzige Weg zum Resort. Mataranka, heiße Quellen, ade. Katherine ist nun unser Ziel.
Weißbrustseeadler versus Fliegende Füchse
Ich buche eine Bootspassage auf dem Katherine River zu den Gorges, wie hier Schluchten genannt werden. Das sind tiefe Einschnitte, die Wasser, Geröll und Sand in Tausenden von Jahren in den Fels geschliffen haben. Die Fahrt mit dem Boot dauert zwei Stunden. Diese Zeit reicht, um die Kraft des Flusses zu erfahren, Felsmalereien der Aborigines zu besichtigen und für eine halbe Stunde Kurzweil zu haben. Zeit der Muße und darüber nachzudenken, was denn bis jetzt die Highlights dieser Reise gewesen sind.
Ich sehe das so: Wer als Tourist Augen hat zu sehen, der sieht sich tagtäglich einer anderen Landschaft gegenüber, mit Menschen aus aller Herren Länder und Tieren in einer Artenvielfalt, die unglaublich ist. Wer Ohren hat zu hören, der hört die tausend Stimmen der Natur, die der Vögel, die der Myriaden Zikaden, das Rascheln der Blätter im Wind und die Lieder, die der Wind in den Spalten der Sandsteinberge spielt. Und wer Sinne hat zu fühlen und zu riechen, der fühlt den heißen Atem des Outbacks, die feuchte Wärme der Regenwälder, den feinen Sand der unendlich langen Küsten unter den Füssen und den Geruch des Pazifiks. Was will ich mehr.
Jäh aus den Träumen gerissen erlebe ich, wie am Bootsanleger zwei Weißbrustseeadler in eine Kolonie Fliegender Füchse einfallen. Hunderte von ihnen hängen in den Eukalyptusbäumen am Ufer. Da ist ein Geschrei, als würde man in eine Möwenkolonie treten. Jungtiere gehören anscheinend zu den Lieblingsspeisen der Adler, wie mir später ein Scout erzählt.
Katherine liegt hinter uns. Das Landschaftsbild ändert sich. Flache Hügel mit Eukalyptus und Palmen säumen die Straße, die sich nun schlangengleich um und über Hügel und Berge windet. In Pine Creek biegen wir vom Steward Highway ab und fahren auf dem Kakadu Highway nach Jabiru.
Unser Ziel ist dort das Gagudju Crocodile Hotel. Es ist zweigeschossig und gebaut wie ein hungriges Krokodil. Durch das Maul gelangt man in die Rezeption, durch die Beine in die zweite Etage, in der wir das Zimmer 224 beziehen. Und in seinem Bauch ist ein tropischer Garten mit Swimming Pool angelegt. Um uns herum Natur pur. Papageien, Kolkraben, Kakadus und Vögel, deren Nähe wir nur durch ihren Gesang spüren.
Doch bis wir da sind, ist noch viel zu sehen. Beispielsweise Angler am Jim Jim River, die auf Baramundi aus sind. Wir sehen überschwemmtes Land. Aus dem Wasser ragen die Kronen von Palmen und Gumtrees, die wie Inseln auf dem Wasser zu schwimmen scheinen.
Gras mit über zwei Meter hohen Halmen wächst an der Strasse. Die Halme stehen nicht dicht an dicht. Man kann durch sie hindurchsehen wie durch einen Schleier. Alles schimmert in lichtem Grün, wie es heute modisch ist. Die Halme tragen Blüten wie Ritter den Federbusch am Helm.
Durch die Halme hindurch schimmern die Umrisse von Termitenhügeln. Das erinnert mich an irische Friedhöfe, auf denen man bewusst das Gras hoch über die Toten wachsen lässt. Und durch das hohe Gras fallen im Gegenlicht der Sonne die Schatten der Grabsteine. Zwischen ihnen palmenartige, hochwachsende Gewächse.
Eine Palmenart wächst zunächst gerade hoch. Dann verzweigt der Stamm. Jetzt sieht die Palme aus wie eine Hydra. Die vielen Köpfe des verzweigten Stammes tragen Blätterbüschel, die Beatlesfrisuren gleichen.
Im Billabong
Sonntagmorgen, es ist halb sechs, Unruhe treibt mich aus dem Bett. Ich fühle, dass ich heute noch etwas Besonderes erleben werde. Rein in die Klamotten, Fotoapparat und Fernglas geschnappt, und los geht es.
