"Jedes Jahr - gleiche Zeit" - Kleiner Besuch auf dem Hohen Peissenberg, 27.04.2018
Liebe Leser,
schon oft habe ich hier, auf diesen Seiten, meine Heimat vorgestellt, mit meinem Geburtsort Hohenpeißenberg und dem dazugehörigen, gleichnamigem Berg; werbewirksam auch "Bayrischen Rigi" genannt. Der weiße Kirchenbau, ganz oben am Gipfel, leuchtet bis weit ins Ammer-Gebirge hinaus und lockt viele Besucher in den sogenannten "Pfaffenwinkel".
Mich aber, lockt heute wieder einmal die alte Heimat und die fantastische Weitsicht, die man von ganz oben am Berg genießen kann: Ein Traumblick auf die gesamte Alpenkette von Ost nach West, bis hin zu den Allgäuer Alpen.
Jedes Jahr, so ungefähr zur gleichen Zeit im Frühling, stehe ich am Platz vor der Berg-Kirche, der von einer uralten Steinmauer der Länge nach, eingesäumt wird. Hier öffnet sich bei klarem Wetter ein Pracht-Blick auf die Alpenkette. Ich stehe da und freue mich wie immer, dass ich hier geboren bin und genau hier, meine Wurzeln habe.
Leider versperren gerade heute ein paar Dunst- und Quellwolken die gute Sicht ins Gebirge. (Keine Bergfotos). Macht nichts! Längst habe ich alles verinnerlicht, denn hier gehöre ich hin! Hier bin ich geboren und zur Schule gegangen. Nur 20 Schritte von der Kirche entfernt, im alten Schulgebäude - das jetzt langsam aber stetig dem Verfall überlassen bleibt - habe ich meine Aufsätze geschrieben und für meine sportlichen Leistungen Note Fünf bekommen. Im Vertrauen: Ich konnte Wettkämpfe wie Weitspringen und Völkerball, noch nie leiden. -
Nun stehe ich in der Sonne, vor der Kirchhof-Mauer, lasse meine Blicke hinuntergleiten bis zur Bergstraße, genau dorthin, wo mal mein Schulweg war. Nebenan, in einer eingezäunten Wiese, wird bereits gemäht. Reihe für Reihe, in geraden Linien, fährt ein Traktor auf und ab. Vor ein paar Wochen lagen hier noch die letzten Schneereste. Die Zeit vergeht sooo schnell! Jetzt haben wir schon wieder Ende April!
Wie damals, als Schulkind, suche ich mir einen sonnigen Sitzplatz auf den breiten Steinplatten der Hof-Mauer. Andere, meist ausgepowerte Radfahrer, die sich mühsam und aus eigener Kraft den Berg herauf geschunden haben, hatten die selbe Idee. Smartphon und Kameras werden bemüht, diesen besonderen Logenplatz auf dem Berg, für die Daheimgebliebenen zu dokumentieren.
"Dort, wo im Augenblick eine kleine Wolke über den Berggipfeln hängt, müsste die Zugspitze sein"... erklärt mir einer der Radsportler. Ich gebe mich völlig gelehrig. Gerne höre ich die Menschen um mich herum reden, ich habe ja Zeit, ganz viel Zeit...
Über unseren Köpfen schlägt die Kirchturmuhr genau dreimal. Drei kurze Schläge, danach wieder Stille. Es ist also Dreiviertel vor ......? Dreiviertel......vor was? Die Stundenzahl kann ich nicht erkennen. So weit hinauf, reicht heute mein Blick nicht.
Ach was! Was juckt mich die volle Stundenzahl! Heute interessiert mich das einfach nicht! Warum sollte ich das wissen wollen? - Jetzt ist Jetzt! Heute will ich das einfach nicht wissen! Heute will ich so jung und lebendig sein, wie ich mich fühle! Und nicht wie es mir die Zahlen "7" und "3" einflüstern wollen.
"Frühling ist's! ..." Das bekannte "blaue Band" habe ich zwar nicht dabei, aber egal....ich will leben und neu (auf)blühen! Gerade so, wie die kleinen, zarten Apfelblüten - dort, auf der Steinmauer.
P.S. Ich wollte nicht ohne Geschenk gehen. Der Apfelbaum hat mich zum Glück gewähren lassen. (Foto 2). Dieser Tag brauchte ein Geschenk und eine Botschaft. Eine Botschaft von MIR zu DIR. Schließlich war es erst "Dreiviertel vor......" ;-))))
Text und Fotos: Heidi K.
Danke für deine Zeilen, liebe Roswitha.
Die Blüten auf der Mauer - es ist ein Zufallsfoto das in meinem Kopf entstand. Es hat natürlich eine gewissen Symbolik. Die krassen Gegensätze von hartem Stein und zarter, verletzlicher Blüte, faszinieren mich schon sehr.
Ist es im Leben nicht oftmals ähnlich? Das stehen wir mit unseren (zarten) Gefühlen Menschen gegenüber, die eher Stein auf Stein legen und alles zumauern, als dass sie einem Gefühl nachgeben. Mich bringt das zum Weinen.
Ich bin schon lange eine Verehrerin von Udo Lindenberg. Er ist vor Jahren durch seine eigene Verwandlung gegangen. Es war wohl eine Notbremse. Er sagte:
"Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komme nur viel zu selten dazu!!!"
Typisch Udo. Schon könnte man ihn in den Arm nehmen.
Liebste Grüße und danke für deinen Besuch.
Heidi