Australien - der rote Kontinent (IV)

... Sonnenlicht in Parabolspiegeln - Hermannsburg macht sechzig Prozent Strom aus Sonne ...
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Springe | Australien hat sich zu einem wichtigen Reiseziel deutscher Touristen gemausert. Australien, so groß wie Europa, hat rund 18 Millionen Einwohner. Rund 70 Prozent davon leben in den 10 großen Städten, die überwiegend an den Küsten gelegen sind.

Immer wieder zog es uns Down Under, wie die Australier ihr Land liebevoll charakterisieren. Natürlich machte ich auch während der folgenden Reisen Notizen, doch das erste Tagebuch blieb einzigartig.

Jetzt möchte ich die www.myheimat.de-Leser teilhaben lassen an meinen Impressionen. Was nicht beschrieben ist, wird durch Fotos ergänzt, die nicht kompatibel mit der Geschichte sind, gleichwohl Geschichten erzählen.

Australisches Tagebuch Teil 4
von
Friedrich Schröder

Die Natur malt immer noch am schönsten

Nur ungern checke ich im Tradewinds Trinity aus. Man mag sich über meinen sentimentalen Anflug amüsieren. Ein harter Macker hat ja keine Gefühle zu haben. Oder? Doch ein Stück von mir bleibt in Cairns zurück.
Bis zum Abflug nach Alice Springs haben wir noch Zeit. Wir fahren noch eine Weile mit dem Auto durch das Umland. Aber bald stellt sich heraus, dass wir dafür nicht in der richtigen Laune sind.
Kurz entschlossen fahren wir nach Cairns zurück, parken das Auto in einer Nebenstraße und bummeln zum Pier. Er gehört heute überwiegend den Einheimischen. Aborigines flechten aus den Blättern von Palmenwedeln Hüte, Körbe und Vögel. Zwischendurch wird auch mal auf einem Didgeridoo getutet.
Bei einem kleinen Imbiss, einer letzten Tasse Tee und einem letzten Cappuccino nehmen wir beide in Gedanken versunken Abschied von Cairns. Uns erwartet jetzt die zweite Hälfte unseres Urlaubs, die wir im Outback und im Norden, im Kakadu National Park, verbringen wollen.
Der Flug nach Alice Springs dauert rund zweieinhalb Stunden. Über den Atherton Tablelands rütteln Turbulenzen am Flugzeug, aber dann verläuft der Flug mit der BAe 148 sanft und beschaulich.
Vogelflug: Aus 10.000 Meter Höhe sehe ich ein permanent wechselndes Bild. Ausgetrocknete Flussbetten durchschneiden das rote Land in sanften Mäandern, von irgendwo kommend, nach anderswo gehend.
Es hat vor kurzem geregnet. Das erkenne ich daran, weil es an den Rändern und in den Flussbetten grünt. Ich sehe Grünschattierungen, wie ich sie nur auf den Gemälden von Aborigines gesehen habe. Zwischen den Grüninseln verbrannte Erde, deren Schattierung von Karminrot bis Rostrot reicht. Es sind Farben, die keiner europäischen Norm entsprechen.
Plötzlich wechselt das Landschaftsbild. Wie Pyramiden- oder Kegelstümpfe ragen Berge aus der Ebene. Die Flanken der Berge sehen aus wie der Zick-Zack-Balg eines Akkordeons. Falte neben Falte, extrem gleichmäßig. Während ich in Gedanken versunken nach den richtigen Worten für das unglaubliche Naturgemälde suche, setzt das Flugzeug zur Landung in Alice Springs an.
In Alice Springs sind wir am ‚A‘ der Welt. Wir übernehmen unseren Geländewagen Suzuki Vitara. Ich brauche nicht lange, um mit dem Fahrzeug klarzukommen. Aber es säuft noch einige Male ab, weil ich vergesse, dass das Auto nun Schaltgetriebe hat.
Das Alice Springs Pacific Resort scheint voll belegt zu sein. Es hat etwas Koloniales an sich. Lange Gänge, polierte Nummernschilder aus Messing an den Türen, Männer in Shorts und Kniestrümpfen – das hat was. Auch der Koch, der gegrilltes Kängurusteak anbietet. Ich probiere ein klitzekleines Stück davon. Leider denke ich beim Kauen des Fragments eines der australischen Wappentiere zu sehr nach und verzichte fortan auf dieses Fleisch. Unterdessen meldet sich unser Ballonpilot. Um 4.15 Uhr sollen wir abgeholt werden. Das heißt, dass wir etwas schneller schlafen müssen.