Ich finde mich am Ufer des Jabiru Sees wieder. Wolken türmen sich am Himmel. Die aufgehende Sonne versucht, aus dem Schatten der Wolken zu treten und malt dabei die Wolkenränder goldfarben an. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Nur ein wenig mehr und es würde regnen. Die Temperatur liegt so früh am Morgen schon bei rund 30 Grad Celsius. Da bleibt kein Fetzen trocken, da bleibt keine Kameralinse klar.
Alles ist beschlagen, denn mein Equipment hat wie ich die Nacht im klimatisierten Zimmer zugebracht und braucht lange, um sich der Umgebungstemperatur anzupassen. Der Sonnenaufgang ist fast vorbei, als ich mein erstes Foto in den ‚Kasten‘ bekomme. Macht nichts. Morgen wird es einen neuen Sonnenaufgang geben.
Um mich herum erwacht die Natur. Die unterschiedlichsten Vogelstimmen vereinigen sich und schwellen an zu einer Symphonie. Das ist Naturmusik im besten Sinne des Wortes.
Ich komme an einem Baum vorbei, an dem mir etwas fremdartiges auffällt. Ich fahre rückwärts. Und da sehe ich es. Jenes Tier, das wegen seiner Scheu und seiner Tarnung kaum gesehen wird. Es ist eine Drachenechse, ein Dragon Lizard. Sie scheint am Stamm zu kleben. Sie hat ihre Schabracke aufgestellt wie einen Regenschirm. Das ist so eine Art Überhaut hinter dem Kopf, die sie aufrichten kann. Normalerweise tut sie das nur, wenn Gefahr im Verzug ist. Denn dadurch vergrößert sie sich selbst und täuscht ihren Feinden einen größeren, stärkeren Gegner vor. Jetzt, am frühen Morgen, klebt sie am Stamm und sonnt sich, um Energie zu tanken. Dabei stellt sie die Schabracken auf und nutzt sie sozusagen als Sonnenkollektoren.
Ich mache mein Tele scharf. Steige aus dem Wagen. Schleiche mich an. Hebe die Kamera ans Auge. Da ist der Kobold weg. Ich gehe näher heran. Sehe die Hände und Füße den dünnen Stamm umschließen. Ich mache einen schnellen Schritt und sehe ihn völlig. Aber gleich ist er wieder hinter dem Stamm verschwunden. Hinter dem Stamm heißt 180 Grad. Er rückt weder einen Zentimeter nach oben noch nach unten. Er denkt nicht an Flucht. Er macht sich einfach nur unsichtbar.
Eine halbe Stunde treibt er mit mir sein Possenspiel. Dann gebe ich auf. Wenn ein Bild etwas geworden sein sollte, dann wird es gewiss nur seine Zehen zeigen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ist das der Lohn für frühes Aufstehen?
Mittags fahren wir mit dem Bus zum Magela River. Der Fluss hat die Straße nach Ubirr, einem heiligen Ort, der bereits im Arnhem Land liegt, überflutet. Wir steigen in ein Boot, sind nur sieben Passagiere. Ein Aussi und ein Aboriginal führen das Boot, sind unsere Pfadfinder und Informanten in Fragen zur Natur und Aboriginal-Kultur. Wir fahren auf einen Billabong.
Stahlblau gekleidete Kingfisher, das sind grosse Eisvögel, sitzen auf den Ästen von Benjamin Trees, die bei uns zu Wohnzimmerpflanzen verkommen sind. Adler Kreisen über uns. Plötzlich stößt der rechte Arm unseres Aboriginal nach links und weist auf ein Krokodil. Nur dreißig Meter von uns entfernt ruht es. Majestätisch. Regungslos. Seine Konturen, seine Schuppen, zeichnen sich im Fernglas scharf ab. Ist es eine Attrappe? Die Antwort bleibt aus.
