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MELY KIYAK: Liebe Biogemüse-Studie!

KOLUMNE

Liebe Biogemüse-Studie!

Von MELY KIYAK

Bio ist gar nicht gesünder, heißt es jetzt. Foto: dpa
Wir ruinieren mit unserem Gefresse von Schrottnahrung die Gesundheit und Zukunft Minderprivilegierter.

"Bio ist nicht gesünder", lautet die neueste Nachricht, aus der, wie manche vielleicht sagen würden, Welt der Haferflocken. Wissenschaftler der Stanford Universität in Kalifornien haben Studien ausgewertet, deren Beobachtungszeitraum zwischen 2 Tagen und 2 Jahren lag. Man wundert sich, was man in zwei Tagen nicht alles feststellen kann. Dass sich das Pestizid im Apfel, den der Proband von Montag bis Mittwoch aß, am Donnerstag bei der Röntgenuntersuchung auf Leber und Lunge nicht bemerkbar machten?
Die Behauptung, der Genuss von konventionell angebauten Lebensmitteln sei im Vergleich zur Bioware nicht ungesünder, ist deshalb ein Fall für den Mülleimer, weil es für diese These keine einzige Langzeitbeobachtung gibt. Als Beweis bräuchte man drei Kontrollgruppen. Eine „Biogruppe“, eine „konventionelle Gruppe“ und eine „Mischgruppe“. Am besten mit Kindern. Man müsste penibel darauf achten, dass alle Gruppen während der Untersuchung das Gleiche essen, ähnlich leben, arbeiten und auf dem gleichen Fleck Erde leben. Dann müsste man prüfen, wer unfruchtbarer ist, mehr Allergien, Depressionen, Krebs, Haut- und Atemwegserkrankungen, Hormonstörungen, Parkinson und so weiter hat. Hat man aber nicht.

1939 wurde in England eine 25 Jahre andauernde Vergleichsstudie begonnen. Nicht mit Menschen, sondern mit Äckern. Das unter Kennern der Materie bekannte Haughley Experiment, aus der die Idee des Biosiegels entstand, brachte in dieser weltweit ersten Ökolangzeitstudie zutage, dass jener Boden mehr Regenwürmer hatte, fruchtbarer und gesünder war, der biologisch bewirtschaftet wurde. Nun soll eine Rübe von diesem Acker keinen Unterschied für den Menschen machen verglichen mit einer Rübe, die mit Herbiziden behandelt wurde und vom Acker stammt, der durch Schwermetalle kontaminiert ist?

Das Ignorieren dieser Aspekte ist noch kein Grund zur Aufregung. Die bodenlose Unverschämtheit besteht darin, dass es bei dem ganzen Getue immer nur um das Wohlbefinden des feinen Herrn Europäers und des Fräulein Nordamerikas geht. Ist Bio gesünder? So lautete die Fragestellung der Wissenschaftler aus Stanford. Nachfrage der Kolumnistin: für wen? Man könnte doch mal in einer der wenigen Langzeitstudien des Cancer Registry of Central California an Beschäftigten in der konventionellen Landwirtschaft schmökern. Im Vergleich zur Kontrollgruppe erkrankten die Landarbeiterinnen zu 59 Prozent mehr an Leukämie, 63 Prozent mehr an Gebärmutterhalskrebs, 68 Prozent mehr an Gebärmutterkrebs und 69 Prozent mehr an Magenkrebs. Dabei haben sie das Zeug nur gepflückt und nicht gegessen!

Bei den Untersuchten handelte es sich größtenteils um Saisonarbeiter hispanischer Abstammung. Was wir konsumieren, ist keine Frage des Geschmacks, sondern eine politische Entscheidung. Wir ruinieren mit unserem Gefresse von Schrottnahrung aus der Schrottproduktion, Gesundheit, Ressourcen und Zukunft minder privilegierter Menschen.

Steht alles bereits in Texten der Reformbewegung und über die Anfänge des biologischen Landbaus. Manche Publikation darüber ist fast Hundert Jahre alt! Trotzdem gibt es aber immer noch Menschen, die unbedingt glauben wollen, dass man durch Gift essen, gesund und schön wird.

Ihre Mely Kiyak

[Frankfurter Rundschau vom 08. SEPTEMBER 2012]

HTTP://WWW.FR-ONLINE.DE/MEINUNG/KOLUMNE-LIEBE-BIOGEMUESE-STUDIE-,1472602,17199022.HTML

  • "Konventionelle" = industrielle Landwirtschaft: toter Ackerboden
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2 Kommentare

Es geht um die Produkte an sich... da ist kein Unterschied zu erkennen...
Ein sog. Bio-Apfel mag z.B. weniger Pestizide an sich haben, unterscheidet sich ab an sich nicht vom normalen Apfel.
Ist ja auch ein normaler Apfel - nur eben mit "Bio"-Logo.

