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Rintelner Wirtschaftswunderzeit im Spiegel der Spirituosen

  • Links die Weinhandlung Paulus. Mitten durch die Stadt rumpelten damals Güterzüge und Personentriebwagen der Extertalbahn, die in Rinteln Nord Anschluss an die DB hatte. In Weserstraße und Klosterstraße, wo dieses Foto entstand, ist heute die touristisch attraktive Fußgängerzone
  • Foto: Hans Mohnhaupt
  • hochgeladen von Burkhard Rohrsen

Beim Wort „Wirtschaftswunder“ schweifen die Gedanken zurück in die 1960er Jahre mit Kohleofen, Samstag Badetag, Sonntagsbraten, Musikbox, Sonntagsgarderobe und des allgegenwärtigen legendären VW-Käfers. Und der heute als uriger Schienenoldtimer losbrummende „Uerdinger Schienenbus“ war damals ein hochmodernes, aber profanes Verkehrsmittel. Bahnbeamte saßen am Fahrkartenschalter, und bei der Güterabfertigung der Deutschen Bundesbahn konnte man Stückgut wie einen 10-kg-Eimer Salzheringe und einen Karton Fischkonserven aus Glückstadt in Empfang nehmen. Vorbei war die Knappheit der Nachkriegsjahre, und die damals noch zahlreichen kleinen Kaufmannsläden waren wieder aufgefüllt mit Wein und Verdauungsschnäpsen.

In einem Rintelner Keller hatte davon bis in die Gegenwart eine kleine Auswahl überdauert, und zwar als Nachlass einer alten Dame, den eine wiederum recht alt gewordene Dame geerbt und vor 3 Jahren ihrerseits hinterlassen hat. Als Jugendliche mit dem Mangel während und nach dem 2. Weltkrieg konfrontiert, neigte diese Generation zu ausgeprägter Vorratswirtschaft. Verschenken kam nicht in Frage, und nicht daran gedacht wurde, dass irgendwann der Gang in den Keller zu schwer fällt und das Likörchen durch bittere Arznei ersetzt werden würde. Jedoch haben sich dadurch seltene und vielfältige „spirituoelle“ Erfahrungen ergeben: liegend aufbewahrter lieblicher Wein mit echtem Korken von 1961 schmeckte einfach fantastisch! Trockener Tischwein mit Schraubverschluss dagegen lud erst gar nicht zum Probieren ein. Überraschend war auch der Kräuterlikör „Aromatique“ von Verwandten aus der DDR noch genießbar, während sonst liegend aufbewahrtes Hochprozentiges ebenfalls durch Kontakt mit den Metall- und Plastikverschlüssen nicht zum Verkosten verführte.

Bei näherer Betrachtung der Flaschen zeigte sich auch die wirtschaftliche Bedeutung der Spirituosen für die Stadt Rinteln. Ein leckerer Portwein trug den zusätzlichen Aufdruck der Weinhandlung „Herm. Paulus, Rinteln“. Dazu Heidelbeerwein der „Pomona Kellerei GmbH“, die 1998 leider von Rinteln nach Hessisch Oldendorf umsiedelte. Nicht fehlen darf natürlich „der Gute Pott“, bis 2003 in Rinteln abgefüllt. Die Firma Pott-Rum hat das noch heute bestehende Werk dann an Schwarze und Schlichte verkauft. Die Rumflasche weist das Dreiecksymbol der Rintelner Glashütte Gebr. Stoevesandt auf und brauchte damals zur Abfüllung nur über die Dankerser Straße gebracht werden. Aus dem damaligen Rintelner Einzelhandel ist ein Preisetikett von REAL WERT Kauf (Bahnhofsallee, heute Getränke-Quelle) erhalten geblieben, und von Puls, der Laden war früher in der Weserstraße, hatte eine Flasche der Eigenmarke „Nordlicht“ Rum-Verschnitt die Zeit überdauert.

Interessant auch die Entwicklung der Flaschen selbst: Ein 1957er Höllengrat befand sich in einer 0,7-l-Flasche mit dem sagenhaften Gewicht von 700 Gramm. Die gleiche Menge Beaujolais von 1959 war noch in 575 Gramm Glas enthalten, während die Beaujolaisflasche von 1964 nur noch leichte 425 Gramm wiegt.