Wir sind in Ubirr, in der Aboriginal Art Gallery. Die Felsmalereien sind eindrucksvoll. Sie erzählen Geschichten, die uns unser Guide erläutert. Wir lernen, einen Barramundi zu erkennen, einen Dingo, ein Känguru. Bilder sagen ja bekanntlich mehr als tausend Worte. Darüber muss man nachdenken. Auch darüber, was unser Scout gesagt hat. „We don’t like to live in the white culture. We like to live in our culture.” Ein einstudierter Satz? “The first language is the Aboriginal language,” führt er weiter aus, dabei kommt jedes Wort fast gequält aus seinem Mund, “and the second is an other binni dialect.” Ich begreife langsam, dass die Sprachlosigkeit der Aborigines, wie ich sie empfinde, keine ist, sondern dass die englische Sprache für sie praktisch keine Bedeutung hat.
An der Art Gallery von Ubirr kommt man nicht vorbei. Sie ist eine der Perlen im Kakadu National Park. An sechs verschiedene Orte bringt uns unser Guide. Immer andere Felsmalereien zeigt er uns. Sie sind unterschiedlich alt. 6.000, 1.000 oder einhundert Jahre? Immer wieder werden sie übermalt, so als ob es keine anderen, glatten Felswände gäbe.
Die Jagd, die Beute, die Feinde, die Freude und das Leid haben ihren Ausdruck in den Malereien gefunden. Doch das schönste Bild hat die Natur gemalt. Es erschließt sich allen, die den höchsten Punkt von Ubirr erklimmen. Der Scout: “What a remarkable place. You can’t see any aerial, no houses, no smoke from industry. What you see is an incredible view over a landscape which is now green and dried in summer.”
Unser Scout zeigt uns Mulden im Gestein, in denen noch Wasser steht, Kaulquappen schwimmen darin. Er erzählt von Fröschen und Kröten, die sich in der trockenen Jahreszeit in dunkle, feuchte Felsspalten verkriechen, um dann bei einsetzendem Monsun sofort jedes Wasserloch im Gestein mit Laich zu füllen. Er sagt, dass die Mulden zur Laichzeit überquellen von den Eiern der Amphibien und das sie auch Futter für Echsen und Vögel sind.
Es ist in der Tat erstaunlich, wie schnell man von der Umgebung gefangen wird. Wir verlassen den Ort mit seiner natürlichen Schönheit und fahren mit unserem Flachwasserboot zurück zum Ausgangspunkt. Unterwegs beobachten wir Adler beim Anflug auf ihren Horst, der in einem toten Baum im Billabong thront.
Unser Krokodil ist immer noch da. Seine Position hat er etwas verändert und ich frage unseren Guide, wer denn das Krokodil in diese Position gedreht habe. Spaß muss sein. So sieht er es auch und erzählt, dass er häufig solche Fragen beantworten müsse. Denn in der Verdauungsphase liegen die Echsen bekanntlich regungslos da, dass man meinen könnte, sie seien aus Plastik. Die letzte Etappe unserer Reise liegt vor uns.
In den Wetlands
Von Jabiru nach Darwin. Monoton zieht sich die Straße hin. Mit einem Auto pro Stunde ist der Arnemland Highway fast tödlicher als der monotone Teil ab Alice Springs nordwärts. Bis wir den South Alligator River kreuzen. Jetzt fahren wir auf dem Arnemland Causeway, einem langgestreckten Damm, mitten durch den unendlich weiten Billabong, eine jener natürlichen Senken, die im Sommer nie ganz austrocknen, aber in der nassen Saison anmuten, als stünde man in Ungarn vor dem Plattensee.
Hier dominieren jetzt Gänse unser Blickfeld. In großen Gruppen schwimmen sie auf dem Wasser und zupfen mit ihren Schnäbeln an Grashalmen, die keck den Wasserspiegel durchbrochen haben.
Wir bekommen auch Wasserbüffel zu sehen, deren Vorfahren um 1834 als Nutztiere von Asien nach Australien gebracht worden sind. Einigen von ihnen ist seinerzeit der Ausbruch aus ihren Koppeln gelungen. Sie haben sich selbst ausgewildert und ihre Population hat rasch zugenommen. Heute wird die Population der wildlebenden Wasserbüffel behördlich gemanagt.
Unterdessen erfreut sich das Fleisch der Wasserbüffel wie auch das der Krokodile wachsender Beliebtheit. Insbesondere bei Japanern.
