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Siegfried Born: Verfassungsschutz in schlechter Verfassung – abschaffen?

Bürgerrechtler fordern die Abschaffung des geheimen Verfassungsschutzes. Versagen im Falle der NSU ganz offenkundig. Menschen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wehren sich gegen das Ausspähen und Abhören und fordern die sofortige Einstellung der geheimen Aktivitäten. Noch hält die Politik ihre schützende Hand über die geheime Organisation. Doch: Brauchen wir noch den Verfassungsschutz, oder gehört er längst abgeschafft?

Dem Phänomen Verfassungsschutz versucht Siegfried Born nachzugehen, ahnend, dass er dann selbst ins Fadenkreuz der Verfassungsschützer geraten könnte.

Unbehagen über das Ausspähen und Abhören

Seit je her erfüllt es die Menschen mit Unbehagen, zu wissen, dass es im Verborgenen, im Geheimen, Organisationen gibt, die angeblich auf Grund demokratisch legitimierter gesetzlicher Bestimmungen ihren Aufgaben nachgehen und die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland „schützen“, in dem sie Bürger, Parteien, Gewerkschaften, Journalisten, Schauspieler oder unterschiedlichste Organisationen ausspähen oder abhören. Erkennbar war jedoch stets das intensive Ausspähen und Abhören von Aktivisten im linken Spektrum ganz im Gegensatz zur rechten Szene.

Bespitzelung der Linken aber blind auf dem rechten Auge

Schon zu Zeiten von Konrad Adenauer als erstem Bundeskanzler nach dem Zweiten Weltkrieg war der Verfassungsschutz besonders aktiv, wenn es darum ging unliebsame Kommunisten ausfindig zu machen und selbige zu observieren. Die ehemaligen Nazis des Dritten Reichs hatten hingegen nichts zu befürchten vom Verfassungsschutz. Vielfach waren ehemalige ranghohe Nazigrößen nach dem 8. Mai 1945 schnell dabei, sich in den verschiedensten Parteien um die diversesten Posten zu bewerben, um schon nach kurzer Zeit wieder politische Ämter zu bekleiden, sei es als Bürgermeister, als Ministerpräsidenten oder aber als Minister auf Landes- oder Bundesebene. Links Orientierte und Kommunisten wurden hingegen ständig observiert, verfolgt und politisch sogar mit Berufsverboten für ihre Überzeugung bestraft. Schon damals wurde die Frage gestellt, ob der Verfassungsschutz die Verfassung, also das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland eher schütze oder aber politisch anders Denkende systematisch verfolge und drangsaliere. Der Zweifel ist bis heute geblieben.

11. September ist Auslöser für noch mehr geheime Aktivitäten

Spätestens seit dem Anschlag auf das Word Trade Center in New-York glauben Innenminister des Bundes und der Länder in besonderem Maße eine Legitimation dafür in der Hand zu haben, dass jetzt noch stärker als bisher stets mit der Begründung der Terrorbekämpfung die Menschen in bis dahin nie gekanntem Ausmaß ausgespäht und abgehört werden dürfen. Ganz zu schweigen von der Datensammelwut, die jetzt entstanden ist und immer noch anhält. Wurde zunächst nur Hinweisen nachgegangen nach Terror verdächtigen Begriffen und diese gesammelt, scheint es heute Standart zu sein, sämtliche Daten von allen Bürgerinnen und Bürgern, von Computern, von Telefongesprächen usw. zu sammeln, um diese dann später „auswerten“ zu können.

Seltsam: V-Leute

Eine äußerst seltsame Figur macht der Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den so genannten V-Männern bei den Nazis, was ja vor Jahren dazu führte, dass die NPD nicht als verfassungswidrig eingestuft werden konnte und das Bundesverfassungsgericht klar machte, dass es einem Verbotsantrag gegen die Partei NPD nicht folgen könne, so lange V-Leute mitmischen würden. Diese V-Männer (und Frauen) sind aber offenbar noch bis heute aktiv und Kritiker behaupten sogar, dass diese eigentlich gar nicht für den Verfassungsschutz arbeiten sondern durch ihre Anwesenheit den Nazis eine gewisse Sicherheit geben würden.

Kontrolle fast nicht mehr möglich
Verfassungsschutz sollte abgeschafft werden

Der Verfassungsschutz agiert derartig geheim, dass eine Kontrolle durch demokratisch legitimierte Organe, wie den dafür zuständigen Ministern und anderen Behörden kaum möglich ist, weil stets mit dem Hinweis auf Geheimhaltung berechtigte Fragen unbeantwortet bleiben. Somit ist längst schon die Tätigkeit des Verfassungsschutzes in den einzelnen Bundesländern aber auch beim Bund zu einem geheimen Selbstläufer geworden, beinahe gänzlich ohne jegliche Kontrolle durch die Politik. Es scheint auch so, dass die Verfassungsschutzeinrichtungen der einzelnen Bundesländer kaum miteinander kommunizieren, wie ist es sonst zu erklären, dass das Wissen über die NSU von einem Bundesland zum anderen nicht durchgedrungen ist. Insofern ist die Frage der betroffenen und nicht betroffenen Bevölkerung mehr als berechtigt nach der Sinnhaftigkeit des Verfassungsschutzes und der Forderung von Bürgerrechtlern nach Abschaffung des Verfassungsschutzes.

