Lanz - Talkshow vom 25.Mai 2023
Steffen Kotré, der erhellende AfD-Mann aus dem Brandenburgischen mit Nerven wie Drahtseile

Foto: Pixabay

Mit Steffen Kotré, Bundestagsabgeordnete der AfD und wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion, hatte Markus Lanz am gestrigen Abend neben dem renommierten Klimaforscher Mojib Latif und der Spiegel-Journalistin Melanie Amann nur einen Politiker, einen Protagonisten der AfD, ins Studio eingeladen.
Die beiden Hauptthemen: Der Klimawandel und der Ukrainekrieg.
Man hätte vermuten können, für Kotré keine optimalen Bedingungen für die Präsentation seiner Partei, ist deren Hauptthema doch weiterhin, auch im Bewusstsein ihrer Wähler, die Flüchtlingspolitik.

Und da hätte ohne Gefahr einer parteipolitischen Gegenrede aufgrund der Einladungsliste Kotré sicher einiges zu sagen gehabt, der schon vor fast 10 Jahren von einer Korrelation zwischen Zuwanderung und Kriminalität sprach, seitdem vor einer Überfremdung warnt und ein rigoroses Gegensteuern propagiert. Dieses Anliegen führte schließlich zum Aufstieg der AfD in der Post-Lucke-Ära, weil es berechtigte wie unberechtigte Sorgen von Bürgern bedient, die AfD diese überdies erfolgreich befeuern konnte, besonders im Osten Deutschlands, wo im Vergleich zum Westen des Landes der Migrationsanteil an der Bevölkerung gering ist.

Aber bei Lanz ging es nicht um die Flüchtlingspolitik, auch nicht um die im öffentlichen Bewusstsein abgehakte Coronapolitik, in der die AfD sich auf die Seite der Querdenker-Bewegung gestellt hatte. Im Zusammenhang mit dem Impfstoff von Biontech meinte Kotré damals, bei der Impfung habe man es eher mit einem Experiment als mit einer Impfung zu tun. Es ging bei Lanz um die Klima- und die Ukraine-Russland-Politik.

Klimapolitische Aussichten mit der AfD

Nachdem der Wissenschaftler Mojib Latif Gelegenheit bekommen hatte, den menschengemachten Aspekt des Klimawandels mit seinen Bedrohungen darzulegen, kam Steffen Kotré ins Spiel. Er bestritt die Verantwortung des Menschen für den aktuellen Klimawandel, reihte ihn ein in die Reihe natürlicher Klimaveränderungen und zog die angeblich fatale Bedeutung der CO2-Anreicherung in der Atmosphäre in Zweifel. Für diese Einschätzung gäbe es auch Rückendeckung durch die Klimaforschung. Fragen nach den Namen der entsprechenden Forscher wie auch fachlichen Rückfragen wich Kotré permanent aus. Was die Zukunft der Energieversorgung betrifft, setzt die AfD, wie Kotré äußerte, weiterhin auf die fossilen Energieträger Gas, Öl und Kohle sowie auf die Kernenergie.
Eine fachliche Diskussion zum Thema kam leider wegen Verweigerung Kotrés nicht auf, es war nur eine Gegenüberstellung konträrer Meinungen, die eine von einem renommierten Klimaforscher, die andere von einem Politiker, der trotz der zahlreichen offenen Fragen, die geeignet waren, ihn argumentativ an die Wand zu drängen, die Nerven behielt, während manch anderer sicher inhaltlich zusammengebrochen wäre. Kotré bewies Nerven wie Drahtseile, jegliche mögliche Nervosität konnte er durch seine gesprächsverweigernde und dennoch Worte produzierende Haltung erfolgreich übertünchen, während manchem Zuschauer der Mund offen gestanden haben dürfte. An Latifs Stelle, der sukzessiv zunehmend den Eindruck von innerem Kopfschütteln machte und wohl aus Gründen der Aussichtslosigkeit mit zunehmendem Sendungsverlauf auf Gegenrede verzichtete, hätte ich mich aus dem Sitzmöbel erhoben, hätte die Hände flehend zum Himmel gereckt und ein Stoßgebet dahin geschickt.

Außenpolitische Aussichten mit der AfD

Die gleiche Drahtseilstärke seiner Nerven bewies Kotré beim zweiten Hauptthema, der Ukraine-Russland-Politik. Lanz konfrontierte Kotré mit seinem Februar-Auftritt in der russischen Propagandasendung von Wladimir Solowjow, der Tage zuvor anlässlich der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine noch drohend davon schwadroniert hatte, die Russen sollten vielleicht die Hauptstädte dieser Lieferstaaten wie etwa Berlin, London oder Paris militärisch aufs Korn nehmen. In seinem Auftritt in der Sendung jedenfalls bestritt Kotré, die aktuelle deutsche Ukrainepolitik entspreche der Bevölkerungsmeinung. Die Deutschen wünschten sich mehrheitlich keine Waffenlieferungen. Es sei unsäglich, wenn deutsche Panzer mal wieder auf Russen schießen würden. Solowjow dürfte es zufrieden gewesen sein, eine Bestätigung seiner nicht seltenen Nazibeschimpfungen an die Adresse deutscher und europäischer Regierungen. In dem folgenden Gedankenaustausch schob der AfD-Mann ganz im Sinne des Putin-Russlands dem Westen, insbesondere der Nato, eine erhebliche Mitschuld an dem Ukrainekrieg zu. Fragen wie "Wen bedroht die Nato eigentlich?" wich Kotré in bekannter Manier aus.

Fazit

Eine interessante Lanz-Ausgabe am gestrigen Abend, konnten sich potenzielle AfD-Wähler bzw. -wählerinnen doch ein erweitertes Bild von dem machen, was sie mit einem entsprechenden Kreuzchen auf dem Wahlzettel unterstützen würden. Zu diesem Gesamtbild gehören folgende Punkte:

- Ankurbelung der Erderwärmung durch muntere Treibhausgasemissionen

- Streichung jeglicher Klimaschutzmaßnahmen

- Nichtbeachtung von Ergebnissen der Klimaforschung

- Einstellen der Ukraineunterstützung

- Verständnis für Russland

- Kein Verständnis für die Nato

- Mögliche Verbündung und Verbrüderung mit einem als zentral angesehenen Energielieferanten Russland

- Rigorose Flüchtlingspolitik

- Isolierung Deutschlands in der Nato und der EU


Steffen Kotré war bei Lanz für Zuschauer jedenfalls eine erhellende Erscheinung. Und sollte die AfD einmal an die Hebel der Macht kommen durch die Wähler und Wählerinnen, so können diese später nicht behaupten, das, was da womöglich käme, hätten sie nicht ahnen können.

PS.: Letzte Tage gab es bei uns im Rheinberger Ortsteil Orsoy eine Demo gegen die AfD anlässlich deren Kreisversammlung in einem Lokal mit Transparenten, auf denen zu lesen war: Kein Bock auf Nazis! In der AfD gibt es sicherlich auch den ein oder anderen Nazi, aber die Inflationierung der Nazikeule, einhergehend mit einer Pauschalisierung, bringt eine Plattheit in die politische Beurteilung der AfD, die doch schon bei redlicher und differenzierter Betrachtung ihre potenziellen Wähler und Wählerinnen abschrecken müsste. Und wer sich aber einfach auf ein Protestkreuzchen berufend zurückziehen will, sollte wissen, dass er damit viel mehr anrichtet.

Bürgerreporter:in:

Helmut Feldhaus aus Rheinberg

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