Siegfried Born: Europa macht seine Grenzen nun dicht gegen Flüchtlinge

Nach Mare nostrum zeigt nun Frontex Stärke und riegelt alles ab
Humanitäre Hilfe, wie zuletzt durch Italien auf Lampedusa, ist nicht mehr erwünscht

Zur derzeitigen Situation der Abschottung Europäischer Grenzen durch Frontex gegen immer mehr in Not befindliche Menschen, die aus ihren Ländern teils aus politischen, teils aus wirtschaftlichen Gründen flüchten wollen und müssen, nimmt Siegfried Born, Mitglied bei attac und ver.di, kritisch Stellung:

Die direkten und indirekten Bedrohungen der Menschen nehmen immer mehr zu. Menschen werden in Kriege verwickelt und müssen deshalb fliehen, um ihr Leben zu retten, wie in Syrien oder Afghanistan. Menschen leben in Gebieten dieser Welt, in denen es nichts aber auch gar nichts mehr zu essen und/oder zu trinken gibt, wie in Teilen Afrikas und fliehen deshalb, um ihr Leben zu retten. Mädchen und Frauen wurden und werden vergewaltigt und fliehen deshalb, um ihr Leben zu retten und nicht mehr vergewaltigt zu werden. Menschen fliehen vor mordenden Banden, die nur ihren Glauben als den einzig wahren ansehen und alle Menschen töten wollen, die nicht muslimischen Glaubens sind, wie derzeit der IS.

Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen ihr geliebtes Land, ihre lieb gewordene Umgebung, ihre Heimat verlassen müssen. Schlimmer kann es nicht mehr kommen, denken sie und flüchten in die Länder, die ihnen aus ihrer Sicht ein besseres Leben versprechen. Das letzte Ersparte reichte vielleicht aus, um es dubiosen und zum Teil kriminellen „Helfern“ in die Hand zu drücken in der Hoffnung, dass sie dafür Sorge tragen, dass eine Schiffsreise angetreten würde in eine bessere Zukunft.

Aber die Bootsfahrten sind für die Flüchtlinge sehr teuer und die Boote selbst wenig oder gar nicht seetauglich und für die Überfahrt alles andere als sicher. Und so mussten vor einem Jahr mehr als dreihundert Menschen die Überfahrt mit einem solchen untauglichen Boot mit ihrem Leben bezahlen. Die Welt war entsetzt und viele Vertreter der EU und auch der Papst (Franziskus) ließen es sich nicht nehmen, vor Ort der Toten zu gedenken und von einer „Schande“ für Europa zu sprechen (so zumindest der Papst). Erst jüngst sind binnen 96 Stunden rund eintausend Flüchtlinge aus Seenot geborgen, 300 Menschen vor Zypern und 700 Menschen vor der italienischen Küste. Spiegel online hatte hierzu bemerkt: „Die vergangenen Tage zeigen, wie bedeutsam die Seenotrettung im Mittelmeer ist.“ Und weiter heißt es: „Gerade dort will die europäische Politik sparen.“

Die italienische Regierung hat Anfang November 2014 verkündet, aus Kostengründen die „Mare nostrum“-Mission zu beenden. Erst als die 300 toten Flüchtlinge vor Lampedusa zu beklagen waren, hatte Italien mit der Mission „Mare nostrum“ begonnen und seit dem mehr als einhunderttausend Menschen vor der Küste Italiens aus der Seenot gerettet. Die Kosten hierfür beliefen sich bisher auf 140 Millionen Euro. Jetzt, so ist es beschlossen, soll eine europäische Gemeinschaftsaktion die „Mare Nostrum“-Mission ersetzen. Geplant sind allerdings nur ein Drittel der bisherigen Ausgaben, also 47 Millionen, statt der bisherigen 140 Millionen Euro. Dass dadurch noch mehr Menschen als bisher auf dem Seeweg sterben werden, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Es ist erschreckend, dass Europa nunmehr willens ist, mit Hilfe von Frontex die Grenzen auf dem Meer abzuriegeln und keine Flüchtlinge mehr nach Europa durchkommen zu lassen. Abgeschottet werden sollen die Bereiche im östlichen Mittelmeer vor Griechenland und Bulgarien, auf dem Atlantik, vor den Kanarischen Inseln und der Küste Westafrikas sowie dem Mittelmeer zwischen Nordafrika und Malta/ Süditalien. Frontex wird aber auch die Grenzen auf dem Lande verschärfen und ebenfalls etwaige Flüchtlinge zurückdrängen.

Angesichts der Krisenherde weltweit müsste es nun eine gemeinsame europäische Hilfsaktion geben, statt einer Abschottungspolitik mittels Frontex. Wenn stets die Gemeinschaft Europas vollmundig beschworen wird, dann hätte Europa, dann hätten die einzelnen 28 europäischen Staaten jetzt Gelegenheit zu zeigen, dass sie gemeinsam handeln und den in Not geratenen Menschen, den Flüchtlingen, helfen.

Anstatt dass der Friedensnobelpreisträger Europa nunmehr alles unternimmt, um zum einen die Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge, die Italien bisher aufgebracht hat, zumindest teilweise zu übernehmen, und zum anderen die vielen tausend Menschen zu verteilen auf die anderen Staaten, ist Europa eher bemüht, seine Grenzen abzuschotten und die Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückzuschicken.

Es ist dringend erforderlich, dass sich Europa seiner Verantwortung bewusst wird und eine Willkommenskultur entwickelt anstatt sich gegen die Aufnahme weiterer in Not befindlicher Menschen zu stellen.

Siegfried Born

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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