Interview: Musik . Menschen . Harald Röhrig.
Mein Gespräch mit dem Kirchenkreiskantor liegt schon einige Tage zurück. Es hatte länger gedauert als geplant. Wir waren ins Plaudern gekommen. Begonnen hatte alles mit der Frage, wie Harald Röhrig, der Kreiskirchenkantor, zur Musik gekommen ist.
„Eigentlich komme ich gar nicht aus einem musikalischen Elternhaus, aber die Nachbarn hatten ein Klavier.“ So einfach klingt die Antwort von Harald Röhrig
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Ich war zu ihm in das Gemeindehaus von St. Michael in Seelze – Letter gekommen, weil meine Neugierde danach befriedigt werden sollte, wer eigentlich wirklich dieser Kreiskirchenkantor Harald Röhrig ist.
„Meine Geschichte ist doch nicht wichtig.“ Sagte Harald Röhrig in seiner bescheidenen Art. Aber seine Geschichte zeigt wie Liebe zur Musik und Liebe zu Menschen zu erfolgreicher Musik- und Gemeindearbeit führen kann.
Und so gebe ich den Ablauf des Gespräches gern wieder:
Auf dem Klavier der Nachbarn also hatte es begonnen. Sein erster Klavierlehrer war auch Organist. „Als die Möglichkeit, bei ihm Unterricht zu nehmen, nicht mehr gegeben war, übte ich allein fast mehr als mit Lehrer.“ So hatte es sich zufällig ergeben, dass der Klavierschüler auch die Tasten einer Orgel zu bedienen lernte.
Aber wer hat schon eine Orgel zu Hause stehen? Da stand sofort eine Frage im Raum: „Wo übt man Orgelspiel?“
Die Antwort war eigentlich ganz einfach: “Man sieht zu, dass man einen Kirchenschlüssel bekommt. Man springt ein, wenn der Organist ausfällt. Und so begleitete ich mit 15 Jahren meinen ersten Gottesdienst in Seelze. Das behielt ich auch bei, als ich meinen Zivil-Dienst von damals noch 20 Monaten ableistete. In diese Zeit fiel auch die Gründung des Canto Vivo als Jugendchor. Logische Folge aber auch persönliche Hintergründe brachten mich dann direkt zu einem Musikstudium. Und es war dann in Hannover Kirchenmusik.“ Damit war sein Weg schon vorgezeichnet, denn Kirchenmusik ist ein spezieller Weg, den nur wenige Studenten gehen, um Kantor zu werden.
Da schloss sich sofort die weitere Frage an: Welche Kirche hat den einen Kirchenkantor?
„ In der Tradition hatten das zentrale Kirchen und reiche Kirchengemeinden.“ Klärt mich Harald Röhrig auf und ergänzt gleich: „Die Stelle des Kirchenkreiskantors in Letter ist dann bei der Gründung des Kirchenkreises Garbsen-Seelze 1975 eingerichtet worden. Neben den Aufgaben in der St. Michaelkirchengemeinde sollten die nebenberuflichen Organisten und Chorleiter in den Nachbargemeinden einen hauptberuflichen Ansprechpartner haben. Inzwischen bin ich hier der vierte Kirchenmusiker mit dieser Funktion.“
Welche Gestaltungsmöglichkeiten sich aus dieser Aufgabe ergeben, wollte ich natürlich nun wissen. Ich lernte, dass hier mehr als „nur“ einen Chor zu leiten den Aufgabenkreis umfasst. Und mit leuchtenden Augen muss mich Harald Röhrig nicht überzeugen, dass er hier seinen Weg gefunden hat: Fundraising, Gottesdienstbegleitung, Kulturarbeit – also Kirche nach außen.“ Und mit jedem dieser Schlagworte sieht man die Begeisterung in seinen Augen, dann erklärt er ausführlich: „Als Kirchenkreiskantor verteilt sich meine Zeit zu ca. 2/3 in die Gemeindearbeit in Letter und ca. 1/3 in die übergemeindliche Arbeit für den Kirchenkreis. Dabei spiele ich natürlich auch heute noch die Orgel im Gottesdienst der Gemeinde, leite die Kreiskantorei mit ca. 70 SängerInnen, den Kinder- und Jugendchor ( also die Kinder- und Jugendkantorei) und Canto Vivo gibt es auch noch. Bei der Konzertreihe des Freundeskreises leiste ich Vorarbeit. Und der musikalische Anteil beim Musical Team liegt in meinen Händen. Natürlich habe ich seit meinem Eintritt in diese Aufgabe, meinen Teil der Gemeindearbeit nach meinen Vorstellungen geprägt. Dieses geschieht zu einem guten Teil in der Gremienarbeit bei der Zusammenarbeit mit neben- und ehrenamtlichen Mitarbeitern, ohne die eine Gemeinde ja nicht existieren könnte. Als Kreiskirchenkantor bin ich auch eingebunden in Visitationen – also den regelmäßigen Besuchen in den Gemeinden. Meine musikfachliche Kenntnis ist auch gefragt, wenn Orgelbauprojekte im Kirchenkreis anstehen oder auch übergemeindliche Musikprojekte gestartet werden.“ Harald Röhrig ist ernst geworden. Man sieht ihm an, alle diese Aufgaben sind ihm wichtig und die Aufzählung sicher nicht vollständig.
Wo jedoch der besondere Reiz für Harald Röhrig in seiner Arbeit ist, erkennt man, wenn er nun den Hintergrund beleuchtet: „Für mich macht es tierischen Spaß, mit Menschen zu arbeiten. Das beginnt mit den ganz Kleinen im Kinderchor, die in ihrer Natürlichkeit ungeheuer viel direkt zurück geben, und das endet nicht zuletzt in der Kantorei und im Gospelchor, mit dem alles angefangen hat.“
Da sich um Musik vieles dreht bei Harald Röhrig möchte ich wissen, wo seine persönlichen Schwerpunkte in der Musik liegen. „in historischer Stimmung und mit reinen Quinten, oder auch neue experimentelle Musik mit Clustern und schrägen Klängen. Ebenso gern mag ich aber auch z.B. Irish Folk-Musik, Jazz oder einige der aktuellen deutschsprachigen Bands. In vielen Musikbereichen gibt es tolle Dinge zu entdecken!“
Schon bei der Erwähnung des Kinderchores war das gewinnende Lächeln wieder im Gesicht von Harald Röhrig. Man spürte, wie wichtig ihm Menschen sind: Zu allererst seine Familienbande, aber gleich danach die Menschen, mit denen er mit Musik vieles ausdrücken kann. So steht ein Satz, der irgendwann in unserem Gespräch fiel und wie ein roter Faden durch die Zeit ging, sicher neben der Musikbegeisterung im Mittelpunkt seines Denkens. „Es macht mit tierischen Spaß, mit Menschen zu arbeiten.“