Interview: Obentraut und die Nachkriegszeit - ein Pfadfinderleben

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Wir erinnern uns, Lothar Wolff hatte mir in einem Interview erzählt, dass der heutige Stamm der Pfadfinder einen Vorgänger in Seelze hatte, der den Namen Obentraut trug. Bei dem Fest "Obentraut bittet zu Tisch" lief mir Horst Labitzke über den Weg, der Zufall wollte es: Am Stand des Obentraut-Weingutes. Wir verabredeten uns, über das Thema Pfadfindervergangenheit zu sprechen. Horst Labitzke war schon beim Sortieren von Bildern, als unser Gespräch begann.

Wie entstand 1949 überhaupt die Idee, in Seelze einen Pfadfinderstamm zu gründen?
Horst Labitzke: Mein Vater Hermann Labitzke hatte schon in seiner Heimat den Pfadfindern angehört. Er war wie auch ein kleiner Kreis gleichaltriger in Jugendgruppen der Gemeinde aktiv und wollte gern die Pfadfindergedanken wieder aufleben lassen.

Konnte man denn so einfach einen Stamm gründen?
Nein, man musste sie Gründung beim damaligen Gau Calenberg genehmigen lassen. Der Anstoß hierzu erfolgte am 1.Mai 1950 Im November 1951 durfte sich der neue Stamm dann Michael von Obentraut nennen.

Wie kam es denn zu diesem Namen?
Namensgebung war in den Jahren nach dem Krieg nicht so einfach. Das Obentraut-Denkmal war nun einmal ein bedeutendes Zeichen in Seelze und so war es nahe, diesen Namen zu wählen. Wir beschäftigten uns später auch mit seiner Geschichte und es gab sogar eine Fahrt zur Stammburg.

Wie viele aktive Pfadfinder gab es zu der Zeit?
Es entstanden 3 Sippen mit unterschiedlichen Altersklassen. Ich war bei den jüngsten dabei, bei den Kimbern. Mit dem entstehen dieser dritten Sippen waren wir wohl ca. 70 Pfadfinder. In dieser Sippe waren auch viele Jungs aus Letter und Havelse.

Wie sind Sie denn zu den Pfadfindern gekommen?
Ganz einfach. Mein Vater hatte mich immer mit genommen. So war ich Wölfling geworden, also gehörte zu den jüngsten „Einsteigern“.

Warum ging man damals zu den Pfadfindern?
Es gab klare Strukturen. Man hatte wenig Geld und wenn man gemeinsam auf Fahrt ging, war manches gemeinsam möglich. So hatte zu der Zeit nicht jeder Jugendliche ein eigenes Fahrrad. Um weitere Ziele doch recht schnell gemeinsam zu erreichen, machten wir einen Pfadfinderlauf.

Was ist das?
Wir hatten zum Bespiel oft gemeinsame Wochenenden auf einer Fläche in Resse, die mal zum Bau einer Autobahn vorbereitet war. Sie war also schön eben. Dort stellten wir Zelte auf. Um dahin zu kommen, ging die Hälfte der Gruppe zu Fuß los und die andere Hälfte fuhr mit dem Rad. Bei der Hälfte des Weges wurde getauscht, die Radfahrer gingen, die Wanderer fuhren. So war man schneller – darum Pfadfinderlauf.

Hatte der Stamm noch etwas mit christl. Glauben zu tun?
Oh ja, wir waren regelmäßig am normalen Gottesdienst beteiligt und hatten auch eigene Gottesdienste, wo wir mit Wimpeln einzogen. Christl. Werte waren uns immer wichtig.

Hat Sie diese Zeit geprägt?
Eindeutig aus mehreren Gründen.
Wir waren eine Notgemeinschaft. Hatten zum Beispiel die Eltern eines Jungen geschlachtet, gab es für alle bei der nächsten Wochenendfahrt Wurst. Wir wurden also wenigstens am Wochenende satt.
Unsere Gemeinschaft stand unter dem Kreuz. Abende lang diskutierten wir über Bibeltexte. Und wenn wir uns bis 22.30 Uhr oder später heiß diskutiert hatten, war es selbstverständlich, dass wir bei Pastor Behrens klingelten und er auch zu dieser späten Stunde für unser Problem da war.
In der Gemeinschaft waren wir stark. Ich erinnere mich an einen Seelzer Stadtlauf. Wir haben alle Vereine in Grund und Boden gelaufen.
50% der Pfadfinder waren Flüchtlinge und es war unser, speziell auch mein Weg zur Integration - wie man heute sagen würde. Heute bin ich Seelzer.

Gibt es Verbindungen zu ehemaligen Mitgliedern dieser Gemeinschaft heute noch?
Eindeutig ja. Und ich kann noch heute in besonderer Weise mit jedem reden. Viele von ihnen sind heute in Ehrenämtern in Seelze tätig. Auf den alten Bildern sind sie zu finden.

Wie kam es zur Auflösung des Stammes Obentraut?
Berufliche Herausforderungen machten regelmäßige Treffen einfach nicht mehr möglich. Zum Teil wurden wir in alle Himmelsrichtungen verstreut. Das Problem gibt es also nicht erst heute. Die erst später gebildete Gruppe der Mädchen hat übrigens länger bestanden.

Was unterschied den damaligen Stamm vom heutigen Stamm in Seelze?
Wir waren damals stolz auf die Lilie auf unserem Hemd, auf das Tuch, das zunächst von einem Röhrenknochen gehalten wurde – später war der Knoten aus unterschiedlichen Materialien. Aber neben der Lilie ließen wir nichts zu. Dazu waren wir zu stolz darauf, sie zu tragen. Heute ist es üblich, Zeichen auszutauschen und als Trophäe auf dem Hemd zu sammeln.

Die Schwarz-Weiß-Bilder wurden mir von Herrn Labitzke zur Verfügung gestellt. In dem Gespräch nannte er viele Namen aus der damiligen Pfadfinderzeit. Ich habe sie alle weg gelassen. Vielleicht erkennt sich der eine oder andere auf den Fotos wieder ..... zum Beispiel der, der immer 15 Puffer essen konnte!

Bürgerreporter:in:

Evelyn Werner aus Seelze

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