Australien – der rote Kontinent (II)
Australien hat sich zu einem wichtigen Reiseziel deutscher Touristen gemausert. Australien, so groß wie Europa, hat rund 18 Millionen Einwohner. Rund 70 Prozent davon leben in den 10 großen Städten, die überwiegend an den Küsten gelegen sind.
Immer wieder zog es uns Down Under, wie die Australier ihr Land liebevoll charakterisieren. Natürlich machte ich auch während der folgenden Reisen Notizen, doch das erste Tagebuch blieb einzigartig.
Jetzt möchte ich die www.myheimat.de-Leser teilhaben lassen an meinen Impressionen. Was nicht beschrieben ist, wird durch Fotos ergänzt, die nicht mit der Geschichte im Zusammenhang stehen, die aber eigene Geschichten erzählen.
Australisches Tagebuch Teil 2
von
Friedrich Schröder
Standen Ruderboote Modell?
Wir sind in Sydney. Es regnet. Bindfäden. Heinz und Wilma erwarten uns. Ich erkenne sie gleich wieder. Die Begrüßung ist herzlich. Beiden ist eine gewisse Rührung anzusehen. Auch ich bin davon nicht frei. Heinz überbrückt. Er erzählt vom Start in Australien. So nebenbei erfahren wir eine Menge über Lebensart und Einstellung der Australier.
Noch im Flugzeug habe ich mich entschlossen, den Leihwagen außerhalb von Sydney zu übernehmen. In Narrabeen, dort wo Wilma und Heinz wohnen, ist eine Avis-Station. Ein weiser Entschluss, wie sich herausstellt. Linksverkehr, Rechtssteuer, traffic jam – kein Thema für mich. Aber wo parken?
Unser Hotel – The Wentworth – ist ein modernes Stadthotel. Unser Zimmer ist noch nicht frei. Es ist auch erst 8.00 Uhr. In einer Gäste Lounge duschen wir, putzen uns die Zähne. Das ist nötig.
Sydney – wir sind da. Zuerst ist die Oper dran. Auf Bildern von Postkarten und Reiseprospekten ist sie meist niedlich in das Hafenbild integriert. Aber sie ist ein gewaltiges, archaisch anmutendes Gebäude mit schwungvollen Baulinien. Sie sieht aus, als habe man Ruderboote mit dem Bug nach oben aneinandergelehnt zum Trocknen aufgestellt.
Es regnet immer noch. Es ist ein Jammer. Wir fahren nach Australien und kommen aus dem Frost Norddeutschlands unter Umgehung der Traufe in den Regen. Haben wir das verdient? Wir fahren nach Narrabeen.
Es ist ein schönes Zuhause. An einen felsigen Hang geschmiegt wirkt das Haus, als strecke es sich der mit Eukalyptus bewachsenen Senke entgegen wie die Fürstenloge in der Semper Oper zu Dresden der Bühne. Es gibt viel zu erzählen. Denn Wilma und Heinz sind seit 35 Jahren in Australien. Sie sind zu einer Zeit hierher gekommen, als das Land begann, wirtschaftlich den Anschluss an den Rest der Welt zu bekommen. Dazu waren Fachkräfte mit Pioniergeist nötig.
Wilma und Heinz nutzten ihre Chance und dürfen nun stolz auf ihren Erfolg zurückblicken. Wir haben Fragen über Fragen, auf die Wilma und Heinz keine Antwort schuldig bleiben. Und immer, wenn Wilma sagte, etwas zu tun gedachte und es äußerte, sagte Heinz: Do dat (that) darling. Die Mischung aus Plattdeutsch und Englisch war nicht zu überhören.
Später kommen die beiden noch in Deutschland geborenen Töchter Sigrid und Bärbel mit ihren Kindern hinzu. Wir alle spüren die Bedeutung der Begegnung und wir alle wissen, dass es nicht die Letzte gewesen sein dürfte. So langsam stellt sich Müdigkeit ein. Es ist Zeit, zu gehen.
Sydney, junge Stadt, mit Spuren der Geschichte
Ein Blick aus dem Fenster sagt alles. Es regnet und die Wettervorhersage verheißt nichts Gutes. Auf ein Frühstück inmitten der allgegenwärtigen Söhne und Töchter Nippons verzichten wir. Statt dessen mischen wir uns in der Hotelgalerie unter die Australier, bestellen Tee, Kaffee und Toast.
