myheimat.de setzt auf dieser Seite ggf. Cookies, um Ihren Besuch noch angenehmer zu gestalten. Mit der Nutzung der AMP-Seite stimmen Sie der Verwendung von notwendigen und funktionalen Cookies gemäß unserer Richtlinie zu. Sie befinden sich auf einer sogenannten AMP-Seite von myheimat.de, die für Mobilgeräte optimiert ist und möglicherweise nicht von unseren Servern, sondern direkt aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern, wie z.B. Google ausgeliefert wird. Bei Aufrufen aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern haben wir keinen Einfluss auf die Datenverarbeitung durch diese.

Weitere Informationen

Brocken, DDR
Festung Brocken – Ein Berg einst unbesteigbarer als der Mount Everest

  • Der Brocken, der deutscheste aller deutschen Berge, wie es Heinrich Heine mit seinem hintergründigen Humor einmal formulierte. Kurz nach der Wende, im Januar 1990, ist dieses Foto entstanden.
  • hochgeladen von Kurt Wolter

Der Harz hat eine Menge schönster Natur zu bieten. Für einen Nord- oder Mitteldeutschen bietet er sich, bevor mit dem Erzgebirge, dem Bayrischen Wald, dem Schwarzwald oder den Alpen noch höhere Berge beginnen, als attraktives Wanderziel an. Und ganz besonders natürlich der Brocken, der mit seinen 1141 Metern Höhe den höchsten Punkt dieses Mittelgebirges bildet. Seit eh und je war dieser Gipfel von Mystik und Aberglauben umweht und war schlechthin der Hexenberg überhaupt. Nicht erst Goethe hat ihn und seine Umgebung durch den Faust weltbekannt gemacht.

Wenn ich in früheren Jahrzehnten mit Familie oder Freunden im Westharz unterwegs war, dann zog der Brocken, egal wo wir auch waren, magisch unserer Blicke an. Wie imposant war er doch, und wie weit überragte er mit seinen Vorbergen Kleiner Brocken, Heinrichshöhe und dem Königsberg alle anderen Harzberge. Und wir konnten die Gebäude auf seinem kahlen Haupt erkennen, denn die Baumgrenze liegt dort bei etwa 1100 Meter. Von einigen Aussichtspunkten ergaben sich besonders schöne Blicke zu ihm hinüber. Das war vom Torfhaus, von der Felskuppe des Achtermanns und erst recht von der Skisprungschanze des Wurmbergs aus. Von dort war man ihm besonders nahe und sah auch tief unten die Dächer von Schierke liegen, auf der anderen Seite der Grenze. Nur fünf Kilometer war die Brockenkuppe entfernt. Und wir versuchten zu erkennen, ob die Bahn noch zu ihm hinauf fuhr. Doch wir konnten sie nie ausmachen.

So standen wir also oft an irgendwelchen schönen Aussichtspunkten und blickten wehmütig zum Brocken hinüber. Wie gern wären wir mal zu ihm hinaufgewandert und hätten von dort oben in die Ferne geblickt, denn der Brocken war berühmt für seine Aussicht. Auf Berge und Täler, Schlösser und Burgen. Auf die romantischen Orte am Harzrand. Auf Bad Harzburg, Ilsenburg und Wernigerode. Viel weiter hinüber auf den Kyffhäuser, den Thüringer Wald und bei klarer Sicht sogar bis zur Rhön hin. Doch alles das blieb uns verwehrt, denn der Brocken war ein unerreichbarer Berg, und wir kannten ihn nur aus den Schilderungen unserer Eltern, die vor dem Krieg dort oben waren. Für Bürger aus der Bundesrepublik war er ebenso gesperrt, wie für Bürger aus der Deutschen Demokratischen Republik, auch wenn er auf dem Boden ihres eigenen Landes lag. Für (fast) alle Deutschen war der Brocken unerreichbarer als der höchste Gipfel der Erde, der Mount Everest. Und nie im Leben hätten wir gedacht, dass sich an diesem Status während unseres Lebens je etwas ändern würde. Dass es dann doch anders kam, das war ein deutsches Wunder, und wir werden diese aufwühlenden Tage niemals vergessen.

