„Kultur gibt den Menschen eine gewisse Sicherheit“
Als Leiterin des Amtes für Kultur und Öffentlichkeitsarbeit ist Claudia Freitag-Mair für das Museum im Pflegschloss, das Europäische Spargelmuseum, das Lenbachmuseum und das Handwerkermuseum im Zeiselmairhaus zuständig. Mit myheimat unterhielt sich Claudia Freitag-Mair über den Zusammenhang zwischen Kunst und Werbung, die Rahmenbedingungen der Picasso-Ausstellung, die identitätsstiftende Funktion von „Kultur“ und Kulturpolitik in wirtschaftlich angespannten Zeiten.
myheimat: Anfang des Jahres 2008 gab es eine Kunstausstellung mit dem Titel „Verführung – Frühe Werbung in Schrobenhausen“. Was hat Werbung konkret mit Kunst zu tun?
Freitag-Mair: Die Ausstellung im Museum im Pflegschloss zeigte historisch und künstlerisch wertvolle Werbetafeln, die vor mehreren Jahrzehnten die Schrobenhausener Bürger zum Kauf der angepriesenen Waren und Dienstleistungen „verführen“ sollten. Zu jeder Werbung braucht man Phantasie, muss ausprobieren und deren Wirkung auf die Leute studieren. Bei Bildern ist es genau dasselbe, ein gemaltes Bild kommt noch lange nicht an bei den Leuten, nur weil es gemalt ist, es muss ansprechen, gefallen. So verhält es sich auch mit der Werbung. Es ist ein Wechselspiel. Wenn man bei einem Werbeplakat den Zweck der Werbung ausblenden kann und die stilistischen Mittel gut sind, kann man von Kunst sprechen. Ist hingegen die Intention des Werbemachers im Vordergrund, wird es schwierig das Ganze als Kunst zu sehen. Die Werbung hat in vielen Bereichen die Funktion übernommen, die früher die Kunst hatte: eine Botschaft, an den Betrachter zu senden, die im Kunstwerk verpackt ist.
myheimat: Von Mitte April ab widmete sich eine Sonderausstellung dem weltbekannten Künstler Pablo Picasso. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit man nicht veröffentlichte Probeabzüge eines derart renommierten Künstlers nach Schrobenhausen bekommt?
Freitag-Mair: Einzigartige Probeabzüge, die ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit und nur für den Künstler bestimmt waren, gaben Einblicke in das Experimentieren und Ausprobieren Picassos mit grafischen Techniken. Diese Blätter nach Schrobenhausen zu holen, war nicht ganz so einfach, wie man dachte. Mehrere Gespräche mit den Leihgebern waren nötig, um den Rahmen abzustecken, bis schließlich die Voraussetzungen stimmten. Neben den konservatorischen Anforderungen wie Klimatisierung, Lichtverhältnisse und Objektsicherung waren die Alarmüberwachung und die personelle Besetzung wichtige Kriterien. Letztendlich haben aber auch das Umfeld und die schönen Räume des Museums den Leihgeber überzeugt, die Blätter nach Schrobenhausen zu geben.
myheimat: Mit welchem Aufwand wurde gearbeitet, um Kunstwerke des weltbekannten Picasso zeigen zu dürfen?
Freitag-Mair: Die Ausstellung kam von einem privaten Sammler, der das Konzept der Ausstellung auf unsere Räume hin überarbeitete. Nach genauesten Überprüfungen der räumlichen Gegebenheiten konnte sich der Leihgeber davon überzeugen, dass die Voraussetzungen stimmen. Spezialisten und besonders geschultes Personal übernahmen den Transport und den Aufbau der Ausstellung, Mitarbeiter des Museums sind speziell für diese Ausstellung geschult worden.
myheimat: Zum dritten Mal organisierte das Jugendparlament eine Ausstellung „Schrobenhausener Jugend zeigt Kreativität“. Wie wichtig ist es, Jugendliche in Sachen Kunst & Kultur zu fördern?
Freitag-Mair: Sie sprechen hier einen Punkt an, der uns sehr am Herzen liegt, die Förderung der Jugend. Daher versuchen wir schon seit geraumer Zeit Jahr für Jahr diese Aktion der Schrobenhausener Jugend zu unterstützen. Wir wollen Kinder und Jugendliche dazu ermutigen, sich mit Kunst auseinanderzusetzen, ihre Ideen kreativ umzusetzen und außerhalb der Schule künstlerisch aktiv zu werden. Auf diesem Weg möchten wir die nachfolgenden Generationen an ein Museum heranführen, Hemmschwellen abbauen und sie aktiv mit in die museale Arbeit einbinden. Eine künstlerische Tätigkeit, sei es Malen, Musizieren oder Theater spielen, überträgt sich auch auf andere wichtige Lebensbereiche. In zahlreichen Gesprächen mit Künstlern, Pädagogen und Theaterleuten haben wir immer wieder erfahren, dass Jugendliche, die künstlerisch-kreativ tätig sind, auch in anderen Bereichen bessere Leistungen erbringen und deren Selbstbewusstsein damit zunimmt.
myheimat: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten stehen oft die Ausgaben für kulturelle Einrichtungen wie Stadt- und Staatstheater, Bibliotheken oder Museen besonders auf dem Prüfstand. Häufig werden leider gerade in diesen Bereichen Kürzungen vorgenommen. Befürchten Sie negative Auswirkungen der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise? Sind Sie mit der finanziellen Unterstützung durch die Stadt zufrieden?
Freitag-Mair: Kulturstaatsminister Bernd Neumann äußerte sich vor kurzem zu diesem Thema. Seiner Meinung nach sei die Kultur in Deutschland durch die aktuelle Finanz- und Bankenkrise nicht in Gefahr, da vor allem die öffentliche Kulturförderung in Deutschland gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten einen Stabilisierungsfaktor darstelle. In Schrobenhausen wird die Kultur in erste Linie aus öffentlichen Mitteln finanziert. Bleibt uns zu hoffen, dass Herr Neumann Recht behält und weiterhin entsprechende Mittel für die Kultur zur Verfügung stehen, denn wenn die bisher ohnehin schon knapp bemessenen Mitteln noch mehr gekürzt werden sollten, wird es wirklich schwierig, gute Kulturarbeit und gute Arbeit in den Museen zu leisten.
myheimat: Gerade in ökonomisch angespannten Phasen muss sich der Bereich „Kunst & Kultur“ argumentativ behaupten. Warum braucht der Mensch „Kultur“?
Freitag-Mair: Kultur hat viel zu tun mit Identität und Haftung. Kultur ist genauso wichtig wie Verteidigung, sie gibt den Menschen eine gewisse Sicherheit. Wenn wir den Begriff der Kultur demjenigen der Natur gegenüberstellen, dann ist Kultur alles, was der Mensch von sich aus verändert und hervorbringt, während der Begriff Natur dasjenige bezeichnet, was von selbst ist, wie es ist. Kulturleistungen sind daher alle formenden Ge- und Umgestaltungen eines gegebenen Materials sei es in der Technik, der Bildenden Kunst, aber auch geistiger Gebilde wie etwa im Recht, in der Moral, der Religion, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Kultur spricht also alle Bereiche der menschlichen Existenz an und ist für die Entwicklung der Individuen und auch für die Weiterentwicklung der Gesellschaft unabdingbar.
myheimat: Als Leiterin des Amtes für Kultur und Öffentlichkeitsarbeit sind Sie unter anderem auch für die Städtischen Museen zuständig: für das Museum im Pflegschloss, das Europäische Spargelmuseum, das Lenbachmuseum und das Handwerkermuseum im Zeiselmairhaus. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass gerade in Schrobenhausen eine derartig vielfältige Museumslandschaft entstanden ist?
Freitag-Mair: Vier Museen in einer Stadt wie Schrobenhausen ist wirklich bemerkenswert. Viele engagierte Bürger setzten und setzen sich immer wieder für die Museen und Sammlungen der Stadt ein. Der Historische Verein, 1901 gegründet, legte bereits 1903 den Grundstock für seine Sammlungen, die heute im Museum im Pflegschloss gezeigt werden. 1937 brachte Lolo von Lenbach, die Witwe des berühmten Malerfürsten Franz von Lenbach, Studien und Gemälde zusammen mit dem Geburtshaus des Malers in eine Stiftung ein. In den 1980er Jahren schließlich gründete eine Gruppe engagierter Museumsfreunde das Deutsche und heutige Europäische Spargelmuseum, in den 1990er Jahren baute die Stadt das Zeiselmairhaus zu einem weiteren Museum aus. Die Vielzahl der Museen in Schrobenhausen ist aber nicht nur dem Engagement zahlreicher Bürger zu verdanken, sondern auch der vorhandenen historischen Bausubstanz. Äußerst interessante, denkmalgeschützte und für die Geschichte der Stadt bedeutende Gebäude sind wieder in Stand gesetzt und werden heute als Museen genutzt.
myheimat: Bieten Sie speziell für Kinder zugeschnittene museumspädagogische Programme an? Wie kann man das Credo eines „lebendigen Museums“ erfüllen?
Freitag-Mair: Vor einigen Jahren hatten wir zusammen mit professionellen und erfahrenen Museumspädagogen verschiedene Projekte entwickelt, die nach wie vor angeboten werden. Speziell auf den jahreszeitlichen Ablauf abgestimmte Projekte wie „Osterwerkstatt“ oder „Weihnachtliches Brauchtum“ ergänzen sich mit inhaltlichen Aktionen wie „Vom Entwurf zur Medaille“ oder „Historische Spielzeugfigürchen“. Zu den meisten Sonderausstellungen werden spezielle Aktionen angeboten, die Kinder und Schüler nutzen können. Es gibt auch einen „Museumsführer für Kinder“, der im Rahmen einer Projektarbeit an der Maria-Ward-Realschule in Schrobenhausen entstanden ist und in Fragen und unterschiedlichen Arbeitsaufgaben Kinder an das Museum heranführt. Ein lebendiges Museum entsteht dann, wenn die Besucher bei verschiedenen Veranstaltungen aktiv teilnehmen können, dabei sollte aber immer der Charakter eines Museums gewahrt werden und die Aktionen nicht zu reinen Events ausarten.
myheimat: Wenn eine „Museums-Fee“ vorbeikäme und ihnen mehrere hochkarätige Ausstellungen anbieten würde. Zu welchem Thema bzw. zu welcher Person würden Sie mal gerne eine Ausstellung machen?
Freitag-Mair: Das Lenbachhaus in München verfügt über ausgezeichnete Sammlungen moderner Kunst, eine Ausstellung mit Werken der Künstlergruppe „Blaue Reiter“ wäre eine tolle Sache für Schrobenhausen. Spannend wäre auch eine Ausstellung mit Bildern der französischen Impressionisten, ihnen gegenüber gestellt Franz von Lenbachs Frühwerk, das ja sehr viel mit der Freiluftmalerei dieser Meister zu tun hat.
myheimat: Auf welche kulturellen Highlights bzw. Ausstellungen dürfen sich die Schrobenhausener im Jahr 2009 freuen?
Freitag-Mair: Die Planungen für 2009 sind abgeschlossen und eines der Highlights wird sicher die Ausstellung mir Originalgrafiken des bekannten österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Die Jugendkunstausstellung, das Museumsfest und der Weihnachtsmarkt bleiben als feste Einrichtungen bestehen. In mehreren Ausstellungen mit regionalen und überregionalen Bildhauern und Malern dürfen sich die Schrobenhausener auf ganz besondere Werke freuen. Anlass zu einer Ausstellung, in der sich die Partnerstädte Schrobenhausens vorstellen, ist die 20-jährige Partnerschaft mit der österreichischen Stadt Perg. Auch im Bereich Musik und Literatur sind unterschiedliche Veranstaltungen geplant.