Seelze 1696 [Teil 6] – Kreuzende Klingen vor dem Alten Krug...
Nach dem der 30 jährige Krieg schon geraume Zeit hinter uns liegt und wieder Frieden in unser Dorf eingekehrt ist, gehen die Bauern und Handwerk wieder ihren Tagewerken nach. Die Söldner haben das Calenberger Land verlassen. Noch lange sind nicht die schrecklichen Erfahrungen des Hauens und Stechens aus den Köpfen der Menschen gewichen. Waren es doch wieder die einfachen Leute vom Lande die am Meisten unter den Kriegseinwirkungen zu leiden hatten….
Hier in Seelze an einer kleinen Furt, an der Leine liegend, war man nicht reich. Es gab ein paar Höfe mit Vollmeinen und Halbmeier wie man sie zu nennen pflegt. Einen Fährmann mit seiner Fahre die zum Kloster am Marienwerden führte. Das Seelzer Kirchspiel war noch nicht so richtig im Gang nach dem die Kirche und auch ein großer Teil des Dorfs durch einen schrecklichen Brand den Flammen zum Opfer fielen. Einzig der Wirt des Kruges hatte ein recht gutes Auskommen. Waren es doch immer wieder gut betuchte Leute die zum Großen Markt nach Hannover unterwegs waren und seinem Gasthof Rast machten und die Pferde tauschten. Aber auch in der anderen Richtung war der Postweg nach Luthe dem Amtssitz des Landvogtes ein oft genutzter Pfad.
Nur heute war nicht viel los auf dem Weg vor dem Krug. Nur der Einbeinige saß vor dem Gasthaus mit einer halben Dünnbier in der Hand. Eine mildtätige Seele hatte sie im zum Geschenk gemacht. Gerade war es vorbei mit einem erfrischenden Regenguss. Die Luft war klar und der Staub der Landstraße nicht so wild aufgewühlt. Der einbeinige blickte Richtung Lohnde und konnte schon aus weiter Ferne erkennen. Da kam ein Fremder die noch feuchte, aber schon gut zu laufende Wegstrecke dem Seelzeschen entgegen. Es war ein groß gewachsener aufgeschossener Kerl. Feste Schnürstiefel beschleunigten seinen strammen Gang. Doch irgendwas gefiel dem einbeinigen Christian nicht. Doch so sehr er sich mühte, er vermochte den Grund nicht zu treffen. Erst als er auf Hörweite an ihn heran war erkannte er was ihm an dem kräftigen Kern nicht so recht gefallen wollte. Ein derbes, narbendurchzogene Gesicht blickte ihn an. Das mochte nach einem solchen Landsknechtleben wohl möglich sein. Doch was da unter seinen derben Reiseumhang hervor lugte ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Ein gut zwei Ellen langes, gut geschmiedetes Schwert schaut mit dem Griff unter dem Leinenmantel hervor.
So schnell er konnte humpelte der Christian zum Schankwirt um ihn um Hilfe zu bitten. Der Wirt auch kein Schwächling, vormochte er doch Streithähne jeden mit einem Arm empor zu heben und mit den Köpfen aneinander zu klopfen.
Hans sprang mit einer Heugabel in der Hand vor den Krug. Ein paar Bauernburschen die gerade ein paar Säcke Gerstenmehl brachten taten es ihm gleich.
Der Fremde, noch ganz in Reichweite, der Dorfleute zog auch schon sein Schwert. Mit einem gut geübten Hieb klatschte er dem Schankwirt dessen Knauf gegen die Schläfe dass dieser benebelt zu Boden ging. Ein kräftiger Tritt mit seinem derben Schuhwerk gegen einen Bauernburschen und schon war eine heftige Hauerei im Gang. Hans hatte sich wieder aufgerappelt und sprang noch nicht ganz klar in den Gedanken, von hinten an den Fremden. Dieser nicht gar nicht beeindruckt schüttelte den kräftigen Wirt einfach ab, so dass dieser im Staub zu liegen kam. Franz lief so schnell er konnte Hilfe zu holen. Hatte er doch am Oberarm einen guten Schnitt von der Klinge des Schwertes abbekommen. Man konnte behaupten, es war einen schon richtig derbe Schlägerei im Gange. Ohne auch nur eine Aussicht auf Überlegenheit der Dorfbewohner war es der Fremde der immer wieder die Oberhand hatte. Nichts zu Letzt seiner Kriegswaffe in der Hand. Die er, man muss es sagen, gut zu nutzen verstand. Wie durch ein Wunder hatte noch keiner ernstere Verletzungen davon getragen.
