Der große Brand in Seelze - 30.Juli 1755

Georg II. August (1683-1760) Kurfürst von Hannover, König von Großbritannien
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30.Juli 1755 – Der große Brand in Seelze

Was war also geschehen?
In Hannover war am letzten Wochenende im Juli großer Markt, der bis Mittwoch dauerte und viele Leute aus der Umgebung anlockte. Dieses Mal um so mehr, da er die seltene Gelegenheit bot, in Herrenhausen den Kurfürsten von Hannover zu sehen, der als englischer König Georg II. sein Kurfürstentum von England aus regierte und nur gelegentlich seine hannoversche Heimat besuchte. Am Mittwoch, dem 30. Juli 1755, waren aus diesem Grunde auch viele junge Leute aus Seelze nach Hannover gegangen, um sich noch einmal am bunten Markttrubel zu erfreuen und vielleicht mit etwas Glück ihren Herrscher und den Hofstaat zu erblicken. Es war Hochsommer, heiß und trocken und stürmisch.

Um die Seelzer Kirche herum standen dicht gedrängt die kleinen Kirchhöfnerhäuschen, die Schule, das Küsterhaus und das Pfarrwitwenhaus. Südlich der Kirche, in geringem Abstand, kleine Höfe, ganz dicht nebeneinander. Alle Häuser in Fachwerk gebaut und mit Stroh gedeckt.

Es hieß das Feuer fing bei Hans Hinrich Hengstmann an, er wohnte an der Schmiedestraße. So etwa gegen 15.00 Uhr. Aber ganz gleich, ob das Feuer dort oder auf dem Kirchhof ausbrach, wie an anderem Orte geschrieben wurde, der "erschreckliche Sturmwind" trieb das brennende Dachstroh so schnell von Haus zu Haus, dass an eine Bekämpfung des Feuers gar nicht zu denken war, auch wenn alle jungen Leute zur Stelle gewesen wären.

Pastor Mensching konnte seine Mutter und wenige persönliche Sachen noch über Hans Heinrich Buhses Grundstück zu Christian Dierkings Hof jenseits der heutigen Bremerstraße bringen, in der Hoffnung, das Feuer würde dessen Haus nicht erreichen.
Bernd Heitmüllers Haus und Scheune standen zu dem Zeitpunkt noch, doch geht aus den Geldregistern und Holzzuweisungen hervor, dass auch dieser Halbmeierhof sowie ein Großkötnerhof und das Haus Nr.34 abbrannten.
Das trockene Dachstroh, die auf den Böden liegenden Erntevorräte, das Eichenfachwerk, die Holzfußböden, Möbel und dergleichen, alles muss so schnell vom Feuer erfasst worden sein, dass die Bewohner froh waren, mit dem Leben davongekommen zu sein und nur wenig mehr retten konnten, als was sie am Leibe trugen.

Man kann sich vorstellen, wie alles umher voll Flammen und Glut und Hitze und Rauch war.

Bis die Leute aus den umliegenden Dörfern das Feuer gewahr wurden und zu der Brandstelle liefen, war etwa dreiviertel Stunde vergangen, "niemand aber wagte ins Dorf zu kommen, denn allenthalben war Feuer".

Bei einem einzelnen brennenden Hof hätte das Feuer vielleicht unter Kontrolle gebracht werden können, in diesem Inferno aber war jeglicher Löschversuch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Einen Löschteich gab es in Seelze nicht. Fast jedes Haus hatte seinen eigenen, auch waren lederne Löscheimer sowie Holzeimer vorhanden, doch bis das Wasser aus dem Brunnen heraufgeholt war und in den Eimern von Hand zu Hand weitergereicht werden konnte, wäre es viel zu spät gewesen, das Feuer wirksam zu bekämpfen.
Alle Hände waren nötig, um das mindeste zum Leben erforderliche aus den brennenden Häusern zu retten.

Gottlob waren alle mit dem Leben davongekommen, nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte das Feuer die Menschen im Schlaf überrascht.

Wie viele waren nun an diesem Tag obdachlos geworden, und wo sollten sie untergebracht werden? Wie viel Hausgerät wurde gerettet? Wie viel landwirtschaftliches Gerät? Wo sollte das Vieh untergebracht werden? Wie schnell konnte man das Abgebrannte wieder aufbauen? Wann würde man das dafür notwendige Holz bekommen? Fragen über Fragen.
Der Vorsteher Christian Dierking stand vor schwierigen Aufgaben.