Von den fünfziger bis weit in die achtziger Jahre stand ich oft an der Grenze. Im Harzvorland an der Osterwiecker Straße bei Lüttgenrode, das auf DDR-Seite lag, wo man von drei Seiten von Grenzbefestigungsanlagen umgeben war und bei Abbenrode. Am Harzrand bei Eckertal, einer Touristenattraktion auch für Holländer und Dänen, die mal einen Blick auf den Todesstreifen und die DDR werfen wollten, die wir nur Ostzone nannten. Oder oben im Harz bei Hohegeiß, wo ein Mahnmal darauf hinwies, dass an dieser Stelle ein Fluchtversuch tödlich gescheitert war. Und wo ein anderer Flüchtling, der bereits alle Grenzanlagen überwunden hatte und sich schwer verletzt auf das Gebiet der Bundesrepublik schleppen konnte, trotzdem von Grenzsoldaten der Volksarmee widerrechtlich zurückgeholt wurde.

Und von diesen Grenzübersichtspunkten aus sahen wir auf diese Grenze, die nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt in Ost und West aufteilte. In zwei über Jahrzehnte hin starre Machtblöcke, die sich an dieser Schnittstelle, die sich quer durch Deutschland zog, mit einem Atomwaffenarsenal gegenüberstanden, das die gesamte Menschheit bei einem möglichen 3. Weltkrieg gleich mehrere Male hätte vernichten können. Das war die Zeit des Kalten Krieges, die jüngere Menschen nur noch aus den Geschichtsbüchern kennen.

Und wenn wir vor den Grenzbefestigungsanlagen standen und hinüberblickten, dann fragten wir uns, was die Menschen, die ja Deutsche waren wie wir, wohl über dieses Bollwerk denken würden, das die SED-Führung und Karl Eduard von Schnitzler, der Chef-Agitator des DDR-Fernsehens, ihnen als Schutzwall vor dem kapitalistischem Westen, vor dem imperialistischen Klassenfeind, verkaufen wollten. Fühlten sich die Bürger der DDR, die in den Dörfern an der Grenze lebten, diese ständig vor Augen, eingesperrt, oder eben doch nicht? Und ein Bollwerk war diese Grenze wirklich. Zunächst bestand sie in den sechziger Jahren neben der fünf Kilometer breiten Sperrzone, die nur mit Passierscheinen betreten werden durfte, aus Minenfeldern, Beobachtungsbunkern, zum Teil nachts beleuchteten Grenzabschnitten, wie zeitweise auch am Brocken, aus hohen Stacheldrahtzäunen. Doch als wir im Juli 1968 bei Abbenrode an der Eckerbrücke standen, konnten wir aus nächster Nähe zusehen, wie die Grenze ausgebaut und modernisiert wurde. Ein etwa drei Meter hoher doppelter engmaschiger Metallgitterzaun wurde errichtet. Selbstschussanlagen, die bei Berührung von Drähten zerhacktes Blei verschossen, wurden angebracht. Kurzzeitig wurden an manchen Grenzabschnitten auch scharfe Hunde eingesetzt, die an langen Drähten entlanglaufen konnten.
Arbeiter sprengten damals Löcher für die neuen hohen Grenzpfähle in den Boden. In der Nähe des Grenzübersichtpunktes mussten die Löcher von Hand gegraben werden, damit bei den Sprengungen das Erdreich nicht bis zu uns neugierig Zuschauende herüberspritzte. Volksarmeesoldaten mit Gewehren im Anschlag standen dabei, um jeden nur möglichen Fluchtversuch zu vereiteln.

Für uns Westdeutsche war es damals ein Leichtes, die eigentliche Grenze zu übertreten. Die lag nämlich etwa 30 Meter vor dem hohen Grenzzaun und war nur durch etwa einen Meter hohe weiße Holzpfähle gekennzeichnet, die in einem Abstand von vielleicht 50 Metern in den Boden gerammt waren. Natürlich reizte es uns, mal einen Schritt darüber zu tun, und wir waren in der Ostzone. Doch von drüben wurden wir auch mit Ferngläsern beobachtet.

Eine Schwester unseres Opas hatte ein Haus in Eckertal. Dieser kleine Ort mit seiner einzigen Straße lag parallel zur Grenze. Und alle Gärten der Häuser der östlichen Straßenseite zogen sich bis an die Ecker hinunter, deren Bachmitte die Grenze bildete. Und natürlich fanden wir Kinder das sehr aufregend. Die Grenze war für uns irgendwie unheimlich. Doch wir konnten es an heißen Sommertagen nicht lassen, mit unseren nackten Beinen durch die Ecker zu waten, und sogar mal kurz zum anderen Ufer hinüber zu gehen, wohlwissend, dass wir nun in der Ostzone waren. Doch dann liefen wir schnell wieder zurück, denn es hätte ja sein können, dass irgendwo im Dickicht ein Grenzer der Volksarmee hätte lauern können.

