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92 "475 Jahre Ronnenberger Schule"

Die Stadt Ronnenberg hatte am 8.Juni d.J. zu einem Festakt "475 Jahre Schulentwicklung in Ronnenberg"  in die altehrwürdige Michaeliskirche und anschließend in das Gemeinschaftshaus eingeladen. Im Mittelpunkt des Interesses der Jubiläumsfeier stand eine Verfügung der Herzogin Elisabeth von Calenberg, in Ronnenberg eine Schule zu gründen. Für den Heimatbund Ronnenberg richtete der Vorsitzende Karl-Fr. Seemann dieses Grußwort an die Veranstalterin und die Ehrengäste.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, verehrte Gäste.
Wir blicken heute zurück auf eine Schulgründung der Renaissance, also einer Kulturepoche der Rückbesinnung auf die Antike. Das Gründungsjahr allerdings ist vor allem bekannt durch ein Ereignis, das die Sicht auf unsere Welt total verändert hat. Nikolaus Kopernikus löst das überlieferte ptolemäische Weltbild ab und ersetzt es durch sein eigenes. Ein Widerspruch also zur sog. Wiedergeburt der Antike? Reform würde besser sicherlich besser passen, insbesondere im Hinblick auf die Häufung von Schulgründungen in der Reformationszeit und auch auf die Verhältnisse in Ronnenberg bezogen, die ja bekanntlich auf einer Initiative des Reformators Martin Luthers beruhen.

Dass wir heute dieses seltene Schuljubiläum feiern können, verdanken wir aber zunächst einmal uralten Ronnenberger Traditionen, die – exemplarisch belegt – mit dem Kirchenzentrum verankert sind. Wir verdanken die Feier aber auch der Initiative unserer Bürgermeisterin, die Hinweise des Heimatbundes auf dieses Jubiläumsjahr aufgegriffen hat, sich dann aber wieder alten Vorurteilen und großer Skepsis ausgesetzt sah, einer offenbar unausrottbaren Ronnenberger Kuriosität, die von Außenstehenden schon als absurd wahrgenommen wird. Zumindest Frau Harms ist es aber mit einer bewundernswerten Aufklärungsaktion gelungen, die negative Stimmung zu kippen. Herzlichen Dank, liebe Frau Harms für diesen erfolgreichen persönlichen Einsatz.

Aus dem Paket der Vorurteile möchte ich einen Verdacht aufgreifen, der auch unausgesprochen wohl immer mitschwingt, wenn es um die Beurteilung des Alters einer Schule auf dem flachen Lande geht, der zudem das Odium eines niederen Schulwesens anhaftet.

Dazu passt eine kleine Anekdote um eine Auseinandersetzung mit einer sog. freien Enzyklopädie. Unter der Jahreszahl „1543“ und dem Stichwort „Schule“ war ich bei Wikipedia auf ein evangelisches Gymnasium in Dortmund gestoßen, dass dort zusammen mit fünf weiteren Bildungsanstalten als eine der ältesten Schulen Deutschlands apostrophiert wird. Ronnenberg – altersmäßig gleichwertig – zählte allerdings nicht dazu. Also nahm ich mir vor, dieses Manko zu beheben. Dazu bot sich die „Liste der ältesten Schulen des deutschen Sprachraums„ an. Dort unter dem Gründungsjahr 1543 und der Bezeichnung Termenei in der Bedeutung frühe Mittelpunktschule der Reformationszeit trug ich also unsere Schule ein. Aber völlig unerwartet reagierte die Zentrale in San Francisco darauf mit der Löschung des Eintrags und der Begründung Zitat: „Der Erfahrung nach kann eine Schule auf dem flachen Lande, noch dazu eine Einrichtung des niederen Schulwesens nicht so alt sein.“ An der ablehnenden Haltung änderten auch Beurteilungskriterien wie ein kontinuierlich belegter Schulbetrieb nichts, die Community blieb bei ihrer Absage. Erst der nachgeschobene Hinweis auf das mächtige 1000jährige Ronnenberger Kirchenzentrum auf dem befestigten Kirchenhügel änderte die Meinung der Wikipedianer. Die Löschung wurde zurückgenommen. Hurra, ich hatte mein Ziel erreicht!

Unsere Schule zählt seitdem zu den ältesten Schulen Deutschlands!

