Wilhelm Neurohr: „Schweigt die Friedensbewegung zur privaten „Münchener Sicherheitskonferenz?“

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl, zur Berichterstattung über die Münchener Sicherheitskonferenz:

„Schweigt die Friedensbewegung zur privaten „Münchener Sicherheitskonferenz?“

Die Berichte über die so genannte „Münchener Sicherheitskonferenz“ (früher hieß sie ehrlicherweise „Wehrkundetagung“ der Militärexperten und Rüstungslobby) und zuvor über den „Weltwirtschaftsgipfel von Davos“ offenbaren uns eine äußerst bedenkliche Tendenz, die alle Demokraten eigentlich wachrütteln sollte: Nicht mehr die dafür eigentlich zuständigen und demokratisch legitimierten Gremien etwa der UN oder der EU organisieren offiziell den internationalen politischen Dialog über globale Wirtschafts- oder Friedensfragen. Sondern zunehmend sind es privat organisierte inoffizielle Großveranstaltungen auf Initiative von Wirtschafts- und Rüstungslobbyisten, die den erlauchten Teilnehmerkreis und die Themen bestimmen. Stolz brüsten sie sich damit, diese Privatkonferenzen zu den „bedeutendsten informellen Foren“ der „Eliten“ aufgewertet zu haben, mit denen sie die offiziellen Gipfelkonferenzen der Staats- und Regierungschefs in den Schatten stellen.

Und sie bestimmen auch, welche ausgewählten Politiker – diesmal Einhundert an der Zahl - bedeutend genug sind, um von Ihnen exklusiv und selektiv eingeladen und als Redner auserkoren zu werden, nebst der Überzahl der diesmal 400 selbst ernannten zahlreichen Teilnehmern aus Wirtschaft, Lobbyverbänden, Militär und sogar Geheimdiensten. Die so geschmeichelten Politiker geben sich dort gerne die Klinke in die Hand auf den illustren Treffen, so dass auch die Medien meist unkritisch diese von staatlichen Sicherheitskräften bewachten jährlichen privaten Großveranstaltungen wie offizielle internationale Staatskonferenzen oder Wirtschaftsgipfel behandeln. Damit gehen sie alle den Interessengruppen auf den Leim und belegen die enge Verquickung zwischen Politik, Wirtschaft und Militär sowie Medienschaffenden. Nicht zuletzt geben sie damit sogar den „Verschwörungstheoretikern“ neue Nahrung, denn deren Behauptung, dass die eigentlichen politischen Entscheidungen in solchen hochkarätigen „informellen“ Zirkeln vorbereitet werden statt in den gewählten Parlamenten oder durch das Volk als Souverän, erscheint plötzlich nicht so abwegig. Nickt der Bundestag nur noch die ausgetauschten Militär-Strategien der privaten „Sicherheitskonferenz“ ab und akzeptiert die neue teure Rüstungsspirale?

Gerade die letzten drei Münchener Sicherheitskonferenzen von 2016 und 2018 haben ohne begleitende Parlamentsdebatten oder öffentlichen Diskurs bedenkliche Militär- und rüstungspolitische Vorentscheidungen als Paradigmenwechsel politisch unwidersprochen präjudiziert. Die derzeit nur geschäftsführende Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, im Vorjahr in München flankiert vom damaligen Außenminister Steinmeier und Bundespräsidenten Gauck, legt sich in München erneut auf deutsche Auf- und Nachrüstungsverpflichtungen in nie dagewesener Höhe mit haushaltspolitischer Priorität fest. Zugleich definiert sie mit markigen Worten, am Grundgesetz meines Erachtens vorbei, eine ganz neue militärische Rolle Deutschlands und Europas. Wen interessiert es, dass Umfragen zufolge über 70% der Deutschen sich gegen eine weitere Aufrüstung und Erhöhung des Verteidigungsetats aussprechen?

Mit einer europäischen Armee neben der NATO in einer „europäischen Militärunion“, wie kürzlich von der EU-Exekutive (am Bundestag vorbei) beschlossen, wird die Militarisierung der Europapolitik vorangetrieben statt eine neue Abrüstungsinitiative zu starten oder Entspannungspolitik mit dem Osten. Stattdessen das Motto der 1950-er Jahre: „Wenn die Russen kommen…“. Alles läuft auf einen neuen „kalten Krieg“ hinaus, wie schon in der „Sicherheitspolitischen Agenda“ der Bertelsmann-Stiftung im Auftrag der EU vor Jahren entwickelt und empfohlen. Demgemäß der markige Originalton von der Leyen in München: „Deutschland braucht mehr militärisches Gewicht und darf sich nicht hinter seiner Geschichte verstecken, sondern muss akzeptieren, dass unsere Soldatinnen und Soldaten auch tatsächlich eingesetzt werden, um für Sicherheit und Freiheit zu kämpfen.“ Erschreckend ist das Schweigen der Zivilgesellschaft und der kaum noch existenten Friedenbewegung dazu.

Wilhelm Neurohr

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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