Zoff mit den Blowies

3 Uhr 30 klingelt der Wecker. Jetzt wird es ernst mit der Ballonfahrerei. Mit uns warten noch andere Gäste des Hotels darauf, abgeholt zu werden. Am Bus angekoppelt ist ein Anhänger mit dem Ballonzubehör. Ich zähle nach, gehen wir alle in diesen Korb? Scheinbar. Bei Stockdunkelheit klappern wir mehrere Hotels ab. Der Bus füllt sich.
Wir fahren am Flughafen vorbei ins Outback. Irgendwo in einem ausgetrockneten Flussbett, oder ist es eine unbefestigte Straße, halten wir an. In breitestem Slang erklärt uns unser Chefpilot, dass er jetzt einen Luftballon aufsteigen lassen werde, um an seinem Verhalten Auftrieb, Windrichtung und -geschwindigkeit abzulesen.
Im Kegel zweier starker Scheinwerfer steigt der Luftballon auf. Unser Pilot verfolgt seinen Flug mit Spannung. Ist es der richtige Ort, abzuheben? Nein, noch nicht! Und weiter rumpelt der Kleinbus in den beginnenden Morgen. Nach etwa zehn Minuten der nächste Halt. Das Spiel wiederholt sich. Jetzt müssen Aufstieg und Flugrichtung des Luftballons das Wohlgefallen des Chefpiloten gefunden haben.
Hektik kommt auf. Wir werden gebraucht. Korb anheben, Ballonhülle ausziehen, Öffnung der Hülle hochhalten, bis die Arme schwer werden. Mit einem motorgetriebenen Ventilator wird Luft in die Hülle geblasen. Das reicht aber nicht, sie aufzurichten. Der Pilot zündet einen der zwei Brenner. Mehr als zwei Meter lange Feuerlanzen heizen die Luft in der Hülle auf. Langsam richtet sie sich auf.
Es ist noch dunkel, als wir abheben. Aber über der nahegelegenen Bergkette beginnt es, sanft zu glühen. Der Tag kündigt sich an. Im Korb ist es eng. Sechzehn Passagiere plus Pilot teilen sich den Korb mit sechs riesigen Gasflaschen. Wir können uns kaum bewegen, kaum drehen.
Mir hat ein Heißluftballonfreak einmal erzählt, die Fahrt mit dem Ballon sei die reinste Erholung, Ruhe, Ruhe, Ruhe. Denkste: Die Brenner machen einen ohrenbetäubenden Lärm. Ich stehe im Korb neben dem Piloten. Jedes Mal, wenn er einen Brenner zündet, glaube ich, dass mir die letzten Haare auf dem Kopf abgesengelt werden. Ich entdecke über mir einen Hitzeschild. Ich halte meinen Kopf darunter, während der Pilot seine Flammenspiele betreibt. Nur in den kurzen Pausen zwischen den infernalischen Flammenstößen dürfen wir der Natur lauschen, dann hören wir Vogelstimmen, das melodische Zwitschern der Lorikeets und Wellensittiche, die zwischen dem dürren Gesträuch schwärmen.
Da, zwei Kängurus. Die Ersten, die wir in Australien in freier Wildbahn erleben. Der Schatten unseres Ballons kommt über sie und sie geben Gas. Mit weiten Sätzen hüpfen sie davon. Wir fahren nicht höher als achtzig Meter mit dem Ballon. Irgendwann muss er doch einmal höher steigen?! Nach einer halben Stunde landet der Ballon mit seiner Last, die höher zu heben den Gasvorrat wohl noch schneller verbraucht hätte. Einige steigen aus. Gasflaschen werden getauscht.
Am Ende der Ballonfahrt steht wieder harte Arbeit. Alle müssen anpacken. Also in die Hände gespuckt. Der Schweiß rinnt schon beim Nichtstun. Und Milliarden kleiner schwarzer Fliegen stürzen sich auf dich. Es sind die Blowflies, kurz Blowies, ganz gewöhnliche Sch(m)eißfliegen. Kein Mensch weiß um ihre Aufgabe im Makrokosmos dieser Erde. Es ist die Hölle. Die Schutzlosen, unangepassten Menschen, wedeln mit ihren Händen um den Kopf herum und versuchen so, der Fliegen Herr zu werden. Outbackprofessionals tragen so eine Art Imkernetz über dem Kopf oder Hüte mit Troddeln an der Krempe, die die Fliegen irritieren sollen.