Da ich noch etwas Zeit habe, bis Wilma und Heinz kommen, gehe ich nach dem Tee zum Hotelfriseur. Mit der Friseuse komme ich gleich ins Gespräch. Sie ist polnischer Abstammung, ihr Mann ist ein Schweizerdeutscher. Sie erzählt mir, dass sie in diesem Jahr zwei Monate in die Schweiz und nach Polen fahren wird. Ich wünsche ihr Glück.
Sydney droht buchstäblich im Wasser zu ertrinken. Don’t worry! Es gibt Regenschirme. Und kalt ist es auch nicht. Monikas Kulturhunger hat durch das Wetter Nahrung bekommen. Wir gehen zur Oper, um Karten zu kaufen. Die ‚Fledermaus‘ wird gespielt. Ich ergebe mich meinem Schicksal. Wir setzen unsere Stadterkundung fort. Der Weg führt entlang des Pier zum Rock, einer kleinen Erhebung am Wasser. Auf ihr entstanden die ersten Häuser von Sydney. Von hier aus entwickelte sich die Region. Und hier befindet sich ein Brückenkopf der Harbour Bridge, die zusammen mit der Oper das Hafenbild prägt. Man hat sich bemüht, das alte Ambiente beizubehalten. Einige architektonische Ausrutscher sind gleichwohl erkennbar. Aber wo gibt es die nicht?
Der Regen nimmt keinen Einfluss auf unsere gute Laune. Mittlerweile sind wir pladdernass und es macht uns nichts aus. Vom Rock gehen wir eine steile Treppe hinunter zum Argil Department Store. An der Treppe sind einige versetzte Terrassen eingebaut, auf denen täuschend echt aussehende Möbel aus unbehandeltem Stahlblech stehen. Es sind ein Esstisch und Stühle, ein Sofa und ein Sideboard. Sie rosten still vor sich hin und die Oberfläche hat dabei den Farbton von Mahagoni angenommen.
In einem Cafe im Argil Department Store setzen wir uns erst einmal hin. Es ist Zeit, sich aufzuwärmen, Zeit für Tee und Kaffee. Monikas Nikotinabstinenz bricht zusammen. Im Cafe ist Rauchen nicht erlaubt. Monika, Wilma und Heinz setzen sich nach draußen, halb im Regen, halb im Trockenen und gönnen sich eine Zigarette.
Ein bisschen abgetrocknet und aufgewärmt setzen wir unseren Weg fort durch George Street. Du lachst dich kaputt – da sitzen doch vier männliche Models in einem Schaufenster, posieren mit Badehosen, lassen die Muskeln spielen.
George Street ist die Hauptgeschäftsstraße. Hier sind die Banken, die Versicherungen, die großen Department Stores. Schöne Gebäude aus der Gründerzeit und monumentale Wolkenkratzer neueren Datums vereinigen sich zu einem harmonischen Stadtbild, das von dem 305 Meter hohen Sydney Tower überragt wird.
In dem Säuleneingang einer Bank will ich fotografieren. Da stürzt ein Bankangestellter auf mich zu und verbietet mir das. Sehe ich etwa aus wie ein Gangster? Nächste Bank: Ich gehe hinein und frage, ob ich fotografieren darf. Denkste! Im Queen Victoria Building komme ich auf meine Kosten. Es ist ein gigantisches Gebäude. Auf drei Etagen Einkaufsgalerien mit Schnick-Schnack-Läden und noblen Geschäften für Schmuck, Textilien und Kunst. Eine Artgalerie zeigt Bilder von australischen Künstlern. Starke Farben. Ein Bild möchte ich gleich kaufen. Es zeigt plastische Malerei. Farbschicht über Farbschicht wirken Schafe in einer Koppel dreidimensional, über ihren Rücken läuft ein Hütehund. 28.000 A$. Kommentar überflüssig.
Ein ‚Muß‘ ist der Besuch des Seewasseraquariums. Man spaziert dort unter Wasser ohne naß zu werden. Über und neben dir Haifische, Rochen, Schildkröten, Barramundis und andere faszinierende Fische, farbenprächtig, vielformatig. Anschließend fahren wir mit der Monorail, der lautlosen, eingleisigen Hochbahn, die in einem weiten Bogen rund um den Darling Harbour führt, ins Zentrum zurück. Wir haben Hunger, finden aber keine Kneipe, die uns zusagt. Schließlich stärken wir uns im Hotel.