An das alles und noch viel mehr muss ich immer wieder denken, wenn ich am Brocken unterwegs bin, und das ist nicht selten der Fall, ist doch dieser Berg auch heute nach über 23 Jahre nach der Grenzöffnung ein besonders attraktiver Berg. Und damals war er für uns noch reizvoller. Doch er war ein eingekerkerter Berg, nicht viel weniger als eine Festung. Nicht nur, dass er in der Sperrzone lag. Sein Gipfel war von einem Zaun, seit 1985 sogar von einer dreieinhalb Meter hohen Betonplattenmauer mit Beobachtungsstandpunkten umgeben, die etwa auf einer Länge von zwei Kilometern den Gipfel umspannte. Innerhalb dieses Gebietes durften sich nur bestimmte Personen aufhalten. Nur wenige Arbeiter des Wetterdienstes und der Post, die die technischen Anlagen des Fernsehsenders betrieben. Später etwa 50 bis 100 Soldaten der Volksarmee, die im kasernenhaften Brockenbahnhof untergebracht waren. Leute des Staatssicherheitsdienstes, und Sowjetsoldaten und Abhörspezialisten der Überwachungsanlagen.

Dabei wurde der Brocken nach dem Krieg zunächst von den Amerikanern besetzt. Erst im Frühjahr 1947 wurde er dann, warum auch immer, von den sowjetischen Streitkräften übernommen. Und da der Brockengipfel der höchste Punkt im Umkreis von mehreren hundert Kilometern war, eignete er sich natürlich zum Beobachten Westeuropas, wie kein anderer Punkt. Die DDR hatte in der sogenannten Brockenmoschee mit der runden Kuppel, in der heute ein Museum untergebracht ist, einen Abhörstützpunkt namens Urian. Von dort gab es sogar eine Direktleitung nach Magdeburg, und von dort weiter nach Ost-Berlin. Die Stasi konnte bis zum Ärmelkanal horchen. Als Erich Honnecker 1987 Helmut Kohl in der Bundesrepublik traf, konnten Telefongespräche des Bundeskanzlers, die er aus seinem Dienstwagen führte, abgehört werden. So wusste Honnecker in etwa Bescheid, was in der BRD auf ihn zukommen würde.

Ebenso standen auf der Westseite des Gipfelplateaus zwei mobile Abhörstationen, die in kuppelförmigen Bauten, den Radomem, untergebracht waren, zur Verfügung. Die gehörten jedoch den Sowjets, die ihren Brockenhorchposten unter dem Tarnnamen Jenissei führten. Diese bekamen die Technik ihrer Abhöranlagen kurioserweise aus dem Westen. Sie bezogen sie über den Umweg Frankreich von der westdeutschen Firma Siemens. Und als in der Zeit des Kalten Krieges Ende der siebziger Jahre die Aufrüstung eine neue Dimension erreichte, war der Brocken für die Sowjets als westlichster vorgeschobener Horchposten von besonderer Bedeutung. Deswegen wurde der Gipfelbereich auch modernisiert. Über eine Million Tonnen Kalksteinschotter aus Rübeland wurden dazu mit der Bahn heraufgekarrt, um für die Fundamente neuer Anlagen einen festen Boden zu liefern. Auch wurde Anfang der Achtziger damit begonnen, die Brockenmauer aufzustellen, die aus einzelnen Betonelementen bestand. Sie sollte als Schutz von außen wie auch von innen dienen, sollte eine Flucht aus diesem „Gefängnis“ doch unmöglich gemacht werden. Doch im Winter verlor die Mauer ihren Sinn. Durch meterhohe Schneeverwehungen verlor sie an manchen Stellen ihre Höhe. Im Winter 1970 gab es mit einer Schneehöhe von 3,80 Metern sogar einen Rekord. Noch kurz vor der Wende gelang von dort oben zwei Maurern die Flucht, die an der Antennenanlage beschäftigt waren. Im Frühjahr des Folgejahres kehrten sie nach der Wende an ihren Arbeitsplatz zurück. Ironie des Schicksals.