Die Augen sind neben den Ohrmuscheln bevorzugtes Ziel der schwarzen Plage auf der Suche nach Feuchtigkeit. Die Ohren. Gleich mehrere Fliegen auf einmal versuchen in meine Gehörgänge zu kriechen – ein Gefühl, das dich auf die Palme treibt. Irgendwann haben wir es geschafft, die Hülle in einen Sack zu stopfen und diesen auf den Anhänger zu wuchten. Ob ich mir wohl so ein Imkernetz besorgen sollte? Nach einem zünftigen Frühstück im Outback bringt man uns wieder zum Hotel zurück.
Während Monika einige Runden im Swimmingpool dreht, schlafe ich erst einmal aus. Die Sonne steht hoch am Himmel, als ich die klimatisierte Kemenate verlasse und in das gleißende Licht trete. Die Hitze haut mich um.
Am Nachmittag entschließen wir uns zu einer Übungsrunde mit dem Vitara. Zwei kleinere Parks, Simpsons Gap und Standley Chasm, westlich von Alice Springs auf dem Weg nach Hermannsburg sind unsere Ziele, sie versprechen uns Natur pur. Wir fahren gerade die befestigte Straße nach Simpsons Gap, da läuft uns ein ausgewachsener Waran über den Weg. Anhalten, abschnallen, Kamera auspacken und raus aus dem Wagen – zu spät, er ist weg.
Simpsons Gap ist ein Flusseinschnitt in einer geologischen Verwerfung. Schicht um Schicht hat die Erosion das Profil des Gesteins freigelegt, und Mineralien, beispielsweise Quarze, glänzen in der Sonne. Zwischen den Quarzschichten ockerfarbenes Gestein. Im Flussbett sind noch einige mit Wasser gefüllte Vertiefungen. Sie dienen Sittichen, Bergkängurus und anderen Tieren als Tränke. Apropos Sittiche: Schwärme umfliegen uns. In Freiheit. Es ist ein schönes Bild. Eigentlich bin ich kein Freund jener Vögel, die in Käfigen eingesperrt dumm in einen Spiegel schauen, im Wohnzimmer umherfliegen, überall hinschieten und die Butschi heißen.
Hier, wo die Natur den Vögeln freien Flug erlaubt, gewinnen die Wellensittiche. Es ist ein schönes Bild, wie sie durch die Luft schwirren, und es aussieht, als tanzten sie Wiener Walzer. Die Sittiche in den Wohnzimmern und Küchen daheim können davon nichts wissen. Sie haben niemals das Zirpen der Zikaden und Grillen gehört. Sie haben niemals unbeschwert im Schwarm in Freiheit fliegen dürfen. Freiheit für alle eingesperrten Sittiche!
Im Standley Chasm kapituliere ich. Nach den ersten 200 Metern zum Bergeinschnitt habe ich derart die Nase von diesen kleinen schwarzen, supralästigen, nervenden und schrecklichen Fliegen voll, dass ich umkehre. Monika mit Netz über dem Kopf (hat sie gefunden) geht weiter. Wisst ihr, wie es ist, wenn einem Fliegen in die Gehörgänge kriechen. Bzzzzzzz – jeiiiinng – bzzzzzz. jeiiiinng immer dann, wenn die Viecher im Gehörgang wenden wollen. Ein grauenhaftes Geräusch, eine Folter.
Dass nicht nur die Menschen unter den Fliegen zu leiden haben, sehen wir in der Nähe deiner Trabrennbahn am Südrand von Alice Springs. Die an verdorrtem Gras knabbernden Pferde tragen aus Fliegendraht geformte Masken, die Nüstern, Augen und Ohren schützen. Was für die Pferde recht ist, ist mir billig. Zurück in Alice Springs kaufe ich sofort eines dieser Fliegennetze. Danach steuern wir einen Pub an. Sie trägt den Namen „Dunny“. Im Pub erfahren wir auch, woher die Kneipe ihren Namen hat. Überall an den Wänden hängen Kollagen mit allen möglichen Ausführungen, Maßblättern und Bauanleitungen für Outback-Toiletten. Sie tragen den Titel „Dinkum Outback Aussi Dunny“ und sind so etwas wie eine Enzyklopädie australischer „Donnerbalken“.

