Im Portrait: Gerda Jenke, eine starke Frau, die auch in schweren Zeiten ihren Weg geht

Leinerundgang
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Geboren 1921 in Nendorf bei Stolzenau, wuchs sie als Tochter eines Dorfschullehrers in ländlicher Umgebung auf. 1923 wurde ihr Bruder geboren. Der Vater wurde nach Emmerthal bei Hameln versetzt und die Familie lebte bis September 1939 in ländlicher Umgebung im schönen Weserbergland. Nach Abschluß der Volksschule ging sie auf ein Lyzeum in Hameln. Für sie war es damals selbstverständlich, den langen Schulweg mit dem Fahrrad zurückzulegen.

Das war auch die Zeit, wo Hitler an die Macht kam und eine Jugend wollte, die zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und schnell wie ein Windhund war. Wie selbstverständlich war sie beim Bund deutscher Mädchen (BDM) und übernahm dort auch Führungsaufgaben. Ihr Bruder erlernte in dieser Zeit das Segelfliegen und übte sich im Fechten. Ein großes Ereignis war damals für sie die große Feier zum Erntedank, als der "Führer" mit seinem Gefolge am Bückeberg an ihr und den den Hitlergruß bezeugenden Menschenmassen vorbeizog.

Da ihre Mutter seelisch krank war (sie hat den Hitler nicht gemocht, das Landleben wahrscheinlich auch nicht) hatte Gerda schon früh Verantwortung übernehmen müssen. Kein Wunder, daß sie zu ihrem Bruder eine besondere Verbindung hatte, zumal der Vater in seinem Beruf sehr eingespannt war. Um so härter traf sie die Nachricht, daß ihr Bruder am 28. 06. 1942 , noch nicht einmal 20 Jahre alt, in Rußland gefallen war.

Inzwischen war der Umzug nach Letter bei Hannover erfolgt. Ihr Vater versprach sich dort bessere Ausbildungsmöglichkeiten für seine Kinder. Meine Mutter zog es aber vor, das Elternhaus zu verlassen und zog zu einer Verwandten nach Braunschweig, wo sie die dortige Chemieschule besuchte. Hier lernte sie auch meinen Vater kennen, einen jungen Soldaten auf Fronturlaub. Ende 1944 war ich im Anmarsch und nun war guter Rat teuer. Mein Vater fühlte sich noch zu jung zum Heiraten. Ein Schwangerschaftsabbruch kam für meine Mutter nicht infrage und in Mutter Jenke, die in meiner Ankunft ein Geschenk Gottes sah, fand sie Unterstützung.

Es folgten die letzten Kriegsjahre mit mehreren Umzügen innerhalb Letters, Verharren in Luftschutzkellern, in denen ich zur Ablenkung an Mutters Brust nuckeln durfte, kalte Winter mit angefrorenen Windeln auf der Wäscheleine (heute nimmt man Pampers, die anschließend entsorgt werden), Hamsterfahrten ins ländliche Nendorf im Tausch gegen Zucker, den Gerda während ihrer Campagne-Tätigkeit in der Zuckerfabrik Weetzen organisieren konnte. Tapfer hat sie auch ihre Englisch-Kenntnisse hervorgekramt, um in der Rektor-Wohnung persönliche Erinnerungsstücke vor den amerikanischen Soldaten zu retten. Ihr Vater wurde seines Amtes enthoben und mußte zur Entnazifizierung zusammen mit anderen in Hannover Bauschutt wegräumen. Bevor seine Pension durch war, war Gerda die einzige Ernährerin der Familie durch ihre Arbeit in der Zuckerfabrik und später bei Riedel de Haen in Seelze. Sie mußte sich um die Alimente kümmern und meine vielen Kinderkrankheiten machten ihr das Leben nicht leichter.

Dennoch schaffte sie es, sich eine eigene Wohnung zu erwerben (damals mußte man noch verlorenen Baukostenzuschuß zahlen) und von den Eltern unabhängig zu werden. Somit war sie den beengten Wohnverhältnissen entronnen und auch ich konnte endlich ein eigenes Zimmer bewohnen. In diesem Zimmer schreibe ich heute den Bericht über eine starke Frau, die sich von ihrem ersten selbstverdienten Geld einen Skiurlaub gönnte und auch sonst gern und viel auf Reisen ging. Oft war ich mit dabei und diese gemeinsamen Erinnerungen möchten wir nicht missen.

Im Dezember 1960 starb ihre Mutter und der Vater gab danach die alte Wohnung auf und zog zu seiner Tochter. Gerda hatte nun wieder zwei Männer in ihrer Wohnung. Aufgrund seines hohen Alters und seiner Durchblutungsstörungen wurde ihr Vater immer hinfälliger und sie übernahm seine Pflege. Eine Zeitlang konnte sie halbtags arbeiten, aber dann wollte die Firma dies nicht mehr und sie entschloß sich, zu kündigen, um sich ganz der Pflege ihres Vaters widmen zu können. Im Mai 1974 starb er im Alter von 86 Jahren. Die Firma Riedel de Haen wollte sie nicht wieder einstellen, so daß sie dann eine halbehrenamtliche Stelle in der Geschäftststelle des Deutschen Alpenvereins annahm, in dem sie lange Jahre Mitglied war. Ihre Rente sah daher nicht so rosig aus, aber sie hatte ja inzwischen mit Vaters und mit meiner Hilfe eine Eigentumswohnung erworben, die zunächst vermietet wurde. Nach dem Tod ihres Vaters zog sie bald in ihre neue Wohnung und ich behielt die alte.

Noch heute profitiert sie von ihrer damaligen Initiative und dem eisernen Sparen um das hohe Ziel zu erreichen, denn die Mieteinnahmen aus ihrer alten Eigentumswohnung kann sie jetzt gut gebrauchen.
Sie wohnt jetzt im betreuten Wohnen des "Alten Krug" und sagt von sich trotz Krankheit " Ich bin zufrieden". Was will man (ich) mehr?

Leinerundgang
wieder daheim
Bürgerreporter:in:

Wolfgang Jenke aus Seelze

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