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17 Kommentare

> "Nicht gelesen?"

Doch, aber meine Meinung bleibt davon unberührt.

> "Nachforschungen zum Thema Extremismus sollten besser von unabhängigen Wissenschaftlern übernommen werden."

Ja, aber die praktische Bekämpfung von Extremisten wird man kaum Wissenschaftlern überlassen können.

Natürlich nicht. Aufgabe der Gesellschaftswissenschaften und der Tiefenpsychologie, im Grunde Aufgabe aller Bürgerinnen und Bürger ist es, die Ursachen des politischen Extremismus aufzuspüren und sich dafür einzusetzen, dass sie beseitigt werden. Ein sehr komplexes Thema, das nicht in wenigen Worten umrissen werden kann. Es gibt dazu bereits viel Literatur. Zu nennen wäre da u. a. der norwegische Friedens- und Konfliktforscher Johan Galtung, dessen Studien auch auf Deutsch erschienen sind. Er hat den Begriff «strukturelle Gewalt» geprägt und das Konzept der sozialen Verteidigung mit entwickelt.

„Strukturelle Gewalt ist die vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist“. (Galtung)

Wenn man Menschen durch Unterdrückung und Manipulation daran hindert, sich frei zu entwickeln, sich von gleich welchen „Autoritäten“ zu emanzipieren, oder sie in Armut und Elend treibt, sie hungern lässt, ihnen, wie in Afrika und Lateinamerika, fruchtbares Land wegnimmt, Regenwälder abholzt, um riesige Sojafelder anzulegen – für Viehfutter, das in den Massentierställen von Niedersachsen landet, dann ist das «strukturelle Gewalt».

Wenn ein Wirtschaftssystem die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klaffen lässt, Massenarbeitslosigkeit „schafft“, der Jugend die Zukunft nimmt und durch Zerstörung und Vergiftung der Natur, der natürlichen Lebensgrundlagen von Pflanze, Tier und Mensch, irreparable ökologische Schäden anrichtet, dann ist das «strukturelle Gewalt».

Wenn Menschen davon unmittelbar betroffen sind oder sich betroffen fühlen, kann daraus individuelle und Gruppengewalt, kann Extremismus entstehen. Solche unangemessenen Formen des Widerstandes, oft zwischen Legitimität und Kriminalität, wird es immer geben, solange die Ursache: strukturelle Gewalt vorherrscht.

Die „praktische Bekämpfung von Extremisten“ muss auf zweierlei Weise erfolgen: bei aktuellen Fällen, bei Straftaten durch die Polizei – so geschieht das auch, zur Vorbeugung und Verhinderung durch Überzeugungsarbeit und nicht durch (von konservativen Politikern und Massenmedien betriebene) Verteufelung und Ausgrenzung.

Dass dies gelingen kann, zeigen die Erfolge bei jungen, glatzköpfigen Neonazis, die aus der Gewaltszene ausgestiegen sind, weil ihnen geholfen wurde.

Aber sind wir nicht alle, nahezu alle von uns bereit, Gewalt mit Gewalt zu beantworten, wenn wir die Mittel dazu haben, oder sie stellvertretend für uns anwenden zu lassen?

Wir haben die kollektiven Gewaltstrukturen, die strukturelle Gewalt, derart verinnerlicht, dass wir es begrüßen, wenn „endlich einmal hart durchgegriffen wird, „Vater Staat seine Muskeln spielen lässt und für Ordnung sorgt“: sich als souverän erweist.

Wenn wir das ändern wollen, müssen wir zuerst uns selber ändern.

Mehr zu diesem Thema auf meiner Homepage, Kapitel GEWALT/-FREIHEIT → http://www.dietrichstahlbaum.de/

> "Aber sind wir nicht alle, nahezu alle von uns bereit, Gewalt mit Gewalt zu beantworten, wenn wir die Mittel dazu haben, oder sie stellvertretend für uns anwenden zu lassen?"

Wie gesagt: Wegen der Ursachenbekämpfung rennst du bei mir offene Türen ein und ich stimme dir zu. Aber erstens ist das nur vorbeugend anwendbar und zweitens treffen die klassischen Ursachen auf manche Täter nicht zu.

Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und jemand als Extremist Gewalt anwenden will, hilft nur Gegenwehr.

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