Nicht weniger kurios war es mit dem großen Horchposten der Nato gegenüber auf dem Wurmberg, der von den Amerikanern betrieben wurde und der immerhin auch locker die 1000-Meter-Marke überschritt und damit weit in den Osten hineinhorchen konnte. Die Nato bezog ihren Strom zu dessen Betreibung aus Schierke, also aus der DDR. Aber der Westen hatte noch mehr Horchposten auf den Harzbergen stationiert. So zum Beispiel auf dem Stöberhai bei Bad Sachsa oder auf dem Schalke zwischen Hahnenklee und Schulenberg.

Nicht zu beneiden waren die Sowjetsoldaten, die auf dem Brocken ihren Dienst tun mussten. Jede Partei hatte sich in dem eingemauerten Bereich noch einmal mit Schutzzäunen umgeben, um sich von den anderen abzugrenzen. Und diesen militärischen Bereich durften die Soldaten normalerweise nicht verlassen. Abgesehen einmal von den Offizieren. Die Soldaten lebten dort oben, bevor sie nach eineinhalb Jahren wieder abgezogen wurden, wie in einem Gefangenenlager. Bei fünf Monaten Winter, zum Teil eisigen Temperaturen und Orkanböen. Bei unzureichender Heizung und mit hundert Mann in einem Raum (jeder Soldat hatte für sich nur ein kleines privates Schließfach) eingepfercht, war das sicher kein Vergnügen. Soweit mir bekannt, durften die Soldaten jedes Vierteljahr an einem Tag nach Halberstadt hinunter, um dort einzukaufen. Natürlich waren das für sie schlimmste Verhältnisse, und sie waren sicher froh, als sie 1994 den Brocken endgültig verlassen durften. Selber bin ich dort noch den letzten Sowjetsoldaten begegnet, die sogar für ein Foto posierten. (Leider ist ausgerechnet dieser Film in einem Fotolabor verloren gegangen.)

Und dann kam im Herbst 1989 das, was wohl kaum ein Mensch, weder in Ost noch in West, für möglich gehalten hätte. Die Bürger der DDR begannen mit der friedlichen Revolution, und am 9. November blieb dem SED-Staat nichts anderes übrig, als unter dem Druck des eigenen Volkes in Berlin die Mauer zu öffnen. Die Geschichte kennen wir alle.

In den Tagen darauf wurden immer mehr Stellen an der innerdeutschen Grenze geöffnet, so auch im Harzgebiet. Tausende Menschen aus beiden Teilen Deutschlands kamen in diesen Tagen erstmalig wieder nach Schierke am Fuß des Brockens, war doch die Fünf-Kilometer-Sperrzone aufgehoben. Und dann war es endlich auch für die Brockenkuppe so weit. Es war der 3. Dezember 1989, ein Sonntag, als Hunderte Menschen von Ilsenburg, Wernigerode, Elend und Schierke zum Brocken hinauf wanderten, sich vor dem Tor der „Festungsmauer“ versammelten und schließlich darauf drangen, so dass dieses von den Offizieren der Volksarmee geöffnet werden musste. Damit war der Gipfel zur grenzenlosen Freude der Menschen frei. Ein historischer Tag nun auch für den Harz.

Einen Monat später, am 10. Januar 1990, startete dann auch ich von Ilsenburg aus zu einer Wanderung auf den höchsten Harzgipfel. Für mich war es ein merkwürdiges Gefühl, mit dem Wagen die Eckerbrücke bei Eckertal nach Stapelburg hinüber zu überqueren. Wie oft hatte ich doch hier auf dem kleinen Turm des Grenzübersichtspunktes gestanden und hatte die nahen Häuser von Stapelburg auf der anderen Seite der Grenze vor Augen. Doch nun hatte ich über eine provisorische Behelfsbrücke, weil die alte Brücke im Laufe der Jahrzehnte marode geworden war, freie Fahrt. Schon damit war für mich ein Traum in Erfüllung gegangen, denn die Strecke nach Ilsenburg hin, die ja im Sperrgebiet lag, war Neuland für mich. Wenn ich damals bei meinen Verwandten in Blankenburg zu Besuch war, dann kam ich hinter Wernigerode von östlicher Seite zumindest bis zur Sperrzone und guckte von dort auf die Berge bei Eckertal, sozusagen von der anderen Seite. Es war unglaublich, dass ich das nun erleben durfte.

