Brockengeister

Es gibt sie wirklich, die Brockengeister. Nicht nur in der Walpurgisszene von Goethes "Faust".
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Vom Brockengespenst hat vielleicht so mancher Brockenwanderer schon einmal gehört. Das ist eine mystisch wirkende Lichterscheinung, die sich bei flach stehender Sonne und nebelfeuchter Luft ergeben kann. Wenn man auf dem Gipfel des Brockens steht, kann unter diesen speziellen Wetterbedingungen der Schatten des eigenen Körpers auf den nahen, einzelnen Nebeltropfen abgebildet werden. Der Schatten wirkt aber dann so, als wenn er sich in die Weite der Landschaft und des Himmels hinein erstrecken würde, zumal er meist keinen Bodenkontakt hat. Es könnte der Schatten eines Riesen sein, und er kann sich, obwohl man selber still steht, durch Luftveränderungen bewegen. Wer das selber erlebt hat, wird davon beeindruckt gewesen sein. Und für die frühen Bewohner des Harzes war es eben ein Geist, zumal sie auch an Hexen, den Teufel, Trolle und eben Berggeister glaubten. Selbst Goethe soll sich davor erschrocken haben.

Er war im Jahr 1777 in Bergbauangelegenheiten im Harz unterwegs. Es war ein Dezembertag, als er am frühen Morgen von Altenau zum Torfhaus zu Pferde heraufgekommen war. Dort oben sprach er, sich unter einem anderen Namen vorstellend, den Förster Degen an und bat ihn, ihn auf den Brocken zu führen. Dieser lehnte zunächst ab und meinte zu Goethe, dass das bei hohem Schnee unmöglich sei, war doch zu dieser Jahreszeit noch nie jedmand auf dem Gipfel. Zur damaligen Zeit wäre wohl auch niemand auf den Einfall gekommen, den Brocken im Winter zu erklimmen, waren doch Bergbesteigungen noch nicht in Mode. Und Hirten und Kristallsucher waren nur bei den für sie günstigen Wetterbedingungen unterwegs. Doch Goethe ließ nicht locker, der Förster willigte schließlich ein und so standen die beiden, nachdem sie durch hohen Schnee gestapft waren, am Mittag auf dem höchsten Punkt des Harzes und schauten in die Ferne. Goethe legte von diesem Ausblick sogar eine Zeichnung an. Und er soll angeblich damit die erste Winterbesteigung des Brockens vollbracht haben. Natürlich lässt sich das nicht nachweisen, und ob er das Brockengespenst bei diesem oder seinen beiden nächsten Brockenbesuchen gesehen hat, kann ich auch nicht sagen. Aber diese winterliche Erstbesteigung ist eine schöne Geschichte.

Für die frühen Harzbewohner war dieses unerklärliche Abbild des Brockengespenstes jedenfalls unheimlich, und sie fürchteten sich davor. Heute kann die Wissenschaft ein solches Naturphänomen erklären. Und natürlich wissen wir, dass es ein wirkliches Brockengespenst nicht gibt.

Aber gibt es Brockengeister? Ja, es gibt sie wirklich. Und so mancher Brockenbesucher wird sie im Winter mit eigenen Augen gesehen haben. Wenn die Temperaturen, oft weit, unter dem Gefrierpunkt liegen. Wenn sich der Schnee meterhoch auftürmt. Wenn der Wind über die Kuppe fegt. Wenn die Nebel der Wolken an mindestens 300 Tagen des Jahres den Gipfel mit Feuchtigkeit überziehen. Dann sind das die Voraussetzungen, die die Brockengeister mögen, die dann in großer Zahl zum Vorschein kommen. Schon wenn man die Brockenchaussee von Schierke oder im letzten Stück von Torfhaus über den Goetheweg herauf kommt, dann kann man sie sehen. Zu beiden Seiten der vom Tiefschnee frei geräumten Straße zeigen sie sich vereinzelt. Und noch höher, im Gebiet des Rundwanderweges, der unterhalb der Brockenkuppe entlang führt, stehen sie überall, meist unbeweglich und mit dem Boden verwachsen.
Natürlich sind es die Fichten, die in der Höhe der Baumgrenze, die am Brocken um die 1050 bis 1100 Meter herum liegt, als solche meist gar nicht mehr erkennbar sind. Sie sind, je nach Wetterbedingungen, dick mit Schnee beladen oder von Eiskristallen überzogen. Anraum nennt man dieses Phänomen. Die Eiskristalle wachsen dann entgegen der Windrichtung. Und wie fantastisch sieht das aus. So wie nicht von dieser Welt, irgendwie irreal. Aber so wirkt an entsprechenden Wintertagen der gesamte Bereich an der Baumgrenze. Und man staunt darüber, dass die Fichten diese schwere Last von Schnee und Eis überhaupt tragen können, dass sie nicht darunter zusammenbrechen. Nicht selten beugen sie sich fast bis zum Boden hinunter. So elastisch sind sie. Und viele von ihnen sind, unter dem Schnee verborgen, als Bäume nicht mehr erkennbar. Sie gleichen irgendwelchen Fantasiegestalten. Ob Geister, Dinosaurier, Hexen, Riesen oder andere märchenhafte Fabelwesen. Es gibt unter ihnen nichts, was es nicht gibt. Und als Brockenbesucher staunt man über diese Gestalten, die so wunderbar und eindrucksvoll wirken, und man kann sich gar nicht satt daran sehen.

Deswegen lohnt sich gerade im Winter bei hohem Schnee oder eisigen Temperaturen ein Brockenbesuch. Man dringt in eine verzauberte Welt vor, die einen der alltäglichen Welt in tieferen Lagen der Berge oder gar im flachen Land vollkommen entrückt. Zumal dort unten eine verschneite Landschaft heutzutage schon eine Besonderheit ist. Und da sich das Klima immer mehr aufheizt, wird sie es in Zukunft noch seltener geben. Am Brocken aber, dem Berg mit den rauesten Klimaverhältnissen in ganz Deutschland, kann man diese Wunderwelt erleben. Fast jedes Jahr aufs Neue. Und dann ist Staunen angesagt. Staunen über so viel Großartigkeit der Natur, und man wundert sich, dass es so etwas überhaupt gibt, und nicht nur im Märchen.

Siehe auch: Der Harz - Das nördlichste Mittelgebirge von seiner schönsten Seite

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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