‚Bat‘-Time – die Fledermaus in Sydney Opera House auf dem Programm. Es ist ein großartiges Erlebnis. Das Stück von 1874 wird im Ambiente der zwanziger Jahre gespielt. Der Regisseur lässt Fred Astair und Ginger Rogers über die Bühne tanzen. Das Bild des 3. Akts könnte einer englischen Kriminalkomödie entliehen sein – Finale im Gefängnis.
In den Pausen zieht es uns auf die Terrasse der Oper. Keine Wolke am Himmel, kein Regen mehr und eine Skyline, das muss man erlebt haben. Danach gehen wir in die alte George Street. Ein Pub, das mit der ältesten Ausschankerlaubnis in Sydney ausgestattet ist, ist unser Ziel. Monika Bier, ich Wein. Ich gehe mit dem Glas in der Hand auf die Straße. Monika ruft mich zurück, zeigt dabei auf ein Schild über der Tür: „Drinking on the footpath is not allowed in this section of George Street. Patrons are requested to stay inside the hotel. Oder: Patrons are requested not to cause disturbance in the neighbourhood.” Also: Trinken und Lärmen auf dem Bürgersteig ist nicht erlaubt.
Erste Begegnung mit dem Laughing Jack
The Sydney Morning Herald bringt es auf den Punkt. Die Titelseite zeigt ein großes Bild von einem Koala, der in der Astgabel eines Eukalyptusbaums, der hier Gumtree genannt wird, sitzt. Sein gewöhnlich wie eine Meckifrisur anmutendes Fell gleicht einem nassen Ha-Ra-Fensterreinigungstuch. Sein ansonsten freundlich-ratloses Gesicht mit der großen schwarzen Stupsnase beugt sich resigniert dem Stamm entgegen. Der Redakteur glaubt zu wissen, wie sich der Koala fühlen muss: “We know how he feels …” Gestern war der nasseste Tag in Sydney seit fünf Jahren, berichtet der Herald weiter.
„There is room enough to swing a cat“ – ein riesiges Plakat vis a vis vom Hotel wirbt für großzügige Stadtwohnungen. Wir werden lernen, dass man noch viel, sehr viel größere Gegenstände schwingen kann, ohne dabei auch nur einen Grashalm zu berühren. Australien ist groß. Sehr groß.
In Narrabeen nehmen wir unser Auto in Empfang. Eine Reisschüssel mit Automatik aber ohne Tempomat. Fatal. Heinz lotst mich bis zu seinem Haus. Wir bleiben noch eine kleine Weile. Monika bekommt ihre ersten Kookaburra – Laughing Jack –, zu deutsch ‚Lachender Hans‘, zu sehen. Ein schönes Vogelpaar, das Heinz in seinem Garten hat. Sie sind immer da, sagt er. Und wie sie lachen! Ich darf Heinz’ dressierte Taube auf der Schulter tragen. Sie zupft an meinen Kopfhaaren. Davon habe ich ja noch so viel. Abschied. Heinz und Wilma bringen uns bis zum Pacific Highway. Dann sind wir auf uns gestellt.
Der Pacific Highway hat uns im Griff. Links fahren, 100 Stundenkilometer halten, überholen und ‚Nurlandschaft‘ verlangen meine höchste Konzentration. Es regnet immer noch. Kein leichtes Brot für einen Urlauber, der sich auch erholen möchte. Wir fahren bis auf einige kleinere Stopps durch nach Port Macquarie, finden dort ein blitzsauberes Motel für 89 A$ pro Nacht.
In einem Department Store kleiden Monika und ich uns ein – Shorts und leichte Hemden. Trotz leichtem Regen setzen wir uns unter einen Sonnenschirm – jetzt Regenschirm – an die frische Luft, um eine Kleinigkeit zu essen, den Tag zu reflektieren, der Umgebung zu lauschen.
Paradies für Fischliebhaber
In der Nähe von Warrel, am Highway 1, stoßen wir Freitagmorgen auf das erste Känguruh-Warnschild. Meine Aufregung steigt. Sehen wir welche? Schon wenige hundert Meter weiter entdecke ich auf der rechten Seite in einem Vorgarten eine Fünfergruppe. Vollbremsung, Kamera und … ich bin beim Fotografieren so aufgeregt wie ein Jäger bei seinem ersten Schuss. Danach kommt nur noch Straße.