Pastor Mensching:"... ich blieb bei Christian Dierking und die übrigen Mitverunglückten ein jeder wo er konnte."

23 Häuser blieben vom Brand verschont, in denen die Bewohner der 21 abgebrannten Häuser Zuflucht suchen mussten. Zerstört waren auch zwei Tischlerwerkstätten und eine Schmiede, mehrere Leineweber hatten ihre Webstühle verloren. Was mögen die Menschen empfunden haben, als sie am anderen Morgen vor den noch glimmenden und qualmenden Resten ihrer Häuser standen? Konnte in den Aschenhaufen überhaupt noch etwas Brauchbares sein? Waren vielleicht noch einige Balken zum Bau einer notdürftigen Unterkunft verwendbar?

Holz zum Bauen war nur über das Amt Blumenau zu bekommen. Es war Eichenholz für das Fachwerk, das erst im Winter geschlagen wurde, Die Häuser konnten also nicht vor dem Frühjahr 1756 aufgebaut werden, monatelang mussten die Abgebrannten in ihren Notquartieren ausharren.

Als die Häuser dann schließlich fertig waren und die Besitzer einziehen konnten, um endlich in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen, brachte der Siebenjährige Krieg neue Belastungen mit Besetzung und Einquartierung durch französisches Militär.

Wenn es nicht die ausführlichen Pfarrakten und Aufzeichnungen Pastor Menschings gäbe, wüssten wir wenig über die damaligen Ereignisse. Gemeindeakten aus der Zeit gibt es nicht. Bekannt ist auch nicht, ob die durch das Feuer Geschädigten außer dem Steuererlass noch Geldzuweisungen oder Sachspenden von der Gemeinde erhielten. Wir wissen lediglich, daß Pastor Mensching eine Geldspende seiner Amtsbrüder aus der Inspektion Wunstorf der Hannoverschen Landeskirche zugute kam. Er hatte bei dem Brand von seinem persönlichen Besitz ja nur wenig mehr retten können, als was er am Leibe trug. Bei der nun einsetzenden nasskalten Witterung erwies sich dieser alte Sommerrock aber als zu dünn, doch fehlte das Geld für eine Neuanschaffung. Ferner ist bekannt, dass der Organist Lütkemüller 30 Rtl. (Reichstaler) aus der Seelzer Kirchenkasse erhielt.

An Armengeld wurde ferner "von im Feuer gewesenen und aus der Asche gelesenen Gelde den 17. August = 5 RtI." gezahlt.

Aus der brennenden Kirchenlade waren nur Rechnungsbücher und 271 Rtl. gerettet worden; vom Feuer zerstört wurden sämtliche Kirchenregister, Kirchenbücher und andere Pfarrsachen. Da die Kirchenbücher zu damaliger Zelt als "Einwohnerregister" dienten und nun vernichtet waren, wurden in der Folgezeit die Lehrer in allen Orten des Kirchspiels Seelze angewiesen, die Einwohner zu erfassen. So entstanden die noch im Pfarrarchiv aufbewahrten Einwohnerlisten von Döteberg, Gümmer, Harenberg, Letter und Lohnde. Jede Familie ist darin namentlich aufgeführt mit zwei bis drei Generationen, zum Teil mit Altersangabe und Herkunft. Eine Aufstellung für Almhorst fehlt leider.

Für Seelze gibt es eine Liste vom 1.Januar 1756, in der nur die Hauswirte mit Namen genannt werden, alle anderen Personen sind nur in den entsprechenden Rubriken für Geschlecht und Alter mit Strichen eingezeichnet. Anhaltspunkte für Familiengrößen liefern die Höfechroniken von Konrektor Wittmeyer im Stadtarchiv Seelze, so dass die Anzahl der beim Brand obdachlos gewordenen Personen mit etwa 39 Erwachsenen und 36 Kindern beziffert werden kann, dazu kamen sicher noch einige Knechte und Mägde.

Der Küster, Organist und Lehrer Johann Christian Lütkemüller kam mit seiner neunköpfigen Familie im Leibzuchthaus (Altenteilerhaus) des Vorstehers Dierking unter; bei Heinrich Schlette im Nachbarhof Nr. 5 konnte er eine Schulstube einrichten.