Der Straßenverkehr verdichtet sich. Wir nähern uns der Zivilisation. Doch bevor wir in Darwin noch zwei Tage relaxen können, steht der Besuch der Krokodilfarm von Malcolm Douglas bevor. Fütterung 14.15 Uhr, sagt der Prospekt. Wir schaffen es leicht.
Fütterung, wieder gibt es Hühnchen im Federkleid. Ein Wärter wirft einem riesigen Krokodil ein Huhn zu. Es schnappt daran vorbei, blitzschnell schießt es nach vorn auf die beiden Wärter zu, die das Krokodil mit einem Migränestab mit harten Schlägen zurücktreiben. Man kann über Krokodilfarmen denken was man will. Für mich ist das eine spezifische Angelegenheit der Australier. Die Tiere werden großzügig gehalten und auch gut gefüttert, wie man sehen kann.
Auf Tracy’s Spuren
Darwin zeigt sich im Regen. Mit 2.254 Millimeter hat die nördlichste Stadt Australiens den regenreichsten Tag seit Jahren. Dreimal ziehe ich mich an diesem Tag um und immer noch habe ich das Gefühl, nass wie ein Pudel zu sein. Nichtsdestotrotz gehen wir los, die Stadt zu erkunden. Doch viel ist nicht da, was es zu erkunden gilt. Denn der Zyklon Tracy hat die Stadt Weihnachten ’74 zerstört und es stellte sich die Frage, ob sie überhaupt wieder aufgebaut werden sollte. Wir nehmen noch einen Drink in der Hotelbar, die eher ein Pub ist.
Die Dekoration der Bar ist dem Tracy gewidmet. Hier kann jeder Interessierte nachlesen, was damals geschah. Am Tresen hole ich ein letztes Foster Lager, ein allerletztes Hahn Ice Beer. Zwei Poster fallen mir auf. Das eine von VB und wirbt für sich mit „For a hard earned thirst.“ Das andere sagt: „Under 18’ offer! Your first drink only $ 2.000.“ Das ist eine ernstgemeinte Warnung an Jugendliche, Eltern und Wirtsleute.
Tracy – Schlagzeilen von damals:
Tracy wrecked 9.000 houses.
List of missing people growing.
Alice’s streets full of Tracy’s victims.
The night the boats flew.
Darwin, or what’s left of it.
Doch hoffnungsfroh auch diese headline:
We are down but not out.
Nur wenige Häuser widerstanden dem Zyklon. Und die Frage des Wiederaufbaus Darwins wurde heftigst diskutiert. Tradition, Pioniergeist und der Wille, die nördlichste Stadt Australiens bestehen zu lassen, beugten die Politik. Darwin wurde mit zyklonsicheren Gebäuden wieder aufgebaut.
Die Macht des Faktischen
Als mich der Portier heute morgen fragt, wo es denn hingehen solle, sage ich, zurück nach Deutschland. Ob es mir denn gefallen habe, fragt er weiter, natürlich antworte ich. Ob ich denn wiederkommen werde, ja, sage ich, aber nicht nach Darwin um diese Zeit. Er lacht und empfiehlt, im Juni/Juli wiederzukommen. Dann sei in Darwin die schönste Zeit. Bis zum Abflug liegen noch einige Stunden vor uns. Wir fahren zum East Point von Darwin, der während des Angriffs der Japaner auf Australien eine wichtige militärische Rolle gespielt hat. Inmitten der Natur steht hier ein kleines Militärmuseum, in dem an den Wahnsinn von damals erinnert wird.
Das riesige Areal am East Point ist Natur- und Erholungspark und gleichzeitig Refugium für Hunderte von Kängurus, die uns zur Stunde des Abschieds von Australien traurig mit ihren braunen Knopfaugen anschauen.
Von Ort zu Ort
Sydney – Port Macquarie
Port Macquarie – Byron Bay
Byron Bay – Tannum Sands
Tannum Sands – Townsville
Townsville – Cairns
Cairns – Alice Springs
Alice Springs – Ayers Rock
Ayers Rock – Wycliffe Wells
Wycliffe Wells – Katherine
Katherine – Jabiru
Jabiru – Darwin
Auch wenn diese Reise einige Jahre zurück liegt, hat sie nicht an emotionaler Bedeutung verloren. Wer dort war, kehrt wieder. Bis zum nächsten Mal. Tschüs!
Bürgerreporter:in:Friedrich Schröder aus Springe |
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