Warum wurde wohl der Verfassungsentwurf von 1990 sofort auf den Geschichtshaufen geworfen?
Nicht die SED, als bisher führende Partei legte einen Verfassungsentwurf für eine bessere DDR auf den Tisch der Öffentlichkeit (in beiden deutschen Staaten), sondern es waren Bürgerrechtler:
Der Arbeitsgruppe des Runden Tisches "Neue Verfassung der DDR" gehörten, zum Teil abwechselnd, an:
Herbert Blahnik, DBD; Ministerin Tatjana Böhm, Unabhängiger Frauenverband; Klaus Emmerich, FDGB (Sekretär der AG); Erich Fischer, SPD; Tatjana Forner, Unabhängiger Frauenverband; Bernd Gehrke, Vereinigte Linke; Erwin Gehrt, Bund Freier Demokraten; Karl-Friedrich Gruel, PDS; Reinhard Gruhl, Demokratie Jetzt; Rainer Hannemann, Demokratischer Aufbruch; Bernhard Hellner, CDU; Witho Holland, Bund Freier Demokraten; Rainer Huhle, Bauernverband e.V. der DDR; Elfgard Künstler, Bund Freier Demokraten; Mareile Löber, Grüne Liga; Dietrich Meltzer, CDU; Erich Pannach, Domoewina; Minister Gerd Poppe, Initiative Frieden und Menschenrechte; Gerd Quilitzsch, FDGB; Peter Schindler, Bauernverband e.V. der DDR; Gert Schoppa, Bauernverband e.V. der DDR; Richard Schröder, SPD; Werner Schulz, Neues Forum; Kerstin Spyrka, DBD; Gudrun Stecklina, Demokratie Jetzt; Wolfgang Templin, Initiative Frieden und Menschenrechte; Minister Wolfgang Ullmann, Demokratie Jetzt; Gerhard Weigt, Demokratie Jetzt; Christine Weiske, Grüne Partei; Klaus Wolfram, Neues Forum; Vera Wollenberger, Grüne Partei;
Expertengruppe:
Dr. sc. Tatjana Ansbach, Berlin; Prof. Dr. Axel Azzola, Darmstadt; Prof. Dr. Alexander von Brünneck, Hannover; Prof. Dr. sc. Bernhard Graefrath, Berlin; Dr. Bernd Hohmann, Berlin; Dr. Peter Müller, Oberkirchenratspräsident, Schwerin; Prof. Dr. Ulrich K. Preuß, Bremen; Dr. Gerd Quilitzsch, Berlin; Prof. Dr. Bernhard Schlink, Bonn; Prof. Dr. Karl-Heinz Schöneburg, Berlin; Dr. Dr. h. c. Helmut Simon, Bundesverfassungsrichter a.D., Karlsruhe; Doz. Dr. Fritz Tech, Berlin; Doz. Dr. sc. Hans-Jürgen Will, Berlin; Prof. Dr. sc. Rosemarie Will, Berlin
Auszugsweise und in sehr gedrängter Weise will ich einige grundsätzliche GRUNDRECHTE zur Erinnerung bringen:
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Berlin, April 1990
Präambel
Ausgehend von den humanistischen Traditionen, zu welchen die besten Frauen und Männer aller Schichten unseres Volkes beigetragen haben, eingedenk der Verantwortung aller Deutschen für ihre Geschichte und deren Folgen, gewillt, als friedliche, gleichberechtigte Partner in der Gemeinschaft der Völker zu leben, am Einigungsprozeß Europas beteiligt, in dessen Verlauf auch das deutsche Volk seine staatliche Einheit schaffen wird, überzeugt, daß die Möglichkeit zu selbstbestimmtem verantwortlichen Handeln höchste Freiheit ist,
gründend auf der revolutionären Erneuerung, entschlossen, ein demokratisches und solidarisches Gemeinwesen zu entwickeln, das Würde und Freiheit des einzelnen sichert, gleiches Recht für alle gewährleistet, die Gleichstellung der Geschlechter verbürgt und unsere natürliche Umwelt schützt, geben sich die Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokratischen Republik diese Verfassung.