Pastor Mensching war darum bemüht, so schnell wie möglich einen passenden Ort zu finden, wo er Gottesdienste halten konnte. Der Seelzer Gutsherr, Oberamtmann von Hugo, der in Stolzenau lebte, bot dem Pastor Wohnung auf dem Gutshof und stellte einen Teil der Scheune zum Ausbau zu einer Notkirche zur Verfügung. Die Seelzer Tischlerwerkstätten waren dem Brand zum Opfer gefallen. Aus Rechnungen des Pfarrarchivs Seelze geht hervor, dass der Tischlermeister Pfingsten aus Kirchwehren den Holzfußboden für diese Notkirche legte, zwei ‚Priechen’ (Emporen) übereinander einbaute und die Sitzbänke anfertigte.

Pastor Mensching: "Am 13 p Tr [13. Sonntag nach Trinitatis] predigte ich in dieser gewiss kläglichen interim Kirche"

Die Pfarrakten und Kirchenrechnungen geben Aufschluss über den Wiederaufbau der kirchlichen Gebäude. Die Fußquadersteine für das Pfarrhaus wurden in Barsinghausen zurechtgehauen und mit Pferdewagen nach Seelze gebracht. Die Fuhrleute bekamen von Pastor Mensching einen schriftlichen Ausweis mit der Bitte an die (Wege-)Zolleinnehmer, die Fuhren frei passieren zu lassen. Wegegeldstationen waren z.B. in Barsinghausen, Groß Munzel und Seelze, aber auch in Gümmer und Wunstorf.

Das Eichenholz zum Ständerwerk kam aus den Königlichen Forsten und wurde vom Zimmermeister Schaper aus Döteberg aufgestellt. Aus dem Harz ließ der Holzhändler Jügling Tannen bzw. Fichtenholz auf dem Wasser herbeischaffen und bei den Ricklinger Wiesen aus der Leine schleppen. Maurerarbeiten führte der Ratsbaumeister Schilling aus Hannover aus. Das Pfarrhaus wurde mit 7000 Dachsteinen gedeckt, das Küsterhaus und später auch die Pfarrscheune bekamen wieder ein Strohdach. Ein gesondertes Schulhaus wurde nicht wieder gebaut, die Kinder erhielten ihren Unterricht im Küsterhaus.

Die Pfarrscheune wurde 1759 fertig und diente dann bis 1767 als Notkirche. Anfangs hatte der Vorsteher den Beginn des Gottesdienstes in der Notkirche durch Hornblasen angekündigt; die Gemeinde fand aber, das höre sich gar traurig an, und so wurde die Schulglocke aus Lohnde ausgeliehen.

Mehr als 45 Zentner Metall der fünf geschmolzenen Glocken konnten aus der Asche der ausgebrannten Kirche gesammelt werden und zur Anfertigung zweier neuer Glocken Verwendung finden. Die Größere erhielt folgende Inschrift:
"Ich und meine 4 Schwestern zerschmolzen in der Feuersbrunst am 30.Juli 1755. Die Gemeinde zerfloss in Thranen; denn statt unser rief ein Horn sie zur Kirche. Sie fand mein Edelgut in der Asche, ließ mich umgießen, als Gott sie segnete, Joh. Heinr. Christ. Weidemann goß mich in Hannover Anno 1756 zu der Zeit der Kirchenvorsteher Joh. Wilh. Lueder, Sup. zu Wunstorf Heinr. Jonas Rettberg, Oberamtmann zu Blumenau u. des Pastors Ludwig Christian Mensching Durchmesser 1,32 m, Gewicht 26 Ztr."

In einem schlichten überdachten Glockenstuhl wurden die beiden neuen Glocken vorläufig aufgehängt. Der Bau der Kirche verzögerte sich wegen der Unruhen des Siebenjährigen Krieges (1756-1763). Erst 1764 begann Konsistorial-Sekretär Arenholz mit der Ausarbeitung der Baupläne, dem Finanzierungsplan und dem Auswählen der Handwerker. In der Zeit vom 1.Januar 1766 bis 25. März 1769 wurde die Kirche gebaut. Die Glocken bekamen nun ihren Platz im Turm, der allerdings vorerst ohne Spitze blieb und nur ein einfaches Dach erhielt.

Über 100 Jahre später erst wurden 1876 der von Baurat Hase entworfene achteckige Helm und die vier Ecktürmchen aufgesetzt.

Angaben (Zahlen und Fakten) der Geschichte aus den "Seelzer Geschichtblättern" Nr. 2 von 1993

Bürgerreporter:in:

Andreas Schulze aus Seelze

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