Und wir essen doch zu viel Gift!

Zu: "Liebe Biogemüse-Studie", FR-Meinung vom 8. September und "Nicht bloß Gift essen", FR-Meinung vom 13. September

Eine Milliarde Menschen hungern, Herr Wilhelm!

Mely Kiyak hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass es letztlich keine brauchbare Langzeitstudie über die gesundheitlichen Auswirkungen "konventioneller Ernährung" versus "Bio-Ernährung" gibt, und dass solche Studien (wegen der Multikausalität von Krankheitsentstehung) nur schwer durchführbar sind. Sie hat außerdem mit deutlichen Worten die soziale Frage der Ernährung angesprochen, natürlich pointiert und verkürzt, aber treffend in der Aussage, dass die minder privilegierten Menschen am meisten unter unserer industriellen Nahrungsproduktion leiden.

In seinem Einspruch vom 13.9. idealisiert Herr Wilhelm als zukünftiger Chemie-Ingenieur diese Agrarindustrie und behauptet, dass wir es der chemischen Düngung zu verdanken hätten, dass der Hunger in weiten Teilen Europas und der Welt nachhaltig bekämpft sei. Bei über einer Milliarde hungernder Menschen auf der Welt wirkt eine solche Aussage zynisch, zumal er andererseits die "prall gefüllten Obst- und Gemüseabteilungen unser Supermärkte" als Indiz für den Erfolg der Agrarindustrie feiert.

Statt sich Gedanken zu machen über die Gefahren einer solchen Überproduktion - der Ausbeutung unserer Ressourcen, der Böden, der Gesundheit der Agrararbeiter, der mit der hoch subventionierten Überproduktion einhergehenden Nahrungsvernichtung, stellt er die Agrarindustrie als alternativlos dar.

Der Vizevorsitzende des Weltagrarberichts Dr. Hans R. Herren kommt jedenfalls zu dem Ergebnis, dass es möglich wäre durch eine verbesserte ökologische Bodenbewirtschaftung, die Erträge in Afrika, Asien oder Lateinamerika bis zu verdreifachen.

Hermann Roth, Frankfurt

Übrigens - Bio schmeckt auch besser

Daniel Wilhelms Beitrag fußt im mechanistischen Weltbild des 19. Jahrhunderts. Wegen der Praxis der Reduktion aufs Mechanische erscheint uns der konventionelle Landanbau heute als fragwürdig. Unser Gehirn reicht nicht hin, das Genom, sowie das Gehirn selbst, zu verstehen. Auch Tier- und Pflanzenwelt entziehen sich der Aufklärbarkeit, die den Rest - als etwas Wesentliches - ausblendet.

So geht der konventionelle Anbau mit chemo-synthetischem Dünger geballt auf die Natur losgeht, wo doch die Wirkungsweise der Natur aber eine organische ist. Die bedarf des gut ausgebildeten Mutterbodens. Markenzeichen der Natur ist, dass sie vernetzt und verteilt arbeitet und selbst in einem überschaubaren Kontext schon alles sehr eng verwoben ist.

Die Natur ist jeder zivilisatorischen Tätigkeit letztendlich und langfristig überlegen. Und übrigens: Bio schmeckt auch besser. Das bekomme ich jedes Jahr bei der Gartenfeier bestätigt.

Heinz Markert, Frankfurt

Das Fazit der Studie ist haarsträubend

Herr Daniel Wilhelm behauptet, dass Greenpeace auch zu ähnlichen Schlussfolgerungen käme, wie die Stanford-Studie. Der Online-Artikel "Bio-Lebensmittel: die bessere Wahl" auf der Greenpeace Webseite widerlegt ihn. Die vielen Gründe warum Bio besser als Konventionell ist, werden darin erläutert.
Die Ergebnisse der Stanford Studie zweifelt niemand an, aber das Fazit, das in ihr gezogen wird, ist haarsträubend. Die Bedeutung von Pestizidrückständen wird heruntergespielt, als seien sie nicht schlimm, weil die Grenzwerte meistens eingehalten würden.

Auch, dass die Mehrfachbelastungen mit verschiedenen Pestiziden bisher bei den Grenzwerten nicht berücksichtigt wird, findet keine Beachtung. Dabei hat eine EU-Verordnung aus dem Jahre 2005 die Entwicklung von Methoden zur Bewertung von Mehrfachrückständen gefordert, die noch nicht abgeschlossen ist.

Greenpeace hat dazu eine eigene Studie in Auftrag gegeben, welche die Gefährdungen durch Mehrfachbelastungen nachweist und deshalb wenigstens bei bekannten Wechselwirkungen niedrigere Grenzwerte einfordert.

Jörg Naber, Wieren

[Frankfurter Rundschau vom 18.09.12]

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