Meilenstein auf der Strecke nach Norden ist Coffs Harbour. Hier bleiben wir eine Weile und besuchen eine kleine Halbinsel mit der Bezeichnung Muttonbird Island. Das ist ein Naturreservat für die Muttons, die nur hier brüten. In Erdhöhlen. Die Vögel kommen im August/September von den Phillippinen zurück, klaren ihre Bruthöhlen auf, legen in der Regel darin nur ein Ei, aus dem im Februar das Küken schlüpft. Es wird von seinen Eltern buchstäblich gemästet. Es soll vorkommen, dass das Küken davon zu dick wird. Dann kann der Schmerbauch die Höhle nur mit der Eingangstunnelerweiterungshilfe der Altvögel verlassen.
Coffs Harbour ist ein Fischereihafen. Also gibt es auch eine Fischereigenossenschaft und was noch wichtiger ist, einen üppig bestückten Fischladen. Die Auswahl ist überwältigend. Monika kauft geräucherten Barramundi – toller Geschmack. Fettarmes Fleisch, bissfest.
Das Wetter bringt uns nun doch durcheinander und wir fragen uns, womit wir das verdient haben. Denn nach Coffs Harbour beginnt es bald wieder zu regnen. Die Schilder an der Straße „Road Subject To Flooding“ bekommen immer mehr Realität, da einige Starßen in ihrem Verlauf in der Tat überflutet sind. Aber auch andere Warnschilder wie „Stop, Revive, Survive“ gewinnen an Bedeutung. Denn sie sagen nichts anderes als ‚Denke daran, wenn Du müde bist, halte an‘. Ich bin müde.
Wir bleiben in Byron Bay, einem Badeort mit riesig langem Beach. Wir finden im Motel Waves eine angemessene Bleibe für die nächste Nacht. 150 A$. Jeder Dollar ist es wert, dafür ausgegeben zu werden. Wer betreibt das Motel? Uwe Naeger, ein Deutscher.
Mit Blaulicht und Sirene – Stop
Die Gold Coast von Queensland verdient zu Recht diesen Namen. Goldener Strand, goldener Sand und goldene Nasen. Denn soweit das Auge reicht Hotels vom Feinsten. Viele Touristen kommen hierher. Vor allem Japaner, von denen jeder im Schnitt 5.000 A$ pro Urlaub im Land lässt.
Wir sind noch etwas unschlüssig, ob wir Tannum Sands, wo Marianne und Helmut zurzeit sind, gleich ansteuern oder noch einen Stopover in Hervey Bay einlegen sollen. Wir rufen bei Marianne an und sie sagt, dass die Steaks schon mariniert seien.
Die Entscheidung ist gefallen. Einige hundert Kilometer liegen noch vor uns. Und um meine Übermüdung (fatigue) zu bekämpfen, lernen wir laut englische Vokabeln und raten komplizierte Wörter. Dabei bin ich wohl mit dem Fuss auf dem Gaspedal ausgerutscht, oder er ist zu schwer geworden, auf jeden Fall kommt uns aus dem Nichts ein Polizeiwagen entgegen, schaltet Blaulicht und Scheinwerfer ein, Polizisten winken mit der Kelle an die Seite. Sie sehen mir mein schlechtes Gewissen an. Ich entschuldige mich und bitte um Nachsicht. Meinen Führerschein und meinen Reisepass wollen sie sehen. Ich versuche nicht, mich herauszureden, höre den mahnenden Worten der Polizisten zu. Sie sagen mir, ich sei 25 Stundenkilometer zu schnell gefahren. Im Geiste sehe ich meinen Führerschein in einer der zahlreichen Uniformataschen verschwinden. Der anscheinend rangältere von beiden beschränkt sich auf eine eindrucksvolle Warnung: „The Australian Police didn’t want to send you back to Germany in bits and pieces!“, sagt er. Ich erwidere, dass das auch in meinem eigenen Interesse liege, „to get back home in only one piece“.
Die Weiterfahrt gestaltet sich sehr nachdenklich, bis wir schließlich Tannum Sands erreichen. Unter dem Kreuz des Südens grillen wir, machen Bekanntschaft mit einer Kröte namens Cane Toad, die einstmals aus Cuba eingeführt worden war, um in den Zuckerrohrplantagen Insekten zu bekämpfen. So gut die Idee der natürlichen Bekämpfung von Schädlingen damals auch war, so schädlich wirkt sie sich heute auf die Biosphäre Australiens aus.
Bürgerreporter:in:Friedrich Schröder aus Springe |
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