Demokratie-Märchen
Wir befinden uns im Jahr 2010 n. Chr. In der ganzen Bundesrepublik gilt das Grundgesetz... In ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Verwaltungsleitern und Politikern regierte Stadt hört nicht auf, ihre eigenen Regeln aufzustellen. Und das Leben ist nicht leicht für die Politiker und Bürger, die hier nach demokratischen Grundregeln aktiv sein und sich beteiligen wollen...
Ende Oktober trafen sich einige Menschen auf Einladung der Stadt, um Bürgervertreter in ein Gremium zu wählen, das die Funktion der Fachausschüsse als Beratungsorgan des Ortsrates hat. Man könnte meinen, dass es bei demokratischen Wahlen üblich ist, im vorhinein die Regeln auf demokratischem Wege aufzustellen.
Nicht so in dem kleinen aufsässigen Dorf:
Vor der Wahl stellt die Verwaltungsleitung schnell neue Regeln auf auch Fremde aus anderen Dörfern und Städten sind auf einmal wählbar. Um die Wahl fest in der Hand zu halten, wird darauf verzichtet im Vorfeld festzustellen, wer wahlberechtigt ist und natürlich auch, wie viele Leute wahlberechtigt sind. Praktisch, braucht man hinterher die abgegebenen Stimmen nicht mit der Zahl der Wahlberechtigten abzugleichen. Wieder etwas gespart und die Stadt muß sparen. Ergebnis passt nicht? Kein Problem: schnell die Regeln geändert und die Zahl der Gewählten erhöht.
Alle sind glücklich und haben sich sehr lieb. Alle? Nein, ein paar demokratische Eiferer üben Kritik an der Wahl.
Kritik ist nicht erwünscht. Kritiker werden ausgegrenzt. Reicht nicht? Persönliche Angriffe. Rücktrittsforderungen. Schadenersatzforderungen. Derjenige der Kritik übt schadet der Stadt, nicht diejenigen die Mist gebaut haben. So einfach ist das.
Antrag einer Fraktion im Rat, den rechtswidrigen Zustand zu beheben. Gegenantrag der Stadt: den rechtswidrigen Zustand legalisieren. Problem gelöst!
Hallo Petra, mit einem Schmunzeln und mit Tränen in den Augen habe ich deinen Bericht gelesen. Als ehemaliger Kommunalpolitiker habe ich ähnliche Erfahrungen machen müssen. -Nur in unserer Region war die Losung: Arbeitskreise. Unklar war, wer diesen angehört und natürlich wird im geheimen -pardon nichtöffentlich - getagt. Ich kenne noch die Zeit, als beklagt wurde, dass die Fachausschüsse des Rates in nichtöffentlicher Sitzung laut Kommunalverfassung (Nieders. Gemeindeordnung) tagen mussten. Wie wurde die Änderung dieser Kommunalverfassung gefeiert, als diese bestimmte, Ausschüsse tagen öffentlich. Die etablierten Parteien (Fraktionen) sprechen zwar von Transparenz - tagen aber in nichtöffentlichen Sitzungen der Fraktion, um die öffentlichen Sitzungen vorzubereiten. Ergebnis: In öffentlichen Sitzungen wird nur noch das Ergebnis der Fraktionsberatungen bekanntgegeben und dann abgestimmt. Häufig habe ich den Eindruck, dass sich die beiden "großen" Volksparteien (SPD und CDU) sich im Vorfeld abstimmen und im Rat nur noch zusammen kommen (müssen, weil die Kommunalverfassung dies so vorschreibt), was im "stillen Kämmerlein" vereinbart wurde.
Da braucht sich niemand mehr wundern, dass Politikverdrossenheit eintritt und junge Leute für die Politik nicht mehr zu gewinnen sind, es sei denn, sie wollen auf der Partei-Karriereleiter nach oben und ohne Erfahrung im "grauen" Alltag künftig Politik machen.
Trotzdem immer wieder die Punkte aufgreifen und öffentlich deutlich machen. Dazu wünsche ich Dir viel Mut und Kraft.
WInfried