240 Jahre Carl Friedrich Gauß Landvermessung und der Deister
240 Jahre Johann Carl Friedrich Gauß und sein Bezug zum Deister
Am 30 April 2017 wäre der berühmte Mathematiker, Astronom, Geodät und Physiker 240 Jahre alt geworden.
Diesen runden Geburtstag nahm das Touristbüro Wennigsen zum Anlass, anlässlich des 10. Deisterwandertages im Mai 2017, Carl Friedrich Gauß mit einer Themenwanderung im Deister zu ehren. Auf dem Weg zum Deisterkamm (Annaturm) wurden der Lebensweg und die Werke von Gauß szenisch dargestellt. Gleichzeitig wurde ein Wanderweg am Bröhn zum Gaußweg benannt.
Aber was hat Carl Friedrich Gauß mit dem Deister und Wennigsen zu tun?
Als Geodät hat Gauß bei der Landesvermessung des Königreichs Hannover auf dem Deister gleich zwei Messpunkte hinterlassen. Die Geodäsie ist die Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche (Definition nach Friedrich Robert Helmer 1843-1917)
Bereits 1818 beschäftigte sich Carl Friedrich Gauß mit der Triangulation. Sein Ziel war es, das Königreich Hannover (Erhebung des Kurfürstentums Hannover im Wiener-Kongress 1814 zum Königreich/ Personalunion Hannover/Großbritannien) an die Dänische Triangulation von H.C. Schumacher anzuschließen. Das Königreich Dänemark ging im frühen 19. Jahrhundert bis Altona (Hamburg-Altona).
Am 09. Mai 1820 erhielt Gauß den offiziellen Auftrag von König Georg IV (Personalunion Königreich Hannover/England), die Triangulation des Königreichs Hannover vorzunehmen.
Leitung und Durchführung der hannoverschen Gradmessung
Zwischen 1821 und 1823 leitete Carl Friedrich Gauß die Triangulation zwischen der Sternwarte Göttingen und Altona. In den Jahren 1824 - 1825 fand dann die Fortsetzung von Wilsede bis an die holländische Grenze statt. Gauß erfand und erprobte 1821 einen Heliotropen und vermisst sein sogenanntes großes Dreieck Inselberg - Brocken - Hoher Hagen.(Heliotrop ist ein Sonnenspiegel zum Sichtbarmachen weit entfernter Vermessungspunkte). Bei der Berechnung ließ er eine Formel, die die Erdkrümmung berücksichtigt, einfließen.
Für den Vermessungsstrang von Göttingen nach Altona nutzte Gauß auch den Deisterkamm als Vermessungspunkt.
Der Deister ist Deutschlands nördlichster "Vierhunderter" (Deutsches Haupthöhennetz DHHN), von hier hat man einen weiten Blick in die norddeutsche Tiefebene. Diesen idealen Weitblick in die norddeutsche Tiefebene nutzte 1822 Gauß als westlichsten Vermessungspunkt.
Carl Friedrich Gauß wohnte im "Ausspann" Steinkrug/Deister
Am 10. Juni 1822 erreichte C.F. Gauß von Lichtenberg kommend (Salzgitter-Lichtenberg) den "Steinkrug" und führte wahrscheinlich ab 05. Juli 1822 selbst mehrere Wochen lang Messungen vom Deisterkamm durch. Zunächst wurde in Feldarbeit, die Gauß mit seinen Helfern selbst durchführte, auf dem Deisterkamm der ideale Messpunkt gesucht und auf dem Kalenberg (oberhalb von Bredenbeck/Kniggeforst) gefunden. Hierzu gibt es auch Korrespondenz mit dem Freiherrn Knigge.
Der Messpunkt Kalenberg auf dem Deister
Der Kalenberg, mit einer Höhe von ca. 310 Meter (DHHN) war 1822 nur schwach bewaldet. Von hieraus hatte Gauß einen freien Blick bis Hannover und darüber hinaus. Auch der Messpunkt Lichtenberg konnte mit dem Heliotropen gut angepeilt werden. So entstand der Messpunkt auf dem Deister, der später als Deister I benannt wurde. Gauß und seine Mitarbeiter haben in der Regel an den Messpunkten einen hölzernen Turm errichtet, um Sichthindernisse zu überwinden. Möglicherweise stand auch auf dem Kalenberg ein hölzerner "Vermessungsturm". Vom Deisterkamm konnten die Messpunkte: Hils, Lichtenberg, Garssen (Celle) und Falkenberg (bei Bergen-Hohne) angepeilt werden. So entstanden sehr große Dreiecke, die C.F. Gauß vermessen und berechnen konnte. Der Deisterkamm erhielt im Rahmen der Landvermessung eine besondere Bedeutung. Diverse Schriftwechsel zwischen Gauß mit Kollegen und Freunden, auch mit C.H. Schumacher in Dänemark, zeugen von diesem Aufenthalt im Steinkrug und auf dem Deister. Vom Steinkrug aus, reiste Gauß Ende August 1822 nach Celle.
Erinnerungsstein auf dem Deisterkamm
Auf dem Deisterkamm, ca. 10 Meter nördlich des Kammweges auf dem Kalenberg (zwischen Bredenbeck und Springe im Kniggeforst), erinnert ein ca. 70 cm hoher beschrifteter Gedenkstein an diesen Messpunkt.
Dieser Stein ist nicht der Originalstein aus dem Jahr 1822, der vermutlich an dieser Stelle gestanden hat. Der Originalstein wurde bei Wegearbeiten auf dem Kammweg beschädigt und ist abhanden gekommen. Im Oktober 2001 wurde stattdessen der nun vorhandene Stein aufgestellt, der zuvor auf dem Gauß`schen Vermessungspunkt "Falkenberg" (Truppenübungsplatz Bergen-Hohne) gestanden hat. Der Heimatfreund Hans Groth (Bredenbeck), hat mit einer Tafel die geschichtlichen Hintergründe der Gauß`schen Landvermessung beschrieben.
Hannoversche Landesvermessung und der Messpunkt auf dem Bröhn (Annaturm) 1833
Etwa ab 1828 begann die Hannoversche Landesvermessung. Hierbei wurde das Dreiecksnetz der ersten Gauß`schen Gradmessung verdichtet und ergänzt. Die sogenannte "Feldarbeit" führte Carl Friedrich Gauß nicht mehr selbst durch. Sein fortgeschrittenes Alter und seine Gesundheit ließen die anstrengenden Reisen nicht mehr zu. Stattdessen übernahmen seine früheren Assistenten Müller, Hartmann und sein Sohn Joseph Gauß die Messungen und Peilungen mit dem Heliotropen. Die Berechnungen jedoch führte Carl Friedrich Gauß in Göttingen selbst durch. Die hannoversche Landesvermessung, die 2578 trigonometrische Punkte umfasste, dauerte bis 1844.
In den Jahren 1833/1834 fand die Vermessung der Region "Mittelweser" statt.
Erneut nutzten die "Landvermesser" die gute Rundumsicht vom Deisterkamm.
Auf dem Bröhn, (mit 405 m über DHHN der höchste Punkt im Deister),wurde ein hölzerner Vermessungsturm errichtet. Kapitän Müller und Leutnant Joseph Gauß (Ingenieur Korps der Armee des Königreichs Hannover) führten die Peilungen und Messungen durch. Joseph Gauß, der seinerzeit in Wunstorf wohnte, übermittelte per Brief die Messergebnisse an seinen Vater nach Göttingen. Die Briefe zwischen Joseph Gauß und Vater Carl Friedrich Gauß sind alle noch vorhanden. Vom Bröhn aus wurden die Messpunkte: Wittekindstein (Wiehengebirge nahe Porta Westfalika), Köterberg (bei Holzminden), Osterberg (Nienburg-Langendamm) und Osterwald (Fast) gepeilt.
So entstand auf dem Deister der, später als Deister II benannte, zweite Gauß`sche Vermessungspunkt. Somit hat der Deister, im Gegensatz zu anderen Höhenzügen die als Vermessungspunkte dienten, gleich zwei Gauß`sche Messpunkte und Gedenksteine.
Der Gedenkstein Deister II steht heute im Kaffeegarten der Gaststätte Annaturm. Er trägt unter anderem die Inschriften: D.II./G.M. (für Deister II/Gauß und Müller) und den Hinweis auf die Königlich Hannoversche Landvermessung 1833. Der Gedenkstein wurde wohl erst 1852 auf Initiative vom Oberförster Strüver vom Forstamt Georgsplatz an dieser Stelle aufgestellt. Das Forstamt Georgsplatz (Wennigser-Mark) nutzte 1852 diesen trigometrischen Punkt ebenfalls für Vermessungsarbeiten.
Der offizielle trigometrische Vermessungspunkt der Höhe 405 m (DHHN) befindet sich ca. 100 Meter westlich vom Annaturm auf einer kleinen Anhöhe. Hier soll der erste Holzturm für die Landvermessung gestanden haben. Auch in der Gegenwart haben die Landvermesser diesen "offiziellen" Messpunkt für ihre Arbeiten genutzt. Bis in die späten 1960 ziger Jahre stand hier noch ein hölzerne Vermessungsturm.
Gaststätte auf dem Deisterkamm und der "Annaturm"
Was einst 1833/34 als Vermessungspunkt mit einem Holzturm begonnen hat, ist seit vielen Jahren ein beliebtes Ausflugsziel auf dem Deisterkamm geworden. Der aktuelle und mittlerweile 6. Turm wurde 1982 errichtet, er folgte einer Stahlkonstruktion aus dem Jahr 1904, der zeitweise als Fernmeldeturm der Oberpostdirektion dienste. Der Name "Annaturm" geht auf den Erbauer des 3. Turms Maurermeister Braun aus Hannover zurück. Er gab dem Bauwerk den Vornamen seiner Gattin "Anna". In der Gaststätte erinnert die sogenannte "Gaußecke" an die Hannoversche Landesvermessung und an das Wirken von Carl Friedrich Gauß.
Joseph Gauß (1806-1873) und das Eisenbahnwesen
Joseph Gauß, der älteste Sohn von Carl Friedrich Gauß, war selbst Geodät und hat viele Jahre seinen Vater bei den Vermessungsarbeiten unterstützt. Mit einem Empfehlungsschreiben des Hannoverschen Vicekönigs Adolph Friedrich Herzog von Cambridge reiste Gauß 1836 in die USA und studierte das dortige Eisenbahnwesen.
1846 trat Gauß als Leiter für technische Arbeiten in den Dienst der Direction der Königlich Hannoverschen Eisenbahn ein. Er war maßgeblich an dem Ausbau des Hannoverschen Schienennetzes unter König Ernst August und König Georg V beteiligt. Als Oberbaurat ging Gauß in den Ruhestand und starb 1873 in Hannover. Bestattet wurde er auf dem Stadtfriedhof Engesohde, sein Grab befindet sich in der Abteilung I des Friedhofs.
Winfried Gehrke Wennigsen
Quellen:
Carl Friedrich Gauss (1777-1855) sein Leben http://www.gauss-goettingen.de/gauss.php?navid=2&s... Aufruf: 08.08.2017
Joseph Gauss Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph Aufruf 08.08.2017
Porträt: Carl Friedrich Gauß | NDR.de - Kultur - Geschichte - Köpfe http://www.ndr.de/kultur/geschichte/koepfe/Portrae... Aufruf 08.08.2017
GAUSS-GESELLSCHAFT e.V. Goettingen http://www.gauss-gesellschaft.de/ Aufruf 08.08.2017
Datenbank-Infosystem (DBIS) Universitätsbibliothek der LMU München
Schlagwörter: Carl Friedrich Gauss Briefsammlung. Die digitale Edition des Briefwechsels von Carl Friedrich Gauß erfasst derzeit die Nachweise von 7667 Briefen von und an Gauß. Erstellt wurde die Datenbank am Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaften der LMU unter Prof. Dr. Menso Folkerts.
Axel Wittmann Göttingen: Seit 2002 Herausgeber der wissenschaftsgeschichtlichen Fachzeitschrift „Mitteilungen der Gauß-Gesellschaft“ (ISSN 0435-1452).
Die Eltengeschichte: Winfried Gehrke Wennigsen 2015 Seite 30 Gauß und die Landvermessung Eigenverlag
Gedenksteine im Deister: Günther Klapproth 2003 Landbuch Verlag Hannover ISBN 3-7842-0664 6
Der Deister Natur Mensch Geschichte NGH Hannover 2017 zu Klampen Verlag Springe ISBN 978-3-86674-545-2
Nachsatz:
Dieser Bericht erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Abhandlung über das Vermessungswesen und die geodätischen Leistungen von Carl Friedrich Gauß im frühen 19. Jahrhundert. Vielmehr soll an den 240. Geburtstag erinnert und der Bezug zum Deister während der Hannoverschen Landvermessung hergestellt werden.
Fotos: privat Winfried Gehrke