Vorbei an den himmelhohen Schornsteinen der Ilsenburger Hütte, die überall im Umland ihre Giftfrachten abluden, kam ich in den Ort hinein. Einst war der Ort, wie Braunlage auch, ein Vorzeigeort des Harzes gewesen. Doch die schönen Villen am See mitten im Ort waren ziemlich heruntergekommen. Sie drohten zu verfallen. Wer Ilsenburg damals vor oder kurz nach der Wende erlebt hat und heute hindurchschlendert, der traut seinen Augen kaum. Einen Besuch dieses schönen Ortes kann ich unbedingt empfehlen.
Und so wanderte ich dann an den maroden Hausfassaden der FDGB-Ferienheime vorbei, vor denen Berge von Kohlen angehäuft waren, zum Eingang des Ilsetales hinauf. Aus den Schornsteinen der Häuser stieg der graue Rauch der Braunkohleöfen, und auch der Gestank der Trabis mit ihren Zweitaktmotoren, der so typisch war, hatte sich im engen Tal festgesetzt. Auf den Spuren Heinrich Heines, der diesen Weg vom Brocken einstmals in entgegengesetzter Richtung abgestiegen war, stieg ich nun das Tal hinauf. An den schönen Ilsefällen vorbei, am Meineckenberg, über das Brockenbett, da der Weg über den Hirtenstieg noch gesperrt war, und die letzten Kilometer über die Brockenchaussee. Und schließlich passierte ich morgens das offene Tor in der Brockenmauer und stand kurz darauf auf dem höchsten Punkt des Harzes.

Sehen konnte ich fast nichts, obwohl weiter unten das Wetter ganz ordentlich war. Die Sichtweite im Nebel betrug keine 50 Meter. Und das ist typisch für den Brocken, denn an den meisten Tagen des Jahres liegt er, zumindest zeitweise, in den Wolken. So hatte ich den Brocken in den Jahrzehnten davor so oft bei klarster Sicht aus der Ferne betrachtet, auch von Hannover aus. Doch nun stand ich auf seinem Gipfel und sah fast nichts. Nur kurz tauchten bei einem Rundgang vor mir das Gebäude des Fernsehsenders und die militärischen Anlagen aus der grauen Suppe auf. Doch das war fast egal, denn es war für mich ein ergreifendes Gefühl nun an diesem Ort stehen zu können, auf dem Gipfel der Sehnsucht so vieler Menschen, von dem wir nie gedacht hätten, dass wir ihn je betreten könnten. Ein Traum war in Erfüllung gegangen.

Inzwischen war ich fast 40 mal auf dem Brocken. Viele Wege führen dort hinauf, und alle haben ihren eigenen Reiz. Zu Sonnenauf- und Sonnenuntergängen war ich dort oben. Im Winter und im Sommer. Auf Stiefelsohlen, auf Skiern oder mit dem Rad. Jedes Mal war es anders, und immer wieder schön und eindrucksvoll. Mal war es neblig, mal war die Sicht frei und reichte zu allen Seiten weit ins Land hinein. Mal lag die Temperatur bei sommerlichen 20 Grad, mal lag sie gefühlt im Winter bei Sturmböen bei minus 35 Grad. Mal waren oben hunderte Menschen versammelt, einmal war ich, abgesehen vom Personal der Station in den Gebäuden, völlig allein. Wohl fast alles habe ich dort oben schon erlebt, und sicher werde ich an diesem Berg noch viel erleben. Bei jeder Wanderung weiß ich es zu würdigen, dass das nun überhaupt möglich ist, dass der Brocken ein freier Berg ist, und dass die Zeit des Kalten Krieges und eines zweigeteilten Deutschlands endgültig vorbei ist. Und das ist einfach ein gutes Gefühl.

Siehe auch:
- Erinnerungen an die DDR - aus der Sicht eines Westlers
- Der Harz - Das nördlichste Mittelgebirge von seiner schönsten Seite

