Uwe Schreiner: "2011 fällt das Neujahrsgrillen aus!"

Uwe Schreiner bezeichnet sich selbst als „zugereisten Gümmeraner“. Seit mehr als 20 Jahren lebt er jetzt dort. Seitdem hat er eine Menge für das Dorf und dessen Bewohner getan: Er hat mit der Kulturnacht und weiteren Veranstaltungen dafür gesorgt, dass es in Gümmer mehr kulturelle Events gibt und hat u. a. das Angrillen am Neujahrstag eingeführt.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in Gümmer regelmäßig eine Kulturnacht zu veranstalten?

Das ist nicht ganz einfach zu erläutern. Meine Idee war, Kultur zu vertretbaren Preisen auch in einen Ort wie Gümmer zu holen. In Hannover gab es viel, auf dem Land damals eigentlich sehr wenig und in Gümmer so gut wie gar keine Kultur, mal abgesehen von hervorragenden Kinder- und Seniorenveranstaltungen. Aber für das „Mittelalter“ war kein Angebot da. Viele haben im Laufe der Jahre dies auch für ihre Ortschaften erkannt, wir aber waren damals noch mit die Ersten – zumindestens in diesem Teil der Region. Und Gümmer bzw. die Bürger haben das Angebot dankbar angenommen. Ich musste damals viele Bedenkenträger überzeugen – viele davon sind heute begeisterte Stammgäste der verschiedenen Veranstaltungen.
Auch in den Nachbarorten regt sich inzwischen etwas – trat doch unlängst Daphne De Luxe, übrigens auch seit vielen Jahren mit uns in verschiedensten Veranstaltungen dabei, in Dedensen auf – auch mit einem kulinarischen Angebot verbunden, so wie bei unserer Kultur Pizza Lounge beim Italiener.

Ihre Kulturnacht ist längst zur Kultveranstaltung geworden. Wie schaffen Sie es immer wieder, auch durch das Fernsehen bekannte Künstler und Comedians nach Gümmer zu locken?

Ja, Kult ist die lange Kulturnacht inzwischen wirklich – sind doch bereits am Veranstaltungsabend ein Drittel der Karten für das Folgejahr vorbestellt, ohne dass die Menschen schon das genaue Programm oder den Termin kennen. Für 2011 gibt es auch nur noch begrenzt Karten. Vier Dinge gehören dazu: Erstens eine Nase oder ein rechtzeitiges Gespür für gute Leute im Künstlerbereich, und das hatte ich bisher bei der Auswahl (fast) immer. Zweitens ein rundes Konzept, und das stimmt eigentlich immer in Gümmer, auch oder gerade weil wir immer etwas variieren und verändern. Drittens die handwerklich guten Künstler und natürlich das ungeheuer tolle Publikum aus Gümmer und dem Rest der Welt.
Inzwischen habe ich gute Verbindungen in der Szene aufgebaut und erhalte auch tolle Angebote.

Was macht den Reiz der Kulturnacht aus?

Es sind nicht nur die soliden Preise, die man sich auch in nicht so tollen Zeiten noch leisten kann, und die vielen Helfer, sondern vielmehr die Atmosphäre. Kommen Sie doch mal selbst und überzeugen sich davon, wie man aus einer einfachen Turnhalle mit wenigen Mitteln und natürlich guter Technik einen Kultursaal schaffen kann. Und inzwischen hat sich wohl rumgesprochen, dass hier ein solides Stück Kultur geboten wird.

Bei den vielen Künstlern, die Sie kennen: Gibt es eine lustige Begebenheit, an die Sie sich gern erinnern?

Urban Priol – heute bekannt aus der ZDF-Sendung „Neues aus der Anstalt“ –, damals bereits zum zweiten Mal in Gümmer (übrigens heute wegen der geringen Platzkapazität undenkbar), stand plötzlich ohne Zigaretten da. Er schlug unser Angebot, ihm Nachschub zu besorgen, aus, da er unbedingt selbst für die Befriedigung seiner „Sucht“ sorgen wollte, und ließ sich den Weg zum nächsten Automaten beschreiben. Als Ortsunkundiger landete er in der Feldmark und wurde dort von der Polizei wieder auf den rechten Weg zurückgebracht. Das muss ihn so verwirrt haben, dass er das Geldstück ohne hinzusehen in den Automaten warf und sich dann wunderte, dass er nur Kondome in der Hand hielt, weil er die Automaten verwechselte. Das führte hinterher bei einigen „Roten Gümmeranern“, unserem hiesigen Kultgetränk, zur allgemeinen Belustigung. Eine Anekdote, die er dankbar in seine nächsten Auftritt einbaute.

Die 16. Auflage der Kulturnacht ist geplant, der Kartenvorverkauf hat begonnen. Was erwartet die Zuschauer am 2. April 2011 im Bürgerhaus? Und wo kann man Karten bekommen?

Nun es gibt nur noch beschränkt Kartenkontingente. Diese kann man nur im direkten Vorverkauf bei unserer Agentur Vokus erwerben, entweder telefonisch unter (05137) 3299 oder per E-Mail unter anfrage@teamvokus.de.
Erwarten wird die Zuschauer wieder ein tolles Programm: Musikkasparett mit „Zärtlichkeiten mit Freunden“ (www.zaertlichkeitenmitfreunden.de). Stefan Schramm und Christoph
Walther spielen die beiden Musiker Ines Fleiwa und Cordula Zwischenfisch. Sie bezeichnen sich selbst als Zuzweitunterhalter und haben schon 19 Kleinkunst- und Comedypreise auf dem Schrank stehen, zum Beispiel den Prix Pantheon. Folgen wird Comedien Matthias Machwerk (www.matthias-machwerk.de) mit seinem Programm: „Frauen denken anders – Männer nicht!“ Machwerk ist der Gerd Müller des Geschlechterkampfes.
Dann gibt es wie jedes Jahr Livemusik. Die Band Razzle Dazzle bringt die legendären fünfziger und sechziger Jahre mit ihren Größen wie Elvis, Jerry Lee, Lewis, Fats Domino, Chuck Berry, Buddy Holly usw. auf die Bühne. Razzle Dazzle musizierten bereits mit so namhaften Rock-‘n‘-Rollern wie Chris Andrews, Soulfull Dynamics, Middle of the Road, Searchers, Rattles, Lords, Spider Murphy und Peter Kraus. Zum Abschluss gibt es Plattenhits vom Teller mit dem Party-Team von Hendie Sound.

