Von den Qualen eines Vogelfotografen
Als ich heute vom Einkaufen nach Hause kam und mich aus den Winterklamotten geschält hatte, blickte ich auf dem Weg zu meiner geliebten Kaffeemaschine durch die Terrassentür und entdeckte einen Stieglitz (Distelfink), der am Boden herumhüpfte.
Nun habe ich den bunten Gesellen schon einige Male ganz ordentlich ablichten können, aber so hundertprozentig zufrieden war ich mit den bisherigen Ergebnissen nicht. Also das 300er auf die Kamera gesetzt und ab auf die Terrasse. Da nach meiner Erfahrung die Distelfinken immer nur sehr kurz zu Besuch sind und somit Eile geboten war, hatte ich auf darauf verzichtet, mich wieder in Pullover und Winterjacke zu werfen.
Ich saß also oben herum nur mit dünnem Hemd bekleidet auf einem Gartensessel und harrte der Dinge. Natürlich war beim Öffnen der Terrassentür der Fink sofort geflüchtet und ich hoffte nun geduldig und bewegungslos auf sein erneutes Erscheinen.
Pustekuchen; wer partout nicht kam, war Herr Fink. Langsam aber stetig kroch mir die Kälte ins Gebein und die schussbereite Kamera vor dem tränenden Auge entwickelte ein bewegtes Eigenleben. Alle möglichen Piepmätze tummelten sich vor meiner Linse, nur nicht das Objekt meiner Begierde.
Mein Auslösefinger wurde gefühllos und zu allem Übel fing auch noch meine Schnupfennase an zu laufen. Innerlich begann ich zu fluchen: "Wie blöd muss man eigentlich sein, im Hemdchen bei Minusgraden draußen auf Vögel zu warten, die nicht kommen". Also plante ich, zurück in die Küche zu gehen, um die Kaffeemaschine zu bestücken.
Und dann geschah es: Der Distelfink hatte sich erbarmt und erlöste mich von allen Qualen. Mit elegantem Schwung setzte er sich in etwa 4 m Entfernung auf einen Zweig des Sommerflieders perfekt in Positur und ließ sich weiter nicht stören. Auch meine Blitzserie tangierte ihn nicht. So hatte ich Gelegenheit etwa ein Dutzend Aufnahmen zu schießen und meine Fotografenseele hatte endlich ihre Ruhe.
Etwas steifbeinig machte ich mich auf, meinen wohlverdienten Kaffee zu genießen.
Bürgerreporter:in:Günther Eims aus Sehnde |
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