Im MA war nun in der Tat die Kirche die führende religiöse und moralische, aber auch kulturelle und politische Macht. Das Schulwesen in dieser Zeit wurde von christlichen Mönchen begründet, nachdem Karl der Große 789 dazu die Bischofssitze aufgefordert hatte. So waren die ersten Schulen dann auch Kloster- oder Domschulen, also im Verbund mit mächtigen kirchlichen Institutionen. Erst später gesellten sich dazu Lateinschulen in den Städten.

In Ronnenberg wird in Aufzeichnungen der ersten reformatorischen Visitation des Hofmeisters Lippold von Hanstein - Protokollführer unserer damaligen Landesmutter Herzogin Elisabeth - aus dem Jahr 1542 ausdrücklich eine Küsterei als Kirchengut erwähnt und der Kirchenhistoriker Karl Kayser nennt auch die Namen der damaligen Küster. Da diese Kirchendiener im MA auch für die Schulbildung zuständig waren, vermuten Historiker, dass in Ronnenberg bereits zu katholischer Zeit eine Art Unterricht stattfand.

Dass dieses Kirchenzentrum schon zu katholischer Zeit bedeutend gewesen sein muss, bezeugt ebenfalls der Göttinger Kirchenhistoriker Karl Kayser in seinem Standardwerk „Die reformatorischen Kirchenvisitationen“. In dem Sach- und Wortregister auf Seite 656 werden für die welfischen Lande neun Orte benannt, in denen Terminierhäuser gegründet wurden, darunter neben Städten wie Alfeld, Gronau, Helmstedt, Schöningen, Stadt-Oldendorf, Uslar und Wittingen auch die Landgemeinden Lühnde und eben Ronnenberg.

Ich fasse noch einmal zusammen:
Zu den erstgenannten christlichen Bildungsanstalten, den Kloster- und Domschulen der katholischen Ära gesellten sich im 16. Jh. die lutherischen Terminierhäuser, frühe Mittelpunktschulen der Reformationszeit. Luther selbst hatte die deutschen Städte 1524 mit einem Sendschreiben aufgefordert - Zitat „dass sie sollen Schulen gründen.“ Die Voraussetzungen für die Gründung solcher Bildungsstätten, bis zum 19. Jh. tatsächlich Einrichtungen des niederen Schulwesens blieben die Gleichen. Auch in der lutherischen Zeit war eine bedeutende kirchliche Instanz die Grundlage. Im frühen 20. Jh.- möglicherweise bereits im auslaufenden 19. Jh. zeichnete sich die Entwicklung der Schule zu einer Einrichtung des mittleren Schulwesens ab. Diese Reform fand im späten 20. Jh. ihren Abschluss mit einer Aufteilung der damaligen Realschule in eine Grundschule und eine Kooperative Gesamtschule - KGS.

Die Ronnenberger Grundschule steht heute noch in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche auf dem Kirchenhügel und war bis zum Beginn des 20. Jh. auch organisatorisch mit der Kirche verzahnt. Dafür stehen die über viele Jahrhunderte belegte „Ronnenberger Inspektion„ und später der „Ronnenberger Eigenschulverband“, denen auch die Aufsicht über die Filialschulen des Kirchenkreises oblag.

Eine Besonderheit gilt es noch zu vermelden. Bereits 1543 ist auch schon ein Schulgarten belegt. Den gibt es heute noch, vermutlich an der gleichen Stelle wenige Meter östlich der Kirche auf dem Gelände zwischen der Apsis und der Befestigungsmauer des Kirchenhügels.

Eine so mächtige Kirchenzentrale galt es natürlich auch gegen feindliche Angriffe zu schützen denn auf dem nahe gelegenen Hellweg vor dem Sandforde verkehrten nicht nur Reisende, die Ronnenberg wohlgesonnen waren. Daher war im MA der Kirchenhügel mit Mauern ringsum als Kirchenburg befestigt und unterirdisch mit Stollen und Katakomben ausgestattet, die gleichzeitig der Bevölkerung als Fluchtburg dienten. Inwieweit unterirdische Stollen zu den Beeke-Siedlungen als Fluchtwege genutzt wurden, bleibt der weiteren Forschung vorbehalten. In Ronnenberg zu forschen lohnt sich aber allemal.
Der heutigen Jubelfeier wünsche ich einen guten Verlauf.
Karl-Fr. Seemann

  • "Jümmer Vorwärt" Heimatbund Niedersachsen
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