Woher stammt eigentlich die Idee des Neujahr-Angrillens? Und warum erfreut es sich so großer Beliebtheit?

Das ist recht einfach zu erklären. Immer beliebter wurde das Grillen im Winter, ob im Carport oder Kellereingang. Da haben wir einfach mal gesagt, das müssen wir im großen Stil mit Livemusik betreiben. Und die Beliebtheit, naja, man geht sowieso am Neujahrsmorgen spazieren, vertreibt eventuell den Kater, hat keine große Lust zum Kochen, begrüßt die Nachbarn, und wenn dann es auch noch Bratwurst, Lumumba, Glühwein oder Haubenschuß gemixt mit toller Musik gibt – was will man denn mehr?

Also wird auch am 1. Januar 2011 in Gümmer wieder angegrillt?

Schwierige Frage! Ich musste meinen Leuten und Helfern in diesem Jahr versprechen, keine Veranstaltung an Silvester und Neujahr anzunehmen. Und das habe ich auch gern getan, weil wir fast jeden Feiertag und viele Wochenenden im Einsatz sind. Da muss auch mal eine Schaffenspause sein. Im Übrigen: Nachdem uns im vergangenen Jahr sogar der Toilettenwagen eingefroren ist, grübeln wir gerade an etwas Neuem. Also 2011 beginnt mit Sicherheit nicht mit einer Grillparty, und für die Zukunft schauen wir mal!

Als Gümmeraner haben Sie bestimmt einen Tipp für einen Spaziergang durch Gümmer: Welche schönen Ecken würden Sie z.B. einem Künstler zeigen, der bei Ihrer Kulturnacht auftritt?

In Gümmer lohnt sich ein Blick auf und eventuell in eines der ältesten Gebäude in Seelze: unsere Kapelle. Es gibt noch eine historische Milchrampe und um Gümmer herum schöne Spazierwege in die Leinemasch oder zum Krähenberg. Nicht so schön, dafür aber sehr interessant, ist auch das Klärwerk, ein Ableger von Herrenhausen.

Mal abgesehen von der Kultur: Was macht Gümmer lebenswert? Und was könnte besser werden?

Die Menschen, das Vereinsleben, der Zusammenhalt – hier erlebt ein Städter noch ein Idyll, das er so bestimmt nicht gewohnt ist.
Sich als interessierter Bürger und Einwohner einzubringen und zu engagieren, fällt einem in Gümmer nicht schwer, da man hier eigentlich offen empfangen wird. Natürlich muss man auch ein wenig auf Gümmer zugehen, aber das wird einem Neubürger leicht gemacht. Mit seiner freundlichen Einwohnerschaft und einem intakten Vereinsleben ist Gümmer nicht nur lebenswert, sondern auch liebenswert – und das, obwohl Gümmer ein rasantes Wachstum von unter 1000 Einwohnern in kurzer Zeit auf über 2100 Einwohnern hinter sich hat. Die Integration der Neubürger, die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt der Vereine ist toll. Hier kennt man auch noch seinen Nachbarn. Ein paar Jahre hab ich auch etwas in die Lokalpolitik hineingerochen, als Parteivorsitzender und Ortsratsmitglied. Das ist nicht wie die große Politik, sondern viel ehrlicher und dichter am Bürger. Heute bin ich aus verschiedenen Gründen parteilos, halte mich aus der Politik raus und lebe damit sehr gut.

Wo sehen Sie Gümmer in zehn Jahren?

Fortschritt ja – aber nicht um jeden Preis. Der Charakter des Orts sollte erhalten bleiben. Jetzt erhalten wir einen Discounter als Einkaufsstätte. Das ist auf der einen Seite ein Fortschritt, wird aber zu weiterem Verkehrsaufkommen und zu mehr Unruhe führen. Auch die Diskussion in der Nachbargemeinde um die Hühner­mastanlage wird nicht unbedingt zum Erhalt der liebenswerten ländlichen Struktur beitragen. Gümmer liegt verkehrstechnisch unerhört günstig, das kann zu einem weiteren Wachstum führen. Sicherlich werden unsere gewählten Lokalpolitiker dies mit viel Augenmaß und Fingerspitzengefühl anpacken müssen. Dabei wünsche ich ihnen viel Glück, denn ich möchte auch in zehn Jahren noch gern in Gümmer wohnen.

Sie sind Autor bei myheimat, dem Mitmachportal der Leine-Zeitung. Warum?

myheimat ist eines der zukunftsperspektivischen Medien, die bei den Menschen immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. Es birgt sicher auch große Gefahren in Bezug auf die Privatsphäre der Nutzer, aber es ist die Zukunft. Und wer die Zukunft verschläft, darf sich nicht wundern, wenn er nicht an ihr beteiligt wird. Und im Übrigen macht es mir, wenn es meine Zeit erlaubt, auch Spaß.

myheimat-Team:

Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister

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