Allein im Outback

Wir verlassen Alice Springs gegen 8 Uhr 30. Vor uns liegt eine Strecke von rund 460 Kilometern bis zum Ayers Rock. Tank voll, fünf Literflaschen Wasser, einen Beutel mit Apfelsinen und eine Handvoll Bananen eingekauft und ab geht’s ins Outback. Wir verlassen den Stuart Highway bei der Homestead Henbury, einer Farm mitten im Busch.
130 Kilometer liegen hinter uns. Jeder Fotostopp wird trotz des Fliegennetzes zur Plage. Aber was beklage ich, ich habe das doch gewollt! Also muss ich da durch. Auch durch die trockene Hitze von gut 45 Grad Celsius. Jetzt glaube ich zu wissen, was es heißt, „die Luft brennt“. Wir verlassen den Highway und fahren weiter auf der Earnest Giles Road. Das ist ein unbefestigter, breiter Weg, der abwechselnd aus Schotter und feinstem roten Sand besteht. Ihn fahren wir jetzt in Richtung Wallara. Das sind zwar nur knapp 100 Kilometer, sie verlangen aber höchste Konzentration. Zwischendurch machen wir einen Abstecher zu den Meteorit Craters. Hier ist mal ein Meteoritenschwarm runtergekommen und hat ein paar ordentliche Löcher in den Boden geschlagen.
Die Gravel Road, wie solche unbefestigten Straßen hier nennt, wird immer wieder von Flussbetten gekreuzt. Man muss höllisch aufpassen, denn die Durchfahrten sind trügerisch und das Wissen allein, ein Allradfahrzeug zu haben, beruhigt nicht. Straßenschilder warnen vor Bull Dust. Das sind Auswaschungen im Boden, in denen sich roter Sandsteinstaub angesammelt hat. Man erkennt sie nicht, sondern fühlt sie nur, wenn man hineinfährt.
Plötzlich, wie abgeschnitten, ändert sich die Vegetation. Wo vorher Eukalyptusbäume in Fluss- und Bachbetten wuchsen und auf diese Weise einen Hinweis darauf gaben, dass irgendwo in der leichten Krume Feuchtigkeit ist, wachsen jetzt Pinien in roten Wanderdünen.
Gegen 12 Uhr 30 erreichen wir das Ende der Gravel Road. Eine neue Asphaltstraße verspricht eine luxuriöse Zufahrt zum Ayers Rock. Noch 70 Kilometer bis zum Lassiter Highway sind es und noch weitere 60 Kilometer bis Curtain Springs, der einzigen Tankstelle weit und breit. Links glitzert es hinter den roten Dünen. Eine Fata Morgana, eine Halluzination? Wir halten an. Rauf auf eine Düne. Vor uns liegt ein ausgedehnter Salzsee, Kontrast in blendend weiß und rot, und in der Ferne erhebt sich der Mount Connor, der von aufgeregten Reisenden häufig mit dem Ayers Rock verwechselt wird.
Über Curtain Springs ist nicht viel zu sagen. Außer, dass hier das Ende der Welt zu sein scheint. Tanken, Tee, Kaffee. Ein Aboriginal zeigt mit dem Zeigefinger auf Monikas Zigarette. Er macht eine Bewegung zum Mund. Monika gibt ihm eine. Er nimmt sie wortlos entgegen.
Auf dem Outback Dunny scheinen sämtliche schwarzen Fliegen des Outbacks Zuflucht vor der brüllenden Hitze genommen zu haben. Die Augen auf die Wand gerichtet, wedelt die andere Hand die Fliegen beiseite. Und wieder so ein sinniger Ausdruck australischen Humors an der Wand: „Bulls with short horns stand closer to the trough.“
Am Nachmittag erreichen wir das Ayers Rock Resort. Sails in the Dessert, unser Hotel, entpuppt sich als eine gelungene Synthese zwischen Natur und Architektur. Die Segel im Wind sind die Decken der geduckten Gebäude. Behutsam dominieren sie das sehr geometrische Design der bis zu dreigeschossigen Bauten, die blockweise durch luftige Übergänge miteinander verbunden sind. Inmitten des Atriums ein Swimmingpool von etwa 150 Quadratmetern und eine Grünanlage, auf der sich pinkfarbene Kakadus scharenweise eingefunden haben.
Trotz der anstrengenden Fahrt touren wir gleich zum Ayers Rock. Allein die Umfahrt während der Abenddämmerung zeigt uns einige der vielen Gesichter des von Flugsand glatt geschmirgelten Rotsandsteinberges, der sich scheinbar ohne Ankündigung aus dem Boden erhebt und für die Aborigines die höchste spirituelle Bedeutung hat.