I. Kapitel
Menschen- und Bürgerrechte
Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die oberste Pflicht des Staates.
Artikel 3 (1) Frauen und Männer sind gleichberechtigt.
(2) Der Staat ist verpflichtet, auf die Gleichstellung der Frau in Beruf und öffentlichem Leben, in Bildung und Ausbildung, in der Familie sowie im Bereich der sozialen Sicherung hinzuwirken.
Artikel 4 (1) Jeder hat das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Achtung seiner Würde im Sterben. In das Recht auf körperliche Unversehrtheit darf nur durch Gesetz eingegriffen werden.
Artikel 6 (1) Das Recht auf Freizügigkeit, Ein- und Ausreise steht jedem Bürger und jedem Ausländer und Staatenlosen mit ständigem Wohnsitz zu.
Artikel 7 (1) Keinem Bürger darf die Staatsbürgerschaft entzogen, noch darf er ausgewiesen oder ausgeliefert werden.
Artikel 8 (1) Jeder hat Anspruch auf Achtung und Schutz seiner Persönlichkeit und Privatheit.
Artikel 9 (1) Die Wohnung ist unverletzlich.
Artikel 11 (1) Die Freiheit des Gewissens ist gewährleistet.
Artikel 15 (1) Jeder hat das Recht, Informationen und Meinungen in jeder Form frei zu bekunden und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen und anderen, rechtmäßig erschließbaren Quellen zu unterrichten. (2) Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und anderer Massenmedien ist gewährleistet. Das Gesetz hat durch Verfahrensregelungen sicherzustellen, daß die Vielfalt der in der Gesellschaft vorhandenen Meinungen in Presse, Hörfunk und Fernsehen zum Ausdruck kommen kann.
Artikel 22 (1) Die Familie ist durch den Staat zu schützen und zu fördern.
(2) Andere Lebensgemeinschaften, die auf Dauer angelegt sind, haben Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung.
Artikel 24 (1) Jeder Bürger hat das Recht auf gleichen, unentgeltlichen Zugang zu den öffentlichen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen. In dieses Recht kann nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(2) Es besteht eine mindestens zehnjährige allgemeine Schulpflicht.
Artikel 25 (1) Jeder Bürger hat das Recht auf angemessenen Wohnraum, Es ist ein gesetzlicher Kündigungsschutz vorzusehen.
Artikel 27 (1) Jeder Bürger hat das Recht auf Arbeit oder Arbeitsförderung# (2) Das Recht jedes Bürgers, über seine Arbeitskraft frei zu verfügen und seinen Arbeitsplatz frei zu wählen, ist gewährleistet. (4) Für gleiche Arbeit besteht ein Anspruch auf gleichen Lohn.
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Diese Personen handelten im Vorbereitungsprozeß des Anschlußvertrages zwischen BRD und DDR als verantwortungsvolle Bürger, um Lehren aus dem bisherigen Weg zu ziehen und dem Wollen des GG entgegen zu kommen. Man könnte es auch noch gewichtiger ausdrücken, wenn man ihr Wirken, als übereinstimmend mit der geschichtlichen Notwendigkeit bezeichnet.
Ihre Arbeit war relativ vergebens, weil die Interessengruppen der übermächtigen Bundesrepublik einen solchen Volkeswillen gar nicht erst aufkommen lassen wollten. Dieser entsprach nicht nicht dem Wollen der "Sieger", doch er hätte dem vereinigten Land mit seinen Bürgern, die Möglichkeit einer großen Volksausprache nach Jahrzehnten der Trennung gegeben und manche übereilten Schritte vermieden.
Bürgerreporter:in:Hans Jürgen Grebin aus Rostock |
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