Zu weit würde hier die Beschreibung führen, ob die einzelnen Flaschen noch im Blas-Blas-Verfahren oder schon im moderneren Enghals-Preß-Blas-Verfahren entstanden sind und bei welcher Glashütte. Aber wo man hier schon bei Thema "Nostalgie" ist: Zwar gibt es schon lange nicht mehr die Eisenbahn mitten durch die Stadt, aber von Rinteln Süd geht es noch ab per Draisine (http://www.draisinen.de) und ab Bösingfeld per Museumszug: http://www.extertalbahn.de/

Nicht nur für Rintelner bequem ab "Rinteln Nord" (beim Bahnübergang Mindener Straße, Museumsbahnsteig hinter Lidl): mit dem historischen "Uerdinger Schienenbus" durch das Schaumburger Land über Bad Eilsen und Obernkirchen nach Stadthagen; der Fahrplan ist unter http://www.der-schaumburger-ferst.de zu finden! (Fahrradtransport kostenlos)

Seit 2013 gibt es dieses empfehlenswerte Buch, welches sich eingehend mit der Extertalbahn beschäftigt: http://www.myheimat.de/rinteln/kultur/buchtipp-mit...

  • Links die Weinhandlung Paulus. Mitten durch die Stadt rumpelten damals Güterzüge und Personentriebwagen der Extertalbahn, die in Rinteln Nord Anschluss an die DB hatte. In Weserstraße und Klosterstraße, wo dieses Foto entstand, ist heute die touristisch attraktive Fußgängerzone
  • Foto: Hans Mohnhaupt
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  • Dieser Portwein von Paulus war eine gute Kapitalanlage, die sichere Prozente hatte. Auch heute noch einfach lecker!!!
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  • Paulus ist in Rinteln auch heute noch ein bekannter Name
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  • Die "Pomona", auch Herm. Opitz & Co., gegr. 1897, dürfte älteren Rintelnern noch bekannt sein. Wo heute die Kendalstraße ist, befand sich früher eine Obstplantage der hinter der Mindener Straße ansässigen gewesenen Firma
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  • Schon damals Werbeträger für Rinteln
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  • Hersteller: VEB Aromatique Neudietendorf (DDR), "dient Ihrem Magen, schafft wohlbehagen; verdauungsfördernd". In der Tat auch noch nach Jahrzehnten
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  • Höllengrat 1957, Südtirol/Italien. Nur noch zum Wegkippen. Die Flasche wiegt sage und schreibe 700 Gramm!
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  • Beaujolais 1959, trotz Korken leider verdorben. Die Flasche wiegt ca. 575 g
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  • Auch dieser Beaujolais von 1964 leider ungenießbar. Die Flasche gleicher Größe wie 1959 wiegt statt 575 g nur noch 425 g.
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  • Welches Design jünger ist, kann man nach der jahrzehntelangen Lagerung nicht einschätzen.
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  • Ein leckeres Tröpfchen! Die Flasche erinnert an alte Piratenfilme mit Schatzkiste und alten Rum- und Weinflaschen...
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  • Weinflaschenartig mit Plastikstopfen - heute ungewöhnlich für hochprozentiges wie diesen Doppel-Wachholder
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  • Wein von 1961 - zu schade zum Verticken bei ebay! Da der Korken sich schon auflöste, bestand zum Austrinken höchste Eile... - lecker!!!
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  • Dieser 1964er war ebenfalls eine Köstlichkeit! Die Naturkorken bewahren zwar das Aroma, sind nach den langen Jahren aber bröselig und halten sicher nicht nochmal solange
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  • Keine Jahresangabe auf dem Etikett, aber sicherlich nach Jahrzehnten noch genießbar gewesen
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  • "Der Gute Pott" wurde früher in Flensburg und in Rinteln abgefüllt
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  • Das Dreieck ist das Erkennungszeichen der Glashütte Gebr. Stoevesandt, Rinteln. Mit dem Abfüller Pott-Rum bestand eine Zusammenarbeit über die Straße hinweg
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  • Neben Pott-Rum und Stoevesandt verdiente in Rinteln auch der Einzelhandel am Produkt: REAL WERT, heute Standort der "Getränke Quelle" in der Bahnhofsallee
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  • Diese 1,8-Liter-Flasche hat sicherlich eine Busreise aus Italien hinter sich. Leckeres Mandelaroma, kein bisschen beeinträchtigt durch das lange Lagern - und Brummschädelfaktor "Null".
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  • Nach dem Datum unten rechts ist der Marsala Mandelwein 1965 hergestellt worden
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  • Nach jahrzehntelanger Lagerung leider ein Fall für den Ausguss...
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  • Ein grafisch anspruchsvolles Etikett. Unten ist ein Dampfzug zu erkennen
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  • Auch 2012: Vom Bahnsteig Rinteln Nord fährt der 1960 gebaute Schienenbus des Fördervereins über die Mindener Straße zu einer Abendfahrt durch das Schaumburger Land
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