Plötzlich, die Hauerei war immer noch in vollem Gange, konnte aus Richtung Hannover etwas aufblitzen sehen. Ein Silberner Mann? Nein es war ein wie ein Reitergeneral gewappneter Kerl. Doch was trug er war es nicht ein Kettenhemd und darüber ein Harnisch, mit Helm auf dem Kopf und Handschuhen zum Schutz strebte er dem Tumult entgegen. Gefolgt von noch einem, aber nicht so stark bepanzertem Mann. Beide hechteten ohne Zögern und ohne einen Augenblick des Zauderns in die Menge.
Doch da stutze der Wirt des Kruges, die Rüstung, die der Fremde trug, erkannt er genau. Es war die Rüstung des Generals Leutnant Michael von Obentraut. Doch der war doch wirklich und eindeutig im Krieg gefallen und von seinen Gegnern im Krug abgelegt worden. Später wurde eben jener General gen Hannover verbracht worden und mit ihm seine Rüstung. Der Wirt war zwar ein gut gläubiger Kirchgänger, aber an eine gesunde Rückkehr des Reitergenerals wollte er nicht glauben. Aber jetzt war gleich. Der Recke war bereit ihnen bei zu stehen. Doch dann als man glauben konnte große Fremde würde jetzt den letzte Hieb bekommen geschah unerwartetes. Die Beiden Kämpfer ließen ihre Waffen sinken und fielen lachend in die Arme. Noch ehe die umstehenden begreifen konnten was geschehen war, trat ein gut gekleideter Mann aus der Seite hervor. Mit ihm eine ganz Schar vor Gauklern und Possenreißern. Er war eine Truppe von Schwertkämpfern und Könnern von anderen belustigenden Dingen. Gefolgt wurde die Truppe von einer kleinen Kutsche. In ihr saß und noch nicht bemerkt von den Dorfbewohnern der Landvogt von Luthe. Er und die seinen haben sich köstlich amüsiert über die Todesangst die die Dorfleute fürchteten.
Nun war´s vorbei. Der Lärm war verklungen die letzten Blessuren waren verbunden und der Herold des Vogts laß eine Note vor. Vor dem Dorfkrug stehend, mit wichtiger Miene bekundete er, dass jeder im Dorf der Schrecken oder Wunde dulden musste eine Silbermünze bekommen solle. Der Vogt habe sich die Posse ausgedacht um sich ein wenig zu Unterhalten auf dem Weg nach Hannover zum Frühjahrsmarkt. Doch so weit war es noch nicht, er der Vogt und seinen Leute ließen den Wirt auftischen. Auftischen für die ganze Dorfgemeinschaft. Er ließ so auftischen das vom Reingewinn der Wirt das ganz Jahr noch hatte zehren können.
Nun wollte der Wirt aber auch wissen wo die Gaukler die Rüstung her hatten. Und ob eben diese Rüstung mit dem Wappenvogel auf der Brust, jene sein die der hier sehr verehrte Obentraut in seiner letzten Stunde trug. Nein war da die Antwort, diese hätte man dem General mit ins Grab gegeben. Aber jene, mit der sie so viel Schrecken und aufsehen erfuhren, war eine gut gemachte Nachbildung eben jener welcher besagter Obentraut trug. Aber das war schon vergessen. In der einen eine Keule einer Rebhuhnes und in der anderen einen gut gefüllten Krug hannoverschen Starkbieres saß der einbeinige Christian auf der Bank vor dem Krug und schaute sich die Sterne an. Es war mittlerweile Abend geworden und er war erfreut dass die Zeiten des Hauens und Morden vorbei waren. Hatte er selbst doch sein Bein in dem schrecklichen Krieg gelassen….
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