Im Banne der Farbenspiele
Der vielbeschriebene Sonnenaufgang am Ayers Rock treibt uns anderentags früh aus dem Bett. Als wir am Point of Sunrise ankommen, warten bereits Hunderte auf das Naturspektakel. Es stellt sich ein. Es ist nicht meine Art, übertrieben zu schwelgen. Aber der Anblick dieses Farbenspiels hat die 16.000-Kilometer-Reise gelohnt.
Anschließend machen wir uns zu Fuß auf den neun Kilometer langen Rundweg um den Ayers Rock, dem Uluru, wie er in der Sprache der Aborigines heißt.
Viele Touristen entscheiden sich, den Monolithen zu besteigen. Bei Hitze und Trockenheit kann das für manch einen tödlich sein, wie es wenige Tage zuvor gezeigt hatte. Ein Japaner erlag beim steilen Aufstieg einem Herzinfarkt, wie die Lokalzeitung berichtete.
Eigentlich wollte ich über die lästigen schwarzen Fliegen nicht mehr reden. Aber schon in der Dämmerung lauern sie auf die Touristen, die es zum Sonnenaufgang an den Ayers Rock gezogen hat. Ich stülpte mein neues Netz über den Kopf.Ein unangenehmes Gefühl beschleicht mich, als ich die Welt plötzlich durch ein Netz betrachtete. Das nervte mich und ich nahm es wieder ab. Aber ohne Netz? Die Lösung: Ich drehte Pfropfen aus Kleenextüchern und stopfte diese in die Ohren. Dann brach ich einen Zweig von einem Eukalyptusbaum und wedelte damit vor dem Gesicht. Mit den wenigen Fliegen, die durchkamen, schließ ich Frieden. So einfach ist das.
Es ist schon was dran, wenn gesagt wird, nehmt genug Wasser mit und trinkt, trinkt. Die infernalische Hitze von über 40 Grad Celsius, die niedrige Luftfeuchtigkeit und ein ständig wehender, leichter Wind nimmt den Schweiß auf dem Körper gleich mit. Wenn man nicht genug trinkt, riskiert man seine Gesundheit.
In die nordwärtige Oberfläche des polierten Sandsteinbergs haben Wind und Sand die Gestalten von Menschen und Tieren geschmirgelt. Hier müssen unterschiedlich harte Gesteinsschichten sein. Aus Spalten und Falten des roten Berges schimmert zartes Grün. Dies, und die allgegenwärtigen Stimmen der Natur, etwa das Singen des Windes in den Aushöhlungen oder die Vogelstimmen, lassen eine Ahnung aufkommen, wie die Ureinwohner davon beeinflusst wurden, sich Mythen und Götter schufen und bis heute den Glauben daran beibehielten.
Darüber informieren Informationstafeln entlang des Rundwegs. Etwa: „Around You is one of the oldest continuing culture in the world. Since ancient times Uluru has been a place of learning and discovery. Its physical feature has helped to explain how humans and nature are one. Everything, the smallest detail, has a part to play. Take a moment to look and discover life here.”
Die Höhlenmalereien nehme ich nur am Rande wahr. Mir geht etwas anderes durch den Kopf. Nämlich der Anspruch des Zitats. Ich teile das, was da geschrieben steht. Es beschreibt die Synthese zwischen Mensch und Natur und ihr friedliches Miteinander. Die Aborigines darin zu unterstützen, müsste daher jedermanns Ziel sein.
Trifft das auch für die Nachkommen der aus Asien stammenden Ureinwohner zu? Ich habe meine Zweifel, denn die Zivilisationsschäden sind unübersehbar und scheinbar irreparabel. Man sieht die Ureinwohner in der Nähe von Kneipen rumhängen. In vielen Pubs hängen offen Listen aus, die überschrieben sind mit Banned Life, der Liste jener, die lebenslang Lokalverbot haben, aus welchen Gründen auch immer.
Während ich das aufschreibe, fällt mir noch ein anderes Zitat ein, das ich im Ayers Rock Kulturzentrum aufgeschrieben habe: „The women gathered enough food for everybody…“ Das scheint heute noch so zu sein. Sie leben in Gruppen in ausgetrockneten Betten von Bächen und Flüssen unter Eukalyptusbäumen. Lautstark unterhalten sie sich etwa über das Leben mit den Geistern und mit der Natur oder wer die nächste Runde holt?. Ihre Worte unterstreichen sie mit wilden Armbewegungen und schwenken dabei Dosen mit Fosters, VB oder XXXX. Ich könnte heulen über diesen Anachronismus. Und ich wünsche mir, dass das, was ich sehe, nur die Ausnahme ist und nicht die Regel. Ich will mir nichts anmaßen, aber nachdenken und darüber reden wird man wohl dürfen: Der australische Staat stellt jedes Jahr Milliarden Dollar für die Erhaltung der Aboriginal-Kultur bereit. Und was passiert damit? Nordamerika im Spiegel.
Anderes Thema. Betrifft noch einmal die Sittiche, die in Deutschland überwiegend ‚Butschi‘ heissen. Woher kommt dieser Name? In der Sprache der Aborigines heissen sie Kiilykiilykari. Auf Englisch: Budgerigar. Ausgesprochen ‚Budji‘. Nun wisst ihr es.
Unser nächster Trip führt zu den Olgas, den Kata Tjuta. Das ist ein Haufen von mehr oder weniger rundgeschliffenen Kuppen, die sich über der roten Erde erheben. Sie tragen einen deutsch klingenden Namen, weil ihre Entdeckung von einem Deutschen gesponsort worden ist, was ihm gestattete, diesem Komplex einen Namen zu geben. Er entschied sich, die Berge nach einer württembergischen Adligen mit Namen Olga zu benennen. Erinnerten den Deutschen die runden Hügel etwa an die Rundungen der Adelsfrau?
Wir klettern in Olgas Schoss. Kein Windhauch fächelt frische Luft. Es geht bergan. Der Schweiß rinnt in Strömen; mit langen Schlucken rinnt warmes Wasser die Kehle herunter. Der Lohn für diese Mühe ist ein fantastischer Ausblick ins Outback. Danach beschließen wir, den Rest des Tages Urlaub zu machen. Doch zwei tierische Begegnungen werde ich ganz sicher nicht vergessen: Die mit einem anderthalb Meter langen Waran am Ayers Rock, und einer Echse in der Nähe der Olgas, die gerade dabei war, ein Nest von Skorpionen auszuheben, um diese dann zu verspeisen.

Bürgerreporter:in:

Friedrich Schröder aus Springe

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