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Seelze 1696 [Teil2] - ...der Pastor rügt die Gemeinde

Heinrich Julius Altermann, seit dem Todes Hollenbergs, er hatte Seelze durch die Wirren und Verirrungen des 30-jährigen Krieg gebracht, Pastor in Seelze steht auf seiner Kanzel und spricht zu den Seelzern. Er hatte eine Art an sich, wo man glauben könnte er sei fähig einem direkt in die Seele zu blicken. Als könne er den innersten Lumpen eines jeden Bettlers und Vagabunden enttarnen. Seine tiefe, markdurchdringende Stimme konnte jeder, auch in der letzten Kirchenbank, noch gut verstehen. Sei er auch noch so schwerhörig, seinen Worten konnte sich niemand entziehen.

Kindermagd Catarina, 10 Jahre alt und die Kleinmagd Margareta auch gerade mal 13 Jahre alt hatten es gerade noch geschafft ihren Sitzplatz zu erreichen. Hatte sie doch der junge Mittelknecht Cord Wegener auf den Weg zur Kirche geneckt. Schabernack hatte er getrieben als wäre er nicht 18 Jahre alt und schon Mittelknecht, sondern ein Schweinejung und erst 12-13 Jahre alt.
Aber was soll’s eben begann Altermann einem kräftigen ‚Moin‘ die heutige Predigt. Ein Eingangsgebet wurde gesprochen, dann ein Psalm aus der Bibel vorgelesen und dann ging es los. Mit einem waren gepolter an ermahnenden und anrührende Worten, drücke der Pastor die Gemeinde geradezu in die Sitzbänke. Sitzbänke? Wer sprach da von Sitzbänken? In der gesamten Kirche gab es glaub ich noch zwei richtig intakte Bänke. Alles andere waren mehr oder weniger gut zusammengeflickte Lattenböcke oder alte Schemel, auf den die Gemeinde den harten Worten Altermanns lauschte. Immer wird fuhr es ihnen in Glieder, wenn ihr Pastor sie vor den Qualen des Fegefeuer warnte. Wie sehr betonte er doch immer wieder, dass die Zeiten von Krieg und seinen Wirren endlich und eigentliche schon seit Jahrzehnten vorüber seien. Die Burschen und Knechte sollen sich auf deren Hände Arbeit konzentrieren und nicht irgendwelchen Waffenröcken trauen die sie mit blinkender Münze von ihren Feldern locken wollten. Aber auch die Weiber und anderen Rockträgerinnen sollen ihrem Hof und Gut ihrer Arbeitskraft zollen. Doch wie war er zornig als er die kleine keine 12 Jahre alten kleiner ansprach die schon ihren Buckel rund machen mussten als auf Feld und Wiese zu toben. Die die von Mutters Händen gestreichelt werden sollten und den gerechten Worten des Vormundes folgen sollten. Doch was taten sie sie?

Er wollte gerade weiter ausholen in seinen Reden, als die gesamte Gemeinde so kräftig zusammenfuhr wie es keine noch so heftige Predigt zuvor es geschafft hatte. Was war geschehen? Ein ohrenbetäubendes Rauschen und Scheppern war von draußen zu vernehmen gewesen. Alles strömte durch die kleine holzgerahmte Kirchentür in Freie. Was dort zu sehen bekamen ließ ihnen das Haar empor stehen. Ein gute Stück der Turm Wand, welche aus Lehmschlag, Stroh und Balken, teils auch aus einfach drauf genagelten Brettern bestand, war einfach heruntergestürzt und lag nun in einer riesigen Wolke aus Staub und Schutt am Fuße des Turmes.
Turm konnte man, wenn man es genau betrachtet, die ganz Sache so wie so nicht bezeichnen. War doch die Pyramide die der Suttel, ein bekannter Handwerkskünstler der Gegend, hatte bauen dürfen. Gebaut zu Ehren des General Johann Michael Elias Obentraut, genannt der ‚Deutsche Michel‘. Er der Schwarm aller in der Gegend, hatte er nicht eine vernichtende Schlacht zu Nienburg geführt. War es nicht die Tapferkeit und die Kriegslist mit der er vorging als Tilly, Führer der katholischen Liga, so vernichten geschlagen hatte. Doch hier, vor Seelze, verließ diesen edlen Herren das Kriegsglück und er kam auf dem Feld der Ehre zu Fall. Nur mit einem Stiefel und dem Helm geschützt zog er des Nachts in den Kampf und durch eine Kugel tödlich getroffen wurde er danieder gestreckt…
Diese Pyramide war der Grund warum Reisende leicht spöttelten und meinten die Seelze seine ein wenig verrückt, da sie diesen General mehr ehrten als ihren Gott. Und das Ganze nur weil die Pyramide, von der Landstraße, schon weiten viel besser zu sehen war als der Kirchturm zu Seelze.

Das was diese schreckensstillen, nach dem kanonengeschepper gleichen Lärm, brach, war die tiefe kräftige Stimme Altmanns. Hey ihr da, Cord Maseberg, ihr seid doch aus dem Stand der Tischler und ihr da Pardeys Christoff, ihr als Schmied seid doch von kräftiger Natur, helft ihm eine neuen Turm zu bauen. Einen Turm den man schon weitem sieht und der allen, die da falsche Wörter schwafeln, eines Besseren belehret. So planet und bauet einen Turm der unseren Herrn ehret und ihn nahe ist. Einen Turm den man schon von weitem sieht. Einen Turn der schon in Hannover zeigt was ehrbare Menschen hier wohnen und ihr Tagwerk tun.

So war es gesprochen und der neue Turm konnte erdacht werden… Wer ihn bauen sollte und wer ihn zahlen sollte das wusste zu diesem Zeitpunkt noch keiner der Gemeinde. Doch eines wussten alle, der Altermann wollte ihn und was er wollte war schon fast ein Gesetz. Er führte seine Gemeinde mit harter Hand. Sollte sie doch die harten und verlausten Jahre des 30-jährigen Krieges endlich vergessen…

... weitere Geschichten
Seelze 1696 [Teil1] - Sonntagmorgen im Dorf
Seelze 1696 [Teil2] - Der Pastor rügt die Gemeinde
Seelze 1696 [Teil3] - Der Kirchturm wird gebaut
Seelze 1696 [Teil4] - Tod in der Leine oder was geschah am Sonntagabend?
Seelze 1696 [Teil5] - Nimm die Hand von der Magd.
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