  • Der Brocken, der deutscheste aller deutschen Berge, wie es Heinrich Heine mit seinem hintergründigen Humor einmal formulierte. Kurz nach der Wende, im Januar 1990, ist dieses Foto entstanden.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 1 / 47
  • Weit überragt er alle anderen Harzberge. Ansicht von Norden. Der Taleinschnitt vorne ist das Ilsetal. Rechts einige Häuser von Ilsenburg. Vor der Wende qualmten dort die hohen Schlote des Hüttenwerkes.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 2 / 47
  • Die deutsch-deutsche Grenze. In der Bundesrepublik wurde sie als Zonengrenze bezeichnet. Die vordere Hinweistafel steht auf dem Gebiet der BRD, der schwarz-rot-goldene Grenzpfahl auf dem Gebiet der DDR. Von Wachtürmen aus wurde von drüben alles beobachtet.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 3 / 47
  • 1968 wurde die Grenze modernisiert und ausgebaut. Grenzsoldaten der Volksarmee mit Gewehr im Anschlag bewachen die Arbeiter.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 4 / 47
  • Grenzabschnitt bei Abbenrode. Nur schwach im Hintergrund erkennbar die Harzberge. Derselbe Grenzstreifen ist im zeitlichen Abstand auch auf den beiden nächsten Fotos zu sehen. Weiter vorne liegen zwei der neuen wesentlich höheren Grenzzaunpfähle.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 5 / 47
  • Der Todesstreifen nach der Modernisierung. Minenfelder und höhere, engmaschige Zäune machten eine Flucht kaum noch möglich. Rechts am Zaun erkennbar die Selbstschussanlagen. Nachts wurde hier beleuchtet. Die eigentliche Grenze ist ganz rechts anhand kleiner weißer Pfähle erkennbar. Gleich dahinter ein Feldweg auf BRD-Seite, der aus anderer Perspektive im nächsten Bild zu sehen ist.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 6 / 47
  • Hier im Bild dieser Feldweg, nur wenige Jahre nach der Wende. Paralell zum linken Feldwegrand, wo das Korn steht, zog sich die Grenze entlang. Wer den Grenzverlauf nicht kannte, erkennt ihn heute nur noch an wenigen Stellen.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 7 / 47
  • Das Dorf Abbenrode hinter dem "Eisernen Vorhang". Höhe der beiden Paralellzäune 3,20 Meter und damit kaum überwindbar. Von dort drüben drang das Stimmengewirr eines Schwimmbades, das wir nicht sehen konnten, zu uns herüber.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 8 / 47
  • Hinweistafel zum Grenzübersichtspunkt Eckertal. In der Bundesrepublik waren Hinweistafeln zu ostdeutschen Städten Normalität. Die DDR wurde als Staat nicht anerkannt.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 9 / 47
  • Vom Rande des kleinen Ortes Eckertal konnte man von einer hölzernen Aussichtsplattform die nahen Häuser von Stapelburg sehen. Rechts zwei Soldaten des Bundesgrenzschutzes. (1970)
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 10 / 47
  • Von dieser Stelle konnte eine Frau aus Eckertal ihrer Schwester in Stapelburg zuwinken. Wollte sie sie besuchen, musste sie den weiten Umweg über Marienborn und Magdeburg oder Duderstadt nehmen. Ein Gegenbesuch war nicht möglich. (1974)
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 11 / 47
  • Im Januar 1990, kurz nach der Grenzöffnung. Trabi-Denkmal an der Mauer vor Stapelburg, die wohl als Sichtschutz dienen sollte. An die Mauer geschmiert: Hier geht`s nach Frakfurt/Oder.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 12 / 47
  • Mitten durch den Eckerstausee verlief die Grenze.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 13 / 47
  • Und auch mitten durch die Sperrmauer der Talsperre. Für die technischen Anlagen der Wasserwirtschaft war die DDR zuständig.
  • Foto: Markus Wolter
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 14 / 47
  • Eine Wanderung von Bad Harzburg über die Sperrmauer zum Brocken, kurz nach der Wende.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 15 / 47
  • Mitten auf dem Gang über die Mauerkrone war als Grenze eine Backsteinmauer errichtet, genau an dieser Stelle, wo der Grenzpfahl steht.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 16 / 47
  • Vom Achtermann hatte man früher einen guten Blick auf den Brocken.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 17 / 47
  • Wo der flachere Wald in den steileren Hang des Königsberges übergeht, verlief die Grenze. Noch eine Etage höher, als waagerechte Line schwach erkennbar, besonders links an Bildrand, verlaufen die Gleise der Brockenbahn.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 18 / 47
  • Noch besser war der Blick von der Wurmbergschanze zum Brocken. Und unten im Tal sah man auf die Dächer von Schierke. Die Aussichtsplattform liegt genau in 1000 Metern Höhe. (Im Jahr 2014 wurde sie abgerissen und 2019 durch einen Aussichtsturm ersetzt.)
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 19 / 47
  • Rechts unten im Tal - nicht erkennbar - liegt Schierke. Rechts von der Brockenkuppe am Bildrand die Heinrichshöhe.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 20 / 47
  • Aufstieg zum Königsberg, Februar 1992. Der Sicherungszaun der Vorgrenze steht noch. (März 1991)
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 21 / 47
  • So mancher Flüchtling wähnte sich nach dessen Überwindung in Sicherheit. Doch die eigentliche Grenze lag noch vor ihm.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 22 / 47
  • Die Gleise der Brockenbahn am Königsberg in 1000 Metern Höhe. Erst hier oben in größerer Höhe beginnt im Winter eine verzauberte Winter-Wunderwelt. Vor dem Sicherungszaun verläuft heute der Goethe-Weg, der vom Torfhaus heraufkommt. (Aufnahme von März 1992, als die Bahn noch nicht wieder fuhr.)
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 23 / 47
  • Die verrosteten Bahngleise an der Kreuzung zur Brockenchaussee kurz nach der Wende. Noch war unklar, ob die Bahn wieder fahren würde. (Januar 1990)
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 24 / 47
  • Heute bietet sie wieder einen schönen Anblick, so wie in früheren Zeiten. Fauchend und stampfend kommt sie den Königsberg herauf. Ihr langgezogenes Tuten hallt weit durch die Harztäler.
  • Foto: Markus Wolter
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 25 / 47
  • Die letzen Meter zum Gipel an der Chaussee, die von Schierke heraufkommt. Noch steht der Signalzaun der Vorgrenze. Der weitere Verlauf ist unten gut erkennbar.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 26 / 47
  • An dieser Stelle befand sich einst das Tor in der Brockenmauer. Ein zweites gab es für den Durchlass der Bahn.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 27 / 47
  • Hoch über den Wolken. Auch hier mit Beobachtungstürmen alles gesichert. In der Kuppel befand sich eine Antennenanlage der Stasi. (Dezember 1989)
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 28 / 47
  • Aus dem Wolkenmeer ragt nur der Torfhaus-Sender hervor. Etwa sieben Kilometer sind es von dort bis zum Brocken.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 29 / 47
  • An diesem Tor wurde am 3. Dezember 1989 durch die Bürger der Einlass erzwungen. Der Brocken war frei!
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 30 / 47
  • Links das Gebäude, auf dem der erste Fernsehsender der Welt stand. Vorne das Wolkenhäuschen, in dem 1777 schon Goethe gerastet hat. Es war das erste Gebäude auf dem Brocken und war als Schutzhaus gedacht.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 31 / 47
  • März 1990. Noch stehen alle militärischen Anlagen. Rechts die russische Station. Im Hintergrund ein großer Antennengittermast für die Telefonspionage der DDR. Der ganze Gipfel war eine gigantische Abhöranlage.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 32 / 47
  • Natürlich wurde auch von westlicher Seite in den Osten hineingehorcht. Rechts auf dem Wurmberg der über 100 Meter hohe Nato-Turm, der von US-Amerikanern betrieben wurde. Links die Skisprungschanze. Der Verlauf der Vorgrenze ist unter dem Kleinen und Großen Winterberg gut erkennbar. Rechts oben am Hang des Wurmberges die Hauptgrenze.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 33 / 47
  • Das Funküberwachungsgebäude der Stasi. Unten im Tal Wernigerode. Innerhalb der Mauer war es noch einmal von einem Zaun umgeben. Heute steht es nicht mehr.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 34 / 47
  • Auch die Russen sicherten sich innerhalb der Mauer mit zusätzlichen Zäunen. Zum einen von außen, zum anderen von innen, damit keiner flüchten konnte.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 35 / 47
  • Militärischer Sicherheitsbereich. Auch das Fotografieren war strengstens verboten. Doch gerade Verbotsschilder können auch reizen.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 36 / 47
  • Das linke Gebäude konnte den Orkanböen nicht lange standhalten. 1968 hatten es die Sowjets errichtet, 16 Jahre später flog das Dach auf Nimmerwiedersehen davon.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 37 / 47
  • In den runden Radomen waren mobile Abhörstationen untergebracht. Die Russen haben ihren Militärbereich neu eingezäunt. Das war im März 1991.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 38 / 47
  • Die dreieinhalb Meter hohe Mauer, aus denselben Segmenten bestehend wie die Berliner Mauer, umgab das Gipfelplateau auf einer Länge von etwa drei Kilometern. Es war abgeschirmt wie eine Insel. Der Blick geht zum Torfhaus hinüber. Ganz im Hintergrund die clausthaler Hochfläche.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 39 / 47
  • Die Vorgrenze ist gut sichtbar. Dort patroullierten auf dem Kolonnenweg Militärfahrzeuge. Heute ist es der Wanderweg, der von der Eckertalsperre herauf kommt. Im Hintergrund Bad Harzburg mit dem Burgberg.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 40 / 47
  • Kurz nach der Wende war noch nicht bekannt, dass es bald einen Nationalpark Hochharz geben würde. Dazu wurde der Gipfel renaturiert. Militärgebäude wurden abgerissen, Hunderttausende Tonnen Schotter wurden abgefahren.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 41 / 47
  • März 1991. Russische Militärlaster fahren durch Schierke und transportieren die einzelnen Betonelemente der Brockenmauer ab.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 42 / 47
  • Heute ist in diesem markanten Gebäude, auf dem einst der Fernsehsender stand und das einmal doppelt so hoch war, ein Hotel untergebracht.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 43 / 47
  • Dass das Leben für die Soldaten, speziell die russischen, auf dem Brocken bei ungenügender Heizung nicht einfach war, kann man an diesem neueren Foto erkennen. Es zeigt den Brockenbahnhof, in dem einmal Volksarmeesoldaten untergebracht waren. Für die russischen Soldaten war das Leben dort oben wohl kaum besser als in einem Gefangenenlager.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 44 / 47
  • Für diese traumhafte Natur hatten die Soldaten vermutlich keinen Blick.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 45 / 47
  • Der Kolonnenweg, auch Harzer Grenzweg genannt, der im Kalten Krieg vom Militär benutzt wurde und der in früherer Zeit den Namen Hirtenstieg trug, markierte einst die Vorgrenze. Mauer und Zaun sind auch hier abgebaut, auch ein Beobachtungsturm. Inzwischen ist er längst ein reizvoller Wanderweg mit großartigen Ausblicken ins fast 1000 Meter tiefer liegende Harzvorland bis nach Hannover und Magdeburg hin.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 46 / 47
  • Und ab Juli 1992 dampft die Schmalspurbahn auch für Touristen wieder regelmäßig auf den höchsten Berg des Harzes hinauf. Eine Fahrt damit, besonders durch einen tiefverschneiten Winterwald, ist ein Traum. Und nun ist der Brocken wohl für alle Zeiten ein freier Berg. Kalter Krieg und die DDR bleiben nur noch als Erinnerung.
  • hochgeladen von Kurt Wolter
  • Bild 47 / 47

Weitere Beiträge zu den Themen

DDRAusflugstipps rund um HannoverEckertalBildergalerieMilitärBrockenkalter KriegZonengrenzeSowjetsoldatenVolksarmeeBrockenbahnHarzOstzone

4 Kommentare

Der letzte Satz ist der beste,Danke für`s mitnehmen und erzählen !

Ich bin ganz aufgewühlt von diesem Beitrag !
Endlich, nach 4 Jahren habe ich ihn gelesen, die Bilder stundenlang angeschaut, alle diese Wege bin ich ab 1992 auch gelaufen, alles wiedererkannt und ohne daß ich’s wollte, flossen meine Tränen…
Und mehr kann ich jetzt nicht sagen außer DANKE

Kurt, deine Berichte müsste es als Bildband geben……………

Herzlichen Gruß, Romi

Es freut mich Romi, dass dir der Beitrag gefallen hat. Für mich war das Thema DDR, die Grenze und gerade der Brocken immer mit vielen Emotionen verbunden, zumal wir diesen schönen Berg vom Haus meiner Großeltern auf Gut Radau bei Bad Harzburg in den Ferien tagtäglich vor Augen hatten. Besuche der nahen Grenze waren für uns Kinder immer aufregend, und wir haben uns dann gefragt, wie es den Menschen, die ja nun Deutsche waren wie wir, auf der anderen Seite geht und was sie wohl über das geteilte Deutschland denken.

Beteiligen Sie sich!

Hier können Sie nur eine begrenzte Anzahl an Kommentaren sehen. Auf unserer Webseite sehen Sie alle Kommentare und Ihnen stehen alle Funktionen zur